Bundesbauministerin Klara Geywitz (rechts) wirbt auf der Immobilienmesse Real Estate Arena in Hannover für die Sanierung von Bestandsimmobilien. | Foto: Link

Die Baukosten schießen durch die Decke, die Unternehmen reagieren mit einer Vollbremsung. „Die Situation auf dem Wohnungsmarkt – beim Neubau, bei der Sanierung und Modernisierung – ist wirklich dramatisch“, lautete das Eingangsstatement von vdw-Verbandsdirektorin Susanne Schmitt beim Wohnungspolitischen Kongress. Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft geht davon aus, dass tausende aktuelle Bauprojekte in Gefahr sind. In Niedersachsen sind laut einer aktuellen vdw-Umfrage mindestens 3100 Wohnungsneubauten, 4900 Wohnungsmodernisierungen und fast 10.000 Instandhaltungsmaßnahmen bedroht.

Vor allem der soziale und preisgünstige Wohnungsbau steckt fest. „Die Wohnungen, die 7 bis 8 Euro Miete pro Quadratmeter kosten, werden nicht geschaffen, wenn sich nichts ändert“, warnte Schmitt. N-Bank-Verwaltungsrat Ulf Meier sieht aber auch Chancen für den sozialen Wohnungsbau, weil dieser mit einer 0-Prozent-Baufinanzierung gefördert wird. „Die Rendite ist nicht wahnsinnig hoch, aber sie ist nachhaltig“, sagte Meier. Er stellte allerdings auch klar: „Wir werden nicht drum herumkommen, die Standards fürs Bauen zu senken. Ein Bestandshaus aus den 50er Jahren auf den KfW-55-Standard zu bringen, das funktioniert nicht. Da kann man eigentlich nur abreißen und neu bauen.“

Diskutieren mit Christian Budde (von links) über klimafreundliches und bezahlbares Bauen: Frank Doods, Susanne Schmitt und Uwe Meier. | Foto: Link

„Jeder Euro, den wir in Solaranlagen und in Luft-Wärmepumpen stecken, lohnt sich ökonomisch und politisch.“

Frank Doods

Baustaatssekretär Frank Doods äußerte sich zurückhaltender. „Wir dürfen unseren Kompass nicht verlieren. Die Zielstellung bleibt weiter wichtig und richtig“, sagte der SPD-Politiker und fügte hinzu: „Jeder Euro, den wir in Solaranlagen und in Luft-Wärmepumpen stecken, lohnt sich ökonomisch und politisch.“ Zu niedrigeren Baustandards äußerte sich Doods nicht, allerdings gab er die Devise „Efficiency First“ aus.

Experten aus Politik und Wohnungswirtschaft treffen sich zum Wohnungspolitischen Kongress in Hannover. | Foto: Link

Die Bauwirtschaft müsse in der Lage bleiben, mit ihren immer begrenzteren Ressourcen in den Bereichen Personal und Baustoffen, den Gebäudesektor bis 2045 auf Klimaneutralität umzurüsten. „Wir werden jetzt natürlich durch ein tiefes Tal schreiten, aber ich vertraue darauf, dass sich die Dinge danach wieder normalisieren werden“, sagte Doods und betonte: „Ich glaube auch hier an die Kräfte des Marktes.“ Der Baustahl, der heute wegen zu hoher Kosten nicht für Bauprojekte eingesetzt werden kann, werde auch wieder im Preis fallen.

Immobilienmesse „Real Estate Arena“ dreht sich um Nachhaltigkeit

Nicht nur auf dem Wohnungspolitischen Kongress ging es um die Frage, wie bezahlbares und klimaneutrales Bauen und Wohnen in Einklang gebracht werden können. Auch auf der gleichzeitig stattfindenden Immobilienmesse „Real Estate Arena“, die ein paar Hallen weiter auf dem hannoverschen Messegelände eine gelungene Premiere feierte, war die Nachhaltigkeit ein zentrales Thema. „Das Großartige am Gebäudesektor ist sein Potenzial für den Klimaschutz“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz im Gespräch mit der niedersächsischen BDA-Vorsitzenden Dilek Ruf.

Dilek Ruf (links) befragt Klara Geywitz über die Baupolitik der Ampelkoalition. | Foto: Link

Die SPD-Politikerin will dabei den bisherigen Fokus auf die Energieeffizienz des Gebäudes nicht mehr betonen. „Wir wollen den Blick weiten auf den kompletten Lebenszyklus. Und dann kommen wir auch zu einer anderen Bilanz und nicht immer nur zur Frage: Wie gut gedämmt ist das“, sagte Geywitz. Auf die steigenden Immobilienpreise angesprochen, antwortete die Bundesbauministerin: „Wenn man mehr baut, sorgt das für eine Entspannung des gesamten Wohnungsmarktes.“ Geywitz tendiert aber eher zum Sanieren und Modernisieren als zum Neubau. „Man kann es nicht vorschreiben, dass Leute eine Bestandsimmobilie kaufen, aber man kann es zumindest anreizen“, sagte sie. 

14,5 Milliarden Euro sind für sozialen Wohnungsbau eingeplant

Als einen weiteren Schwerpunkt ihrer Politik nannte Geywitz die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, für den bis 2026 bereits 14,5 Milliarden Euro eingeplant sind. Statt noch mehr Stellplätze wünscht sich die 46-Jährige „smarte Mobilitätskonzepte“ und die „15-Minuten-Stadt“, in der alle wichtigen Orte innerhalb einer Viertelstunde mit dem Rad erreicht werden können. Bei der Innenstadtförderung will sie künftig „nicht nur Konsum, sondern auch Begegnung“ verstärkt in den Mittelpunkt rücken. Die Digitalisierung von Planverfahren hat Geywitz ebenfalls auf dem Zettel und sie sieht auch die Notwendigkeit für mehr Personal.

„Es wird eine große Herausforderung sein, in den Kommunen vor Ort wieder mehr Leute in den Bauämtern zu haben“, sagte die Bauministerin. An einer Stelle wurde Geywitz allerdings kalt erwischt. Die BDA-Landesvorsitzende Ruf warf die Frage auf, ob es angesichts der immensen Preissteigerungen beim Bauen sinnvoll ist, dass Bund und Länder ihre Baugrundstücke immer nur meistbietend verkaufen. Hier konnte Geywitz nur auf die Verbilligungsrichtlinie für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verweisen, die 2018 unter der Vorgängerregierung in Kraft trat. Pläne, um die Preisspirale beim Baugrund zu stoppen, hat Geywitz offenbar nicht.

„Wir haben bis 2025 einen so hohen Bedarf an Wohnraum in der Region, dass die Landeshauptstadt Hannover allein gar nicht die Möglichkeit hat, diesen zu decken.“

Andrea Hanke

Die Real Estate Arena ist die erste deutsche Immobilienmesse, die speziell die kleineren Großstädte und Mittelstädte – vor allem in Norddeutschland – in den Fokus rückt. In den Gesprächsrunden wurde dabei immer wieder deutlich, dass vor allem der Flächenkonflikt die Branche und Kommunen umtreibt. „Wir haben bis 2025 einen so hohen Bedarf an Wohnraum in der Region, dass die Landeshauptstadt Hannover allein gar nicht die Möglichkeit hat, diesen zu decken. Aber über Einfamilien- und Zweifamilienhäuser wird sich der Bedarf nicht decken lassen. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch Geschosswohnungsbau entwickeln“, berichtete etwa Regions-Sozialdezernentin Andrea Hanke und sagte: „Es ist ein Problem, dass Baugebiete ausgewiesen, wo nur wenig Geschosswohnungsbau möglich ist. Da hoffen wir in Zukunft auf die Räte und Ortsräte.“

Belit Onay (von links) diskutiert mit Nadine Otte, Andrea Hanke, Susanne Schmitt und Tatjana Salbjo. | Foto: Link

In der Landeshauptstadt selbst würde Nadine Otte, Geschäftsführerin der „Gundlach Bau- und Immobilien-GmbH“, gerne mit einer ganzheitlichen Quartiersentwicklung auf die Herausforderungen der Zeit reagieren. „Es gibt aber unglaublich viel Wohnraum, der Einzelnen gehört. Gerade in Hannover gibt es viel Streubesitz und das ist eine große Herausforderung“, sagte Otte. Ihr Lösungsansatz: „Wir müssen mutig sein und auch mal Schritte beschließen, die nicht in einer Verordnung geregelt sind.“