Wahlkampf ist auch eine Zeit, in der nicht immer alles so gelingt, wie man es sich vorgenommen hat. Elke Wohlfarth, die bei den niedersächsischen Grünen für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, kann davon ein Liedchen singen. „Täglich kommen ein bis zwei Nachrichten, die wieder irgendwelche Pläne zunichtemachen“, erzählt sie mir in der Parteizentrale in der hannöverschen Odeonstraße. „Dann muss man flexibel bleiben und spontan umplanen.“

In Hannovers Odeonstraße sind sich Rot und Grün ganz nah. Gegenüber der SPD-Zentrale sitzt auch die Landesgeschäftsstelle der niedersächsischen Grünen. | Foto: Kleinwächter

Als ich dort am vergangenen Donnerstag zu Besuch war, kümmerte sich das Organisationsteam der Grünen gerade um die letzten Details für den großen Wahlkampfauftakt am Sonntag am Nordufer des Maschsees in Hannover. Geplant war eigentlich ein Sommerfest mit Spiel und Spaß für die ganze Familie. In der „Mitarbeiter*innenrunde“ muss Elke Wohlfarth ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern aber mitteilen: „Es gibt kurzfristige Änderungen.“


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Die Landeshauptstadt hat zwar eine Sondernutzungserlaubnis für das Maschsee-Nordufer erteilt, das als „historisches Gartendenkmal“ gilt. Geplante Aktionen für Kinder wurden aber nicht genehmigt. Ein solches Kinderprogramm sei „nicht versammlungsimmanent“, findet die Stadtverwaltung. „Es gibt zwar Eis, Getränke und Livemusik, aber dadurch ändert sich der geplante Charakter eines Sommerfestes“, sagt die Öffentlichkeitsarbeiterin leicht resigniert.

Es sollte ein Familienfest werden, wurde dann aber doch eher eine Parteikundgebung. | Foto: Kleinwächter

Im Team wird diese neue Information zähneknirschend zur Kenntnis genommen. Heike Köhn, Pressesprecherin der Grünen, hatte schließlich schon eine Ankündigung mit „Programm mit Musik und Aktionen für Kinder“ vorbereitet – die jetzt kurzfristig zu ändern war. Auch die Werbemedien müssen jetzt noch schnell überarbeitet werden. Ab Freitagmorgen soll schließlich im Fahrgastfernsehen ein Video auf die Veranstaltung hinweisen. Also: schnell den Titel ändern. Das Sommerfest ist jetzt doch nur noch ein Wahlkampfauftakt.

Vor Parteifreunden und interessierten Passanten haben sich die „Spikas“ Julia Willie Hamburg und Christian Meyer präsentiert. | Foto: Kleinwächter

Zu organisieren gibt es aber auch weiterhin noch genug. Auf der Bühne wird neben dem Spitzenduo Julia Willie Hamburg und Christian Meyer und den Landesvorsitzenden Anne Kura und Hanso Janßen (bei den Grünen kurz und knapp „Spikas“ und „Lavos“ genannt) auch die Bundesvorsitzende Ricarda Lang zu sehen sein.


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Bei so viel Parteiprominenz empfiehlt die Polizei, den Bereich vor der Bühne abzusperren. „Wir werden aus Sicherheitsgründen jetzt zur Bühne etwas Abstand gewährleisten – ähnlich wie bei einem Rockkonzert“, sagt Grünen-Landesgeschäftsführer Sören Creutzig. „Bei Weil war das ja auch besser so.“ Der Wahlkampfauftakt der Sozialdemokraten in der Region Hannover wurde nämlich gezielt gestört.



Damit das bei den Grünen nicht passiert, ist die Polizei aufmerksam. In der Nähe wird es drei andere Veranstaltungen geben. Die Partei „Die Basis“ wird ebenfalls am Maschsee-Ufer eine Kundgebung abhalten; die Ordnungshüter gehen aber nicht davon aus, dass es dabei einen Zusammenhang zur Grünen-Veranstaltung gibt. Außerdem wird Hannover 96 ein Heimspiel haben auf dem See wird es noch eine Ruder-Regatta geben. Die ist zwar nicht unbedingt bedrohlich, aber laut. „Man hat mir mitgeteilt, dass etwa alle vier Minuten ein Startschuss abgefeuert wird. Wir starten also bei unserem dreistündigen Programm quasi fünfundvierzig Mal in den Wahlkampf“, sagt Elke Wohlfarth augenzwinkernd.

Für die Absperrgitter denken sich die Grünen jedenfalls etwas Nettes aus. Windrädchen oder grünes Tuch soll an die Metallstangen angebracht werden, schlägt Sören Creutzig vor.

Ein paar Zuschauer wollten die Veranstaltung mit Zwischenrufen stören; die Polizei ist eingeschritten. Absperrzäune sollten die Politiker vor möglichen Angriffen schützen und wurden mit grünen Windrädern dekoriert. | Foto: Kleinwächter

Die Veranstaltung am Maschsee ist der Beginn der Wahlkampftour, die Julia Willie Hamburg und Christian Meyer durch das gesamte Bundesland führen soll. In der Parteizentrale der Grünen hat man in den vergangenen Wochen intensiv daran gearbeitet, diese Tour vorzubereiten. Doch die genauen Veranstaltungsorte liegen noch nicht immer final fest. Das liegt zum Teil an den lokalen Behörden, aber auch an den besonderen Sicherheitsanforderungen, die einige der Partei-Promis verursachen. Erwartet werden nämlich die Bundesminister Annalena Baerbock, Robert Habeck, Cem Özdemir und Lisa Paus; Steffi Lemke war bereits in Niedersachsen unterwegs. Und auch der zweite Bundesvorsitzende Omid Nouripour wird die Wahlkämpfer unterstützen.

Gelbe und organgefarbene Schrift auf waldgrünem Grund bestimmen die Werbelinie der Grünen in diesem Wahlkampf. | Foto: Kleinwächter

Die zwölf Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle unterstützen derweil die knapp 12.600 Parteimitglieder – aber nicht nur mit Spitzenpersonal, das sie vorbeischicken. Was vor Ort gebraucht wird, sind auch zahlreiche Werbematerialien. „Wir merken schon, dass die vielen motivierten Neumitglieder unsere Arbeit an der Basis verstärken“, erzählt Heike Köhn. „Wir haben beim Volksbegehren Artenvielfalt schon festgestellt, dass da viele dabei sind, die sich einbringen und die Partei aktiv unterstützen wollen.“

Werbematerial für die Wahlkämpfer: Bessermacher*in-Shirt, Türhänger und Kurzwahlprogramme | Foto: Kleinwächter

Aus der Parteizentrale gibt es für diese Wahlkämpfer an der Basis also allerlei. T-Shirts mit dem Aufdruck „Bessermacher*in“ sind im Angebot, aber auch Türhänger und Kurzwahlprogramme gibt es. Besonders nachgefragt sind die A0-Plakate, berichtet Sören Creutzig – auch weil in diesem Jahr besonders viele Plakate demoliert werden. Er persönlich findet übrigens das Wahlplakat zum Wald am gelungensten.

Sören Creutzig, Elke Wohlfarth und Heike Köhn erzählen, welche Plakatmotive ihnen am besten gefallen. | Foto: Kleinwächter

Insgesamt haben sich die niedersächsischen Grünen in diesem Jahr bei den Wahlplakaten für ein dunkleres Wald-Grün entschieden. Das wirkt seriös und ruhig – und die gelbe und orangefarbene Schrift setzt sich von dem Hintergrund gut ab. Gestaltet wurde die Plakatreihe von der Berliner Agentur „dieckertschmidt“, die für die Grünen unter anderem schon die Kampagnen zur vergangenen Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses und zur Europawahl designt hat.

Das ist neu bei den Grünen: Zahlreiche Großflächenplakate zeigen das Spitzenduo Hamburg/Meyer. | Foto: Kleinwächter

Ein Novum für die Plakatreihe der niedersächsischen Grünen ist außerdem der Fokus auf das Spitzenduo. „Großflächenplakate mit Spitzenkandidierenden darauf hatten wir im Landtagswahlkampf in dieser Form noch nie“, sagt Sören Creutzig. Die Grünen spielen jetzt in einer anderen Liga. Zumindest dann, wenn am 9. Oktober alles so gelingt, wie man sich das vorgenommen hat.


Dieser Beitrag ist zuerst in unserem #LTW22-Newsletter erschienen und bildet den fünften Teil unserer Reihe „Blick hinter die Kulissen der Wahlkampfmaschinerie“.