Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind die neuen Vorsitzenden der SPD. Esken kam bei einem Bundesparteitag in Berlin auf 75,9 Prozent der Stimmen, Walter-Borjans erhielt 89,2 Prozent. Man wolle den Bus als Fahrerin und Fahrer wieder auf die richtige Spur bringen, hatte Walter-Borjans in seiner Bewerbungsrede gesagt.

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Die Bundestagsabgeordnete aus dem baden-württembergischen Calw kritisierte in ihrer Vorstellungsrede die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, in denen eine „Paketbotin bei einem lausigen Verdienst auch noch Überstunden machen“ müsse. Deutschland leiste sich einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa.  In Schweden liege der Anteil nur bei drei Prozent. „Ich will schwedische Verhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, forderte Esken. Die SPD habe zum Entstehen des Niedriglohnsektors beigetragen. Hier sei es Zeit, umzukehren. Zudem forderte sie, die SPD müsse der Betriebsrat der digitalen Gesellschaft sein.


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Auch Norbert Walter Borjans beklagte, die Einkommensungleichheit nehme zu. Bei Abgaben und Steuern sei das Leitmotiv vergangener Jahrzehnte, dass starke Schultern mehr als tragen müssten als schwache Schultern, immer weiter ausgehöhlt worden. Wer am meisten habe, der habe auch die besten Möglichkeiten, sich vor Zahlungen zu drücken. „Die SPD muss wieder die Partei der Verteilungsgerechtigkeit werden“, forderte der ehemalige NRW-Finanzminister. Es gehe um Wohlstand für Millionen und nicht für Millionäre.

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Kritisch steht er auch einer moderaten Ausgabenpolitik gegenüber. „Wenn die schwarze Null der Zukunft unserer Kinder entgegensteht, dann ist sie falsch, dann muss sie weg“, sagte Walter-Borjans. Dasselbe gelte für die Schuldenbremse. Kein wachsendes Unternehmen würde sich seiner Meinung nach so einem Instrument unterwerfen.

Wurden zu neuen Vorsitzenden der SPD gewählt: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans – Foto: MB.

Annegret Kramp-Karrenbauers Verhalten im Streit um die Grundrente nannte Esken respektlos. „So geht man nicht miteinander um“, sagte sie, weil die CDU-Vorsitzende für die Einführung der Grundrente ein Bekenntnis der SPD zur Großen Koalition gefordert hatte. „Ich war und bin skeptisch, was die Große Koalition angeht“, erklärte Esken. Mit dem Leitantrag gebe man der Koalition aber eine Chance, „nicht mehr und nicht weniger“.

Auch Walter-Borjans attackierte Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und warnte vor einer „Militarisierung der Außenpolitik“. Rüstungsausgaben am Wirtschaftswachstum zu orientieren sei eine unwürdige Kombination, das sei kein Beitrag zur Friedenssicherung. „Ausrüstung ja, Aufrüstung nein“, so laute sein Maßstab.

Walter-Borjans sprach sich auch für eine Stärkung der Europäischen Union aus. Nur eine starke EU könne zum Beispiel dafür sorgen, dass große Internetkonzerne Steuern zahlten und Arbeitnehmerrechte einhielten. Nicht die Demokratie habe sich den Märkten unterzuordnen, sondern die Märkte der Demokratie.

Klingbeil will keine „Egoshooter“ in der Parteiführung

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil appellierte an die Geschlossenheit der Partei. Von dem Parteitag müsse ein Aufbruch ausgehen. Klingbeil warb für die Doppelspitze. „Egoshooter und Einzelkämpfer“ müssten der Vergangenheit angehören, „Diese Partei braucht Teamgeist und keine Leute, die breitbeinig durch Berlin laufen und alles wissen.“

Zuvor hatte sich die kommissarische Parteivorsitzende, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, bei der ehemaligen Parteichefin Andrea Nahles bedankt, die selbst nicht an dem Parteitag teilnimmt. Nahles könne stolz auf das sein, was sie erreicht habe. Als sie vor einem Jahr den Satz „Wir lassen Hartz IV hinter uns“ gesagt habe, habe man bei vielen Sozialdemokraten die Steine vom Herzen fallen hören.

Auch SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich dankte Nahles. „Ich danke ihr aus einem Grund: sie gibt keine Kommentare von der Seitenlinie.“ Selbstbeherrschung müsse in die eigenen Reihen zurückkehren, forderte Mützenich.

Bekam nach ihrer Rede stehende Ovationen auf dem Parteitag: Malu Dreyer – Foto: MB.

Dreyer selbst will sich aus der SPD-Spitze zurückziehen. Zwei Tage nach dem Ergebnis des Mitgliederentscheids hatte sie mitgeteilt, sich künftig auf ihre Aufgaben in Rheinland-Pfalz zu konzentrieren. Als Vize-Vorsitzender kandidiert heute unter anderem noch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus Peine.