Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hat am Montag zahlreiche Maßnahmen vorgestellt, mit denen das Land rasch zusätzliche Lehrkräfte an die Schulen bringen will. Die Quote der Unterrichtsversorgung war zuletzt auf ein Rekordtief gesunken. Zum Stichtag 16. September 2021 lag der rechnerische Wert an den allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen bei 97,4 Prozent. Für das kommende Schuljahr rechnet man nun mit einem großen Anstieg der Schülerzahlen, was das vorhandene Problem weiter verschärfen würde. Mit 730 zusätzlichen Stellen, von denen 150 direkt auf die Grundschulen entfallen sollen, möchte der Kultusminister gegensteuern. Im kommenden Schuljahr sollen damit rund 2300 sogenannte Vollzeitlehrereinheiten im niedersächsischen Schulbetrieb arbeiten.

Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) stellte am Montag in Hannover sein „Lehrkräfte-Gewinnungspaket“ vor. | Screenshot: Brüning (Archiv)

Damit diese ausgeschriebenen Stellen aber auch besetzt werden können, hat das Kultusministerium ein Anreizsystem geschaffen. Für die aktuell laufende zweite Einstellungswelle lockt eine Prämie von bis zu 400 Euro zusätzlich zum normalen Gehalt. Der Zuschlag kann für 24 Monate entrichtet werden. Die genaue Höhe variiert allerdings je nach Fächerkombination, mindestens sollen jedoch 150 Euro angeboten werden. Zusätzlich gibt es eine Prämie für den Dienst an Haupt- und Realschulen sowie an Förderschulen. Für die Dauer des Vorbereitungsdienstes können angehende Lehrkräfte hier etwa 300 Euro zusätzlich erhalten. Um die Bereitschaft für einen Wohnortwechsel zu erhöhen, zahlt das Land zudem eine Umzugskostenvergütung, wenn eine Lehrkraft eine weiter entfernte Stelle antritt. Die Summe der finanziellen Vergünstigungen fasste Kultusminister Tonne mit den Worten zusammen: „Es war nie attraktiver, Lehrer oder Lehrerin in Niedersachsen zu werden.“


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Zusätzliche Erleichterungen kündigte der Kultusminister außerdem beim Quereinstieg in den Lehrerberuf an. Jedem Bewerber soll künftig ein Einstellungsangebot gemacht werden. Sollte die Qualifikation nicht für den Lehrerberuf ausreichen, soll eine Anstellung als pädagogischer Mitarbeiter in Frage kommen. Bei den Qualitätsanforderungen macht man künftig leichte Abstriche: Durch pädagogische Tätigkeiten oder Berufserfahrung sollen fehlende Leistungspunkte ausgeglichen werden können. Meistern und Fachhochschulabsolventen bietet das Kultusministerium zudem an, praktischen Unterricht beispielweise in den Fächern „Werken“ oder „Textiles Gestalten“ an Haupt-, Real- und Oberschulen zu geben.

„Es war nie attraktiver, Lehrer oder Lehrerin in Niedersachsen zu werden.“

Für angehende Haupt- und Realschullehrer wird es zudem einfacher, eine gewünschte Fächerkombination zu wählen. Ab dem kommenden Wintersemester entfallen hier die Vorgaben des Landes – alle Kombinationen sollen zugelassen werden. Zuletzt gibt das Kultusministerium den Schulen noch eine Handreichung für die Lehrkräftegewinnung vor Ort mit auf den Weg. Dabei geht es etwa um Möglichkeiten des Quereinstiegs, aber auch um die Beschäftigung von Studenten und Pensionären, die Erhöhung der Stundentafel für Teilzeitkräfte oder Zuschläge für Lehrkräfte, die ihren Ruhestand herauszögern.

Kritik von GEW und Opposition

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnet die Pläne des Kultusministers als „verzweifelte Maßnahmen“. Stefan Störmer, Landesvorsitzender der Lehrergewerkschaft, prangert vor allem die „Entprofessionalisierung des Lehrerberufs“ an. „Der Quereinstieg muss immer von umfassender Qualifizierung begleitet werden. Wir fordern dafür 18 Monate Zeit – mit halber Unterrichtsverpflichtung und bei voller Bezahlung“, erklärte Störmer.

Ähnlich äußert sich auch Björn Försterling, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion: „Die Erleichterung und Beschleunigung des Quereinstiegs ist überfällig, aber die Landesregierung vergisst dabei, dass die Vielzahl von Quereinsteigern dann auch eine intensivere Begleitung im Einstieg benötigt. Hierfür wird keine Struktur geschaffen.“ Julia Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, sorgt sich um die Dynamik, die Quereinsteiger ohne Lehrerausbildung an den Schulen verursachen könnten. Sie hätte sich den Ausbau multiprofessioneller Teams gewünscht, statt der „Haltung ‚Einstellen, was geht‘“.

Christian Fühner, Bildungspolitiker der CDU-Fraktion, begrüßt zwar die Maßnahmen des Kultusministers, fordert darüber hinaus aber eine Entbürokratisierung des Lehrerberufs; Lehrkräfte sollten von unterrichtsfremden Aufgaben entbunden werden.