In der Büroleiter-Affäre von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gibt es ein neues brisantes Detail: Nach Informationen, die das Politikjournal Rundblick aus sicherer Quelle bekommen hat, ist die Staatskanzlei in der lange umstrittenen Frage der Höherbesoldung von Aynur C. dem Finanzminister zuvorgekommen.
Minister Gerald Heere (Grüne) hatte erst am 20. November 2023 entschieden, dass die rechtlichen Grundlagen für die AT-Zulage für C. geschaffen werden. Einen Tag später beschloss dann das Kabinett die Personalie. Nun hat das Politikjournal Rundblick erfahren, dass Staatskanzleichef Jörg Mielke (SPD) schon am 16. November 2023 entschieden hatte, die Höherstufung auf die Tagesordnung des Kabinetts vom 21. November 2023 zu setzen – also vier Tage vor Heeres maßgeblicher Festlegung in dieser Sache.
Das weckt nun den Verdacht, dass die Staatskanzlei den Finanzminister damit unter Druck gesetzt oder sein Votum schlicht ignoriert haben könnte. Regierungssprecherin Anke Pörksen widerspricht dem auf Rundblick-Anfrage: „Es ist vielmehr so gewesen, dass die Staatskanzlei schon seit Mitte Oktober von Heeres Zustimmung ausgegangen war. Hier handelte es sich also um ein Missverständnis.“ Pörksen bleibt bei der bisherigen Darstellung der Staatskanzlei, dass man den Finanzminister in dieser Sache keineswegs gedrängt habe. Ministerpräsident und Finanzminister seien sich einig gewesen.
Die Büroleiter-Affäre bezeichnet einen Vorgang im engeren Umfeld von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): Aynur C. wurde im Februar 2023 zur neuen Büroleiterin von Weil berufen, ursprünglich hatte sie die Besoldungsstufe E15 (rund 6300 Euro brutto). Nach den in Niedersachsen bis Herbst 2023 geltenden Regeln hätte die Angestellte auf eine Höherstufung bis zu zehn Jahre warten müssen, da ihr Werdegang mit dem fiktiven Werdegang eines Beamten auf der Position hätte verglichen werden müssen. Im Laufe des Jahres 2023 setzte sich die Staatskanzlei dennoch vehement dafür ein, C. auf B2 (8200 Euro brutto) zu heben.
Das Beamtenreferat im Finanzministerium verwies auf das geltende Recht und lehnte das Ansinnen ab. Daraufhin ließ die Staatskanzlei nicht locker, auch der Ministerpräsident soll sich für C. eingesetzt haben. Das Beamtenreferat widersprach erneut mehrfach, musste sich dann am Ende aber fügen und entwickelte eine neue Praxis, die keine Wartezeit in solchen Fällen mehr vorsieht. Diese neue Praxis musste aber vom Finanzminister persönlich gebilligt werden. Das geschah dann erst am 20. November 2023 in Form einer kurzen Mail am späten Nachmittag.
Bisher nicht bekannt ist nun folgender Umstand: Mielke hatte schon vier Tage vor Heeres Minister-Entscheidung diese als gegeben vorausgesetzt, indem er die Personalie C. auf die Kabinetts-Tagesordnung platzierte. In höchster Eile sollte das Kabinett die Personalie C. beschließen, was dann auch geschah. Das höhere Gehalt für C. wurde dann auch gleich rückwirkend zum 1. August 2023 gewährt. Gegenüber den obersten Landesbehörden wurde die neue Besoldungspraxis dann erst am 1. Dezember 2023 mitgeteilt – nachdem sich das Politikjournal Rundblick vorher bei der Staatskanzlei nach diesen Vorgängen erkundigt hatte.

Unterdessen rückt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) in der Frage immer näher, nächste Woche tagt dazu der Landtag. Die Landesregierung hatte wiederholt Vorwürfe der CDU, hier sei Rechtswidriges geschehen, als „aus der Luft gegriffen“ bezeichnet. Mutmaßungen, Weil könne vielleicht doch noch seinen Fehler öffentlich einräumen und die CDU so davon überzeugen, von dem Untersuchungsausschuss abzulassen, werden von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Die CDU hat für den PUA einen umfangreichen Fragenkatalog vorgelegt. Dabei geht es auch um die Frage, ob Weil, Heere, Mielke und Finanz-Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette vor den Landtagsgremien wahrheitsgemäß über den Fall berichtet haben.
Es war in einigen Aussagen von Regierungsmitgliedern der Eindruck entstanden, C. sei „nur ein Beispiel“ gewesen, in Wirklichkeit sei es hauptsächlich um die generelle Reform der Besoldungspraxis gegangen. An dieser Darstellung hegt die CDU massive Zweifel. Die CDU will auch wissen, inwieweit SPD-Bundespolitiker in die Personalentscheidungen zu C. einbezogen wurden. C. ist im Ehrenamt Vorsitzende des SPD-Unterbezirks im Heidekreis, dem Heimatverband von SPD-Chef Lars Klingbeil. Sie war persönliche Referentin des Hamburger Finanzsenators, bevor sie zu Weil nach Hannover wechselte.