Die Ungleichgewichte in der Einwohnerverteilung Niedersachsens nehmen zu – und verschärfen den Handlungsdruck auf die Politiker. Seit mehr als zwei Jahren schon knabbern die Landtagsfraktionen an der Mahnung von Landeswahlleiterin Ulrike Sachs, die Wahlkreise im Raum Lüneburg und im Raum Northeim/Einbeck neu zuzuschneiden.

Im Raum Lüneburg und im Raum Northeim/Einbeck sollen die Wahlkreise neu zugeschnitten werden, so eine Mahnung der Landeswahlleiterin Ulrike Sachs. – Foto: Jürgen Sack

Der Grund ist, dass beide mehr als 25 Prozent vom Einwohner-Durchschnittswert abweichen, und das zwingt zu einer Neuordnung. Sollte diese unterbleiben und der Wahlkreiszuschnitt zur Landtagswahl am 9. Oktober 2022 unverändert bleiben, würde das mögliche Wahlanfechtungen erfolgversprechend machen. Jetzt kommt noch eine neue Hiobsbotschaft an die Abgeordneten hinzu: Auch der Wahlkreis Osterholz, bisher im Landtag vertreten von Axel Miesner (CDU), sprengt die Dimensionen – nach der jüngsten Bevölkerungsstatistik von Ende 2020, die unlängst vorgelegt wurde, ist auch hier die Abweichung vom Durchschnittswert bei mehr als 25 Prozent. Das heißt: Ebenso in Osterholz wie in Lüneburg wächst die Bevölkerung stark an, im vorgegebenen Raum leben also mehr Menschen. Umgekehrt ist es in Südniedersachsen, also in Einbeck. Hier schrumpft die Bevölkerung.

Vorschlag: Ein Wahlkreis wird
geschaffen, ein anderer aufgelöst

Wie löst man dieses Problem nun? SPD und CDU haben verschiedene Anläufe unternommen, zu einer Verständigung zu kommen. Ein Vorschlag, der in der CDU Sympathien findet, lautet so: Im Norden, also im Raum Lüneburg-Osterholz-Soltau, würde ein Wahlkreis hinzukommen. Im Gegenzug würde im Süden, also im Bereich Northeim/Einbeck, ein Wahlkreis wegfallen. Das wäre eine Lösung, die auch dauerhaft tragbar wäre, da sich in Süd-Niedersachsen die Bevölkerungsabnahme nicht nur auf Einbeck beschränkt, sondern ein allgemeines Phänomen ist – ebenso wie das Bevölkerungswachstum im Norden. Gegen die Auflösung seines Wahlkreises Einbeck hatte sich der aus Bad Gandersheim kommende SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Schwarz allerdings gestemmt.

Deshalb heißt es, in der SPD seien die Anhänger des Nord-Süd-Ausgleichs (im Norden ein Plus, im Süden ein Minus) nicht so reichlich vertreten wie in der CDU. Die Alternative lautet dann: In mehreren Wahlkreisen werden Gemeinden und Gemeindeteile hin- und hergeschoben, damit kein Wahlkreis über der 25-Prozent-Grenze liegt. Im Norden müsste das gleiche umgekehrt passieren. Dort wird überlegt, die Samtgemeinden Amelinghausen und Ilmenau von Lüneburg abzukoppeln und dem Wahlkreis Soltau zuzuschlagen. Den Lüneburgern indes gefällt das nicht, sie haben bereits im Stadtrat eine Resolution beraten, für die Schaffung von zwei Wahlkreisen im Raum Lüneburg zu plädieren. Soll dann die Prämisse bleiben, an 87 Wahlkreisen landesweit festzuhalten, so würde das zwingend die Streichung eines Wahlkreises im Süden nötig machen. 

Wahlkreis-Neuzuschnitt wird auch Problem
bei Landtagswahl 2027 sein

Dies ist die Ausgangslage, in der sich bisher wenig bewegt. Hinzu kommt nun das neue Problem mit Osterholz. Dafür allerdings, heißt es, hätten SPD und CDU schon einen Königsweg der Lösung gefunden. Eine Option wäre, Oyten und Ottersberg zum Wahlkreis Rotenburg zu schieben. Noch mehr Charme soll aber die Lösung haben, Ritterhude von Osterholz zum Wahlkreis Unterweser zu verlagern. Dieser Weg könnte zum Effekt haben, dass der Osterholzer Wahlkreisabgeordnete Miesner eine „rote“ Gemeinde verliert und sein Wahlkreis etwas sicherer würde. Im Gegenzug würde im Wahlkreis Unterweser der Wahlkreisabgeordnete Oliver Lottke (SPD) seinen SPD-Vorsprung noch ausbauen können. Dies wäre dann eine „Win-Win-Situation“ für Miesner und Lottke, zwei bisherige Landtagsabgeordnete. Das hieße also, das Osterholzer Problem könnte lokal relativ geräuschlos bewältigt werden.

Es bliebe aber im Raum Lüneburg und in Südniedersachsen eine andere Schwierigkeit: Gelänge es jetzt, über das Hin- und Herschieben von Gemeinden die 25-Prozent-Grenze sowohl im Norden wie im Süden zu halten, so wäre die Herausforderung vermutlich nur vertagt. Da die Trends der Bevölkerungsentwicklung sich fortsetzen werden, stünde man vor der nächsten Landtagswahl 2027 erneut vor dem Problem eines Wahlkreis-Neuzuschnitts. Dann hätte die SPD den glücklichen Umstand, dass 2022 viele altgediente SPD-Landtagsabgeordnete im Süden nicht wieder antreten, nicht für eine grundlegende Reform schon 2022 genutzt. Das gilt etwa für Frauke Heiligenstadt, die bisherige Northeimer Landtagsabgeordnete der SPD. Sie sitzt demnächst im Bundestag.