Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war lange Zeit einer der populärsten Politiker Deutschlands. In der Corona-Krise hat er in entscheidender Position gewirkt – und auch viel Kritik auf sich gezogen. Der Vize-Bundesvorsitzende der CDU äußert sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick.

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Rundblick: Die Corona-Pandemie beschleunigt viele Reformprozesse, die ohne diese Krise vermutlich viel länger benötigt hätten. Was meinen Sie: Wie wird sich unser Gesundheitssystem in den kommenden fünf oder zehn Jahren verändert haben?

Spahn: In den Arztpraxen wird momentan noch viel mit Papier hantiert – vom Rezept bis zu den OP-Unterlagen. Aber wir sind dabei, das zu ändern. Das elektronische Rezept wird bereits getestet. Und schon bald hat jeder, der möchte, alle Unterlagen in der elektronischen Patientenakte auf einen Blick: Behandlungsdaten, MRT-Bilder und die letzten Blutwerte. In ein paar Jahren werden digitale Lösungen ganz selbstverständlich zum Alltag von Arztpraxen und Patientinnen und Patienten gehören.

Die Nutzerinnen und Nutzer müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Daten sicher sind und dass nur sie allein darüber entscheiden, wer sie sehen darf.

Rundblick: Und was ist mit dem Datenschutz?

Spahn: Es gibt keine sensibleren Daten als Gesundheitsdaten. Deshalb ist Datenschutz besonders wichtig – genauso übrigens wie Datensicherheit. Das eine ist die Frage, wer Zugriff auf Daten bekommt, das andere, ob sie gehackt werden können. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Daten sicher sind und dass nur sie allein darüber entscheiden, wer sie sehen darf.


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Rundblick: Was Datenschutz angeht, haben wir viel diskutiert über die Corona-Warn-App. Sie waren früh sehr forsch und sind dann zurückgerudert. Muss man hier nicht noch mutiger vorgehen?

Spahn: Die Corona-Warn-App ist ein großer Erfolg. Über 30 Millionen Downloads, über 27 Millionen Testergebnisse, die über diesen Weg übermittelt worden sind, fast 500.000 Leute, die ihr positives Testergebnis geteilt haben. Sie gehört zu den erfolgreichsten Digitalprojekten, die es in Deutschland und Europa bisher gegeben hat.

Wenn ich Akzeptanz haben möchte für die Corona-Warn-App, dann müssen die Menschen ihr vertrauen.

Rundblick: Trotzdem war die Kontakt-Nachverfolgung immer noch schwierig…

Spahn: Wir haben uns sehr bewusst entschieden, keine persönlichen Daten zu speichern. Die App warnt zuverlässig, aber völlig anonym. Frankreich ist einen anderen Weg gegangen – und deren App wird sehr viel weniger genutzt. Das zeigt doch: Wenn ich Akzeptanz haben möchte für die App, dann müssen die Menschen ihr vertrauen. Mittlerweile haben wir die Anwendung zu einem Multifunktionstool ausgebaut. Mit ihr können die Bürgerinnen und Bürger andere warnen, Testergebnisse abrufen, ihre Impfbescheinigung speichern, ein Kontakttagebuch führen und sich bei Veranstaltungen einchecken.

Für künftige Pandemien wäre ein zentrales Impfregister hilfreich. Dann könnten wir beispielsweise sehen, wer mit welchem Impfstoff geimpft ist und wo es möglicherweise eher zu Ausbrüchen kommt.

Rundblick: Muss man sich besser rüsten für die nächste Pandemie und den Datenschutz doch noch mehr zurückstellen, damit über technische Möglichkeiten dann die Kontakt-Nachverfolgung doch noch besser möglich wird?

Spahn: Die Vernetzung der Gesundheitsämter treiben wir ja gerade massiv voran. Wir brauchen digitale Patente, um noch schneller forschen zu können. Für künftige Pandemien wäre ein zentrales Impfregister hilfreich. Dann könnten wir beispielsweise sehen, wer mit welchem Impfstoff geimpft ist und wo es möglicherweise eher zu Ausbrüchen kommt. 

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Rundblick: Wann brauchen wir so etwas?

Spahn: Spätestens zur nächsten Pandemie.

Rundblick: In welchem Jahr?

Spahn: Wir führen erst einmal im nächsten Jahr den digitalen Impfpass für alle Impfungen ein. Das ist ein erster wichtiger Schritt und hilft zum Beispiel bei Erinnerungen an Auffrischungsimpfungen.

Rundblick: Die Krankenhäuser brauchen mehr Investitionen. Muss man die Finanzierungsbasis ändern, muss der Bund aktiver werden?

Spahn: Der Bund investiert ja jetzt zum ersten Mal seit Jahrzehnten selbst auch in die Kliniken, in die Digitalisierung, unter anderem auch für mehr Cybersicherheit. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir in manchen Regionen eine Unterversorgung, in anderen eine Überversorgung mit bestimmten Angeboten haben.

Rundblick: Und wir haben zu viele kleine Krankenhäuser…

Spahn: Zumindest haben wir nicht überall eine bedarfsgerechte Struktur. Bund und Länder müssen an der Stelle noch besser zusammenarbeiten – in einer konzertierten Aktion von Bund und Ländern für die Krankenhauslandschaft. Diesen Geist brauchen wir für die zwanziger Jahre.