Im Heinrich-Jürgens-Haus der FDP sieht es dieser Tage nicht so aus, wie Jürgen Stindt das gerne hätte. Der Geschäftsführer der Freien Demokraten in Niedersachsen mag es eigentlich ordentlich. Doch im Moment kommen ständig neue Pakete, liegen Plakatentwürfe auf jeder freien Fläche und stapeln sich Einladungs-Flyer auf den Schreibtischen. Es ist Wahlkampfzeit – und da muss es etwas drunter und drüber gehen.

Wahlkampfzentrale: Die Landesgeschäftsstelle der FDP Niedersachsen, das sogenannte Heinrich-Jürgens-Haus, findet man in der Walter-Gieseking-Straße in Hannover. | Foto: Kleinwächter

Jürgen Stindt und Konstantin Kuhle, der Generalsekretär der Niedersachsen-FDP, gewähren mir einen exklusiven Einblick in die Arbeit der Parteizentrale. „Wir sind gerade in der Phase der Vormobilisierung“, erklärt Kuhle. In diesem Stadium des Wahlkampfes gehe es darum, die eigene Partei und die eigenen Kandidaten zu motivieren – damit diese dann ihren Elan auf die Wähler übertragen können. FDP-Landeschef Stefan Birkner, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Christian Dürr und Kuhle selbst touren deshalb durchs Land und machen mit den Wahlkreiskandidaten alles Mögliche, worauf diese gerade Lust haben. Kuhle appelliert dann an seine Parteifreunde: „Ihr müsst jetzt die Körperspannung halten und dürft nicht sechs Wochen abtauchen, um dann nach den Ferien plötzlich erst loszulegen.“


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Zu Beginn der Sommerferien fand in Hannover die Mandatsträgerkonferenz der FDP statt. Ein solches Event erhöht noch einmal die Promi-Dichte in der Landeshauptstadt. Die Bundesminister Volker Wissing, Bettina Stark-Watzinger und Marco Buschmann trifft man nun häufiger in Niedersachsen an. Finanzminister und Parteichef Christian Lindner wird im Landtagswahlkampf acht öffentliche Auftritte hinlegen.

Freundlich lächeln oder ernste Miene? Wie Spitzenkandidat Stefan Birkner am Ende vom Plakat schauen wird, hängt von der politischen Großwetterlage ab. | Foto: Kleinwächter

Die FDP-Landesgeschäftsstelle übernimmt im Wahlkampf eine immer wichtigere Funktion. Sie fungiert als Schnittstelle zwischen den einzelnen Ebenen der Partei und koordiniert die Zusammenarbeit mit der Berliner Parteizentrale, mit der Werbeagentur Heimat und den vielen Dienstleistern, erklärt Stindt, der schon als persönlicher Referent mit Guido Westerwelle Wahlkampf gemacht hat. Auch die Koordination der Social-Media-Aktivitäten oder der Großflächenplakate wird organisiert von der Landespartei.


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„Es fällt schon schwer, das als Liberaler zu sagen, aber wir haben schon einen Trend zur Vereinheitlichung und Zentralisierung“, bekennt Kuhle augenzwinkernd. Aber die Mehrwerte, die etwa durch die Digitalisierung generiert werden können, wolle man nicht liegenlassen. Vereinheitlicht wurde beispielsweise die Gestaltung der Wahlplakate. Sechs Fotoshootings mit den Kandidaten hat die FDP im ganzen Land angeboten, das Layout wurde zentral in Hannover erstellt. „Das erhöht die Wiedererkennung unserer modernen Kampagnen ganz erheblich“, sagt Stindt.


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Das Unterstützungsangebot der Landespartei haben 98 Prozent aller Kandidaten angenommen, berichtet der Geschäftsführer. Eine Vereinheitlichung gibt es aber auch beim Social-Media-Auftritt. Hier bietet die Landesgeschäftsstelle Support für die Kandidaten an – bis hin dazu, dass einzelne Beiträge zentral gesteuert auf die Kandidatenkanäle gestreut werden.

FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle (MdB) betrachtet eine Einladungskarte. Die Landespartei organisiert in jedem Bezirksverband mindestens eine Großveranstaltung. | Foto: Kleinwächter

Die inhaltlichen Schwerpunkte des Wahlkampfes stehen schon fest. Darum kümmern sich der Landesvorstand, die Fachausschüsse und letztlich der Parteitag. Bildung, Wirtschaft und Digitalisierung sind die Top-Themen der FDP. Allerdings hat die aktuelle Entwicklung bei der Gasversorgung noch Auswirkungen auf die inhaltliche Ausrichtung. Das Themenfeld Wirtschaft muss angepasst werden, erweitert auf die Finanzen und die Energie – der Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse beschleunigt werden, sagt Kuhle, und das Kernkraftwerk in Lingen soll länger am Netz bleiben. Bis vor kurzem war diese Forderung ein Alleinstellungsmerkmal der FDP. Jetzt schwenken auch immer mehr CDU-Politiker darauf ein. Im Wahlkampf schärft das das Profil, doch danach braucht die Forderung auch Mehrheiten. Entschieden wird das allerdings nicht im Landtag.


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Im Erdgeschoss des Heinrich-Jürgens-Hauses wird unterdessen noch vieles auf der Verwaltungsebene vorbereitet. Die Wahlkreiskandidaten werden offiziell an die Landeswahlleiterin gemeldet. Wahlprüfsteine, die zahlreich auflaufen, müssen an die zuständigen Fachausschüsse und die entsprechenden Experten weitergeleitet werden. Für die Zielgruppenbriefe werden Adressen herausgesucht. Denn ergänzend zu den Online-Angeboten und den Großveranstaltungen sollen potenzielle Wähler auch per Post angeschrieben werden. Abgeglichen werden diese Informationen mit einer parteieigenen Potenzialanalyse. Die Bundes-FDP stellt dazu ein digitales Tool zur Verfügung, „FDP-Maps“ genannt. Damit lässt sich auf den Straßenzug genau bestimmen, ob sich die Investition in Wahlwerbung hier wohl lohnt, oder ob Plakat und Postwurfsendung dort verlorene Liebesmüh wären.

Ein Wanddurchbruch im ersten Obergeschoss schafft Raum für das Wahlkampfteam. | Foto: Kleinwächter

Eine Etage höher ist erst vor kurzem ein neuer großer und heller Raum entstanden. Dank eines Wanddurchbruchs gibt es nun einen großen Besprechungsraum – ideal für das ganze Wahlkampfteam. An dem einen Ende des langen Konferenztischs sind vier Computer aufgebaut. Noch sind die Plätze nicht regelmäßig besetzt, aber bald schon werden hier ehrenamtliche Wahlkampfhelfer den Online-Auftritt der FDP betreuen. Bis zu elf Freiwillige werden sich die Arbeit teilen und demnächst im Schichtdienst eingesetzt werden. Die FDP hat für dieses Freiwilligenteam sogar extra eine WG unterm Dach der Parteizentrale eingerichtet. Wenn sich die Partei in der heißen Wahlkampfphase befindet, wird die Zentrale zu einem besonderen Ort, an dem Arbeit und Leben miteinander verschmelzen. Zur Entspannung lade dann der Garten hinterm Haus ein, sagt Kuhle.

Noch ist es ruhig: Jürgen Stindt und Konstantin Kuhle zeigen den Raum, in dem sich das Wahlkampfteam bespricht und die Social-Media-Crew im Schichtdienst arbeiten wird. | Foto: Kleinwächter

Der Generalsekretär vergleicht den Wahlkampf gerne mit einem großen Feuerwerk. Zuerst müsse man viele Raketen in den Boden stecken. Irgendwann könne man dann mit einem Streichholz loslaufen und die Raketen zünden. Aber wenn man die Feuerwerkskörper zu Beginn nicht ordentlich platziert habe, dann kracht es am Ende nicht. Noch stehen im Heinrich-Jürgens-Haus die Kartons chaotisch in der Gegend herum. Doch am Ende könnte ein farbenfrohes Wahlkampf-Feuerwerk daraus in den niedersächsischen Nachthimmel aufsteigen.