Aus der Perspektive des AfD-Landesverbandes Niedersachsen endete der jüngste Europa-Parteitag der AfD an den vergangenen Wochenenden enttäuschend: Der 26-jährige Micha Fehre aus Hannover, Geschäftsführer eines Online-Handels und einer Firma für Webdesign, verpasste als Kandidat des Landesverbandes die Aufstellung.

Im Vorfeld war zunächst überlegt worden, Fehre schon auf Platz 4 ins Rennen zu schicken. Nachdem die Landesverbände die Kräfteverhältnisse näher ausgelotet und festgestellt hatten, dass dieser Schritt wohl zu riskant wäre, trat Fehre dann erst auf Position 13 an. Dort schaffte er es zwar in die Stichwahl und lag gegenüber einem Mitbewerber sogar vorn. Doch weil mehr als die Hälfte der Delegierten mit Nein votiert hatte, war der Wahlgang gescheitert.
Einen erneuten Versuch startete Fehre dann nicht. An seiner Stelle nominierten die Niedersachsen dann die 57-jährige Betriebswirtin Anja Arndt, Kreisvorsitzende der AfD in Ostfriesland. Sie wurde schließlich auch gewählt – mit der inoffiziellen Begründung, dass man diesen Platz für einen Bewerber aus Niedersachsen sichern wollte. „Insofern hat die regionale Verteilung diesmal dann doch geklappt“, sagte ein Teilnehmer der Versammlung anschließend.
Arndt, die bisher öffentlich nicht aufgefallen ist, bleibt nun allerdings die einzige Niedersächsin unter den ersten 20 Listenplätzen der AfD für die Europawahl. Damit ist der Landesverband mit Blick auf seine Größe und Mitgliederstärke (als viertgrößter Verband in Deutschland mit rund 2500 Mitgliedern) deutlich unterrepräsentiert. Gegenwärtig hat die AfD im Europaparlament neun Abgeordnete, sie erreichte 2019 bei der Europawahl 11 Prozent. Unter diesen neun ist bislang auch kein Niedersachse. Beobachter rechnen damit, dass die rechtspopulistische Partei ihr Ergebnis und damit die Zahl der Mandate bei der Europawahl im Juni 2024 verdoppeln könnte.

Bei der AfD-Aufstellungsversammlung in Magdeburg, die auf zwei Wochenenden verteilt werden musste, gelangten dann zwar noch weitere Niedersachsen auf die Liste – allerdings auf solche Listenplätze, die nicht mehr als chancenreich gelten. Das betrifft etwa den 52-jährigen Sven Sager (Platz 30) aus Cloppenburg-Vechta, der für die AfD-Regionsfraktion in Hannover tätig ist, den 57-jährigen Mirco Hanker aus Braunschweig (Platz 32) und den 85-jährigen Peter Würdig aus Cuxhaven (Platz 35). Würdig war jahrelang auf AfD-Landesparteitagen dadurch aufgefallen, dass er aus eigenem Antrieb für den Vorsitz kandidierte und dann nur sehr bescheidene Stimmergebnisse bekam.

Beobachter führen die deutliche Niederlage für den rhetorisch versierten und in Hannover mit viel Vorschusslorbeeren ausgestatteten Fehre auf eine AfD-interne Intrige zurück. Der 26-Jährige trat zwar in den vergangenen Wochen mit scharfen Tönen in Richtung EU auf, forderte den Austritt Deutschlands aus dem Bündnis und die Abkehr vom Euro, aber intern wurde er als „wirtschaftsliberal“ eingestuft. Ihm fehlte der Stallgeruch der Rechtsextremen in der AfD.
Gegen Fehre braute sich eine Gegnerschaft der „Jungen Alternative“ zusammen, jenes weit rechts stehenden Jugendverbandes der AfD, der in Niedersachsen gegenwärtig eher bedeutungslos ist. In vielen, nicht in allen Personalfragen hatte beim Europa-Parteitag ein JA-Netzwerk enge Beziehungen zum „Flügel“ um den Thüringer Björn Höcke geknüpft. Offenbar herrschte die Absprache unter JA-Vertretern, Fehre verhindern zu wollen – was dann auch gelang.
Bemerkenswert ist auch, dass eine andere 26-jährige Bewerberin, Marie-Thérèse Kaiser aus Sottrum (Kreis Rotenburg), dann auf Platz 19 ihren Hut in den Ring warf. Kaiser gilt – im Unterschied zu Fehre – als JA-nah und auch als Anhängerin von Höcke. Kurios war in ihrer Vorstellung, dass sie „21 Jahre Berufserfahrung“ angegeben hatte und dann auf Nachfragen darauf hinwies, bereits mit vier Jahren als Model aufgetreten zu sein.

Kaiser war im Juni vom Amtsgericht Rotenburg wegen Volksverhetzung verurteilt worden – der Richterspruch ist aber noch nicht rechtskräftig. Anlass war eine Äußerung von ihr im Bundestagswahlkampf 2021 gewesen. In Magdeburg schaffte Kaiser am Ende die Nominierung auf der AfD-Europaliste nicht.