SPD und Grüne bereiten gerade ihren Koalitionsvertrag für die nächste niedersächsische Landesregierung vor. Was soll dort drin stehen? Die Rundblick-Redaktion unterbreitet den Unterhändlern Vorschläge. Heute der erste Teil: die Schulpolitik.

Foto: GettyImages-Skynesher

Jeder einzelne Interessenverband in Niedersachsen hat vermutlich kluge Ideen, wie man das schulische Curriculum jetzt dringend anpassen müsste. Mehr Informatik, mehr Handwerk, mehr Berufsorientierung zum Beispiel. Aber jeder Lehrer und jeder Bildungspolitiker stöhnt wohl auf, wenn nun noch mehr Inhalte in den Schulen vermittelt werden sollen. Was denn noch alles? Das ist verständlich und bringt auch nicht die Lösung für jene Probleme, vor denen wir derzeit stehen. Die beste Voraussetzung für gute Bildung schafft man noch immer mit guten und motivierten Lehrern. Doch an denen mangelt es: Es gibt zu wenig Lehrer und die, die da sind, gehen häufig genug auf dem Zahnfleisch oder fallen gar aufgrund von Überlastung krankheitsbedingt aus.


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Wie also kriegt man mehr Lehrer ins System? Der noch amtierende Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hat mit seinem Lehrkräftegewinnungspaket, das er vor einigen Wochen auf den Weg gebracht hat, schon wichtige Impulse gesetzt. Kurzfristig hilft beispielsweise ein erleichterter Quereinstieg. Allerdings geben hier Experten zu bedenken, dass Lehrkräfte auch mit dem entsprechenden pädagogischen Rüstzeug ausgestattet sein müssen, um den Job auf Dauer gut machen zu können. Quereinstieg allein reicht also nicht aus. Und auch die in Aussicht gestellten finanziellen Anreize dürften eher verpuffen, als eine nachhaltige Entlastung zu bewirken.

Land sollte Besoldung anheben

Zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs in Niedersachsen würde mit Sicherheit beitragen, wenn das Land die Besoldung in diesem Bereich auch für Grund-, Haupt- und Realschul- beziehungsweise Oberschullehrer anheben würde. Dass A13 für alle bald kommt, ist sehr wahrscheinlich und auch ein richtiger Schritt. Es würde zumindest dazu beitragen, dass ausgebildete Lehrer nicht in die besser bezahlenden Nachbarländer abwandern. Sogar der Philologenverband hat deutlich gemacht, unter welchen Bedingungen sie dabei mitgehen würden: Der Abstand zur Besoldung der Gymnasiallehrer könnte dadurch erreicht werden, dass für diese eine gestufte Entlastung bei der Unterrichtsverpflichtung eingeführt wird. Die Philologen werben für dieses Konzept, weil es zusätzlich dazu beitragen könnte, Lehrer davon abzuhalten, zu früh komplett aus dem Dienst auszuscheiden.

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Dazu beitragen, dass kurzfristig mehr Lehrer in die Grund-, Haupt- und Realschulen zu bekommen, könnte noch ein anderer größerer Schritt. Dazu müsste die Lehrerausbildung komplett neu strukturiert werden. Warum probiert man es nicht mit einem dualen Studium, bei dem die angehenden Lehrer schon gleich zu Beginn ihres Ausbildungswegs und dauerhaft begleitend immer wieder in den Schulen eingesetzt werden? Schon jetzt werden Masterstudenten in der Schule als Aushilfen eingesetzt. Warum entwickelt man das nicht weiter? Dadurch würden nicht nur unmittelbar mehr Köpfe im Schuldienst sein, sondern die Lehramtsstudenten könnten frühzeitig herausfinden, ob sie wirklich dafür geeignet sind, vor einer Schulklasse zu stehen. Außerdem könnte und müsste damit eine inhaltliche Veränderung des Lehramtsstudiums einhergehen: eine Trennung von Lehramts- und Fachwissenschaftsstudium, damit angehende Lehrer wirklich auf das vorbereitet werden, was sie später erwartet. Praxisorientierung ist hier gefragt. Wer vorhat, später in der Grundschule Mathematik zu unterrichten, muss nicht dasselbe Studium absolvieren wie jemand, der später Ingenieur werden will.

„Es muss nicht jede Hochschule alles ein bisschen anbieten. Hier ist Fokussierung und Professionalisierung gefragt.“

Die Neukonzeption des Lehramtsstudiums sollte auch an zwei strukturelle Anpassungen geknüpft werden. So wäre es sicher sinnvoll, auch auf ministerieller Ebene die Ausbildung und den Einsatz von Lehrern zu bündeln. Der Vorschlag steht im Raum, in einem Bildungsministerium Kompetenzen von Wissenschafts- und Kultusministerium unter einem Dach zu vereinen. So könnte die wichtige Aufgabe der Lehrkräftegewinnung aus einer Hand geschehen und Reibungsverluste könnten vermieden werden. Zweitens sollte man die Ausbildung angehender Pädagogen stärker an bestimmten Universitätsstandorten bündeln, um hier Synergien zu erzeugen. Es muss nicht jede Hochschule alles ein bisschen anbieten. Hier ist Fokussierung und Professionalisierung gefragt.


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Zu guter Letzt muss die neue rot-grüne Landesregierung die vorhandenen Lehrkräfte wieder stärker entlasten. Dokumentationspflichten müssen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft, wenn nötig vereinheitlicht und in jedem Fall in ihrem Umfang verringert werden. Niemand hat etwas davon, wenn Lehrer einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, irgendwelche internen Bewertungsbögen auszufüllen, die niemanden interessieren und die bloß in einem verstaubten Aktenordner landen. Hier zu verschlanken, ist vermutlich sinnvoller als zusätzliches Personal, das den Lehrkräften Arbeit abnehmen soll. Denn zusätzliche Verwaltungskräfte erhöhen auch den Abstimmungsbedarf und führen deshalb nicht zwangsläufig zu einem Zugewinn bei den zeitlichen Ressourcen.



Die durch weniger Bürokratie freigewordene Arbeitszeit können Lehrer besser einsetzen, indem sie sich um ihre Schüler kümmern. Denn dort wächst der Betreuungsbedarf kontinuierlich an. Übrigens: Wenn die rot-grüne Regierung nun am Auslaufen der Förderschulen Lernen festhält, was zu erwarten ist, sollte sie schleunigst dafür sorgen, dass die dadurch freiwerdenden Personalreserven klug und am Bedarf orientiert in den Regelschulen zur Unterstützung der teilweise mit der Betreuung von Inklusionskindern überforderten Regelschul-Lehrern eingesetzt werden.