Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere wird gegenwärtig, rund um die regierungsinterne Wunschanmeldung für den Etat 2024, seiner Rolle gerecht: Bei der Vorstellung der jüngsten Steuerschätzung gab er sich betont vorsichtig und pessimistisch: „Die bundesweite Schätzung sieht für uns zwar Mehreinnahmen – doch das ist zu wenig für zusätzlichen Spielraum. Das wird von den inflationsbedingten Mehrausgaben wieder aufgezehrt“, sagte der Grünen-Politiker am Montag. Für 2024 beispielsweise sehe die Prognose vor, dass 383 Millionen Euro mehr in der Landeskasse landen.

Bei Kaffee und Kuchen stellt Finanzminister Gerald Heere (2.v.l.) die aktuelle Steuerschätzung für Niedersachsen vor. | Foto: Wallbaum

Davon sei ein erheblicher Teil aber für die Kindergarten-Qualitätssicherung zweckgebunden. So blieben unterm Strich 100 Millionen Euro übrig. „Auch das allerdings basiert auf erheblichen Unsicherheiten“, betonte Heere und nannte Beispiele für seine Skepsis: Die Energiepreise könnten weiter steigen, die Refinanzierungskosten des Staates ebenso. Die Lage der Banken könne sich verschlechtern, der private Konsum könne einbrechen und die Bauwirtschaft habe Probleme – „sie steht am Rande einer Rezession“.

So kommt Heere in der Pressekonferenz zu einem sehr klaren Schluss: „Neue Prioritäten können wir nur bei einer Umschichtung des Haushalts setzen. Diese Steuerschätzung gibt uns jedenfalls keine zusätzlichen Spielräume.“ Mit seinen Ministerkollegen werde er demnächst diskutieren, wie die Ausgaben im nächsten Jahr zugeschnitten werden. „Vorfestlegungen gibt es jedenfalls nicht.“ Im Januar hatten Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) in einer wichtigen Sachfrage den Kurs vorgegeben. Es geht um die Frage, inwieweit das Land jährlich 250 Millionen Euro aufbringen kann, um damit alle Grund-, Haupt- und Realschullehrer mit mindestens A13 zu besolden.

Lehrergewerkschaft fordert: „Butter bei die Fische!“

„Entweder machen wir das in einem Schritt oder stufenweise“, hatte Weil erklärt – und bei den Stufen auf ein hessisches Modell verwiesen, das über Jahre verteilt den Differenzbetrag zwischen A12 und A13 um zunächst zehn, dann 25, dann 40 und schließlich 100 Prozent ausgleicht. Die komplette Angleichung wäre dann erst 2028 erreicht. „Es hängt von der Steuerschätzung im Mai ab, welche der beiden Varianten wir wählen“, hatte Weil im Januar erklärt. Der jetzige Hinweis von Heere kann als Empfehlung für einen Stufenplan verstanden werden. Prompt erklärte am Montag auch der Landesvorsitzende der Gewerkschaft GEW, Stefan Störmer: „Jetzt aber Butter bei die Fische, liebe Landesregierung! Das Geld ist da, der politische Wille auf Druck der GEW ebenfalls. Die bessere Bezahlung von Grund-, Haupt- und Realschullehrkräften muss nun ohne Wenn und Aber in einem Rutsch erfolgen. A 13 oder E 13 dürfen keinesfalls weiter verzögert oder scheibchenweise gestreckt werden.“



Nach dem regionalisierten Ergebnis der Steuerschätzung fließen dieses Jahr zusätzliche Einnahmen in Höhe von 221 Millionen Euro, 383 Millionen im nächsten, 263 Millionen im übernächsten und 343 Millionen Euro im Jahr 2026. Da seien jeweils zweckgebundene Abstriche nötig, und der von den Schätzern angenommene EZB-Zinssatz von durchschnittlich 3,9 Prozent sei auch von Zuversicht geprägt. Einerseits kämen nun wegen der Preissteigerung Mehreinnahmen in der Förderabgabe hinzu, solche inflationsbedingten Effekte bedeuteten aber gleich immer auch wieder höhere Ausgaben des Landes. Mindereinnahmen gebe es bei der Grunderwerbssteuer, da der Immobilienmarkt gedämpft sei.

Was ist mit A13 für alle Lehrer?

Wenn nun Anfang Juli das Kabinett den Etatentwurf für 2024 aufstellt, wird über mehrere wichtige Fragen entschieden: Was ist mit A13 für alle Lehrer? Wie können die Kommunen entlastet werden? Was ist mit dem Aufbau der Medizin-Studienplätze, vor allem in Oldenburg? Wie steht es um die Braunschweigische Landessparkasse? Und vor allem: Was ist mit den Rufen nach kräftigen Investitionen in den Kliniken, die angesichts der ehrgeizigen und nötigen Neubauten unverzichtbar sind?

Und was ist mit dem Wohnungsbau? Eine Landesgesellschaft, die neben dem Landeshaushalt eigenständig agieren und selbstständig Kredite aufnehmen kann, gibt es bisher noch nicht, hier liegt noch nicht einmal ein Gesetzentwurf vor. Womöglich aber präsentiert Rot-Grün einen anderen Weg, der schon einmal einen Teil des Investitionsstaus auffangen soll – vielleicht in der Weise, dass eine Landes-Institution einspringt und kurzfristig Mittel bereitstellt. Womöglich werden auch große Teile verschiedener Sondervermögen für neue Zwecke umgewidmet. Für Corona-Zwecke, Digitalisierung und Ukraine-Hilfen liegen höhere Beträge auf der hohen Kante, die bisher nicht ausgegeben worden sind.

„Beunruhigend sind die Äußerungen des Finanzministers, es gäbe scheinbar keine Spielräume für Mehrausgaben. Der Staat darf bei Investitionen jetzt nicht in Enthaltsamkeit verfallen.“

Mehrdad Payandeh, DGB-Landesvorsitzender

Die Reaktionen auf die Steuerschätzung am Montag waren vielfältig: Philipp Raulfs (SPD) sagte, größere Spielräume werde das Land auf absehbare Zeit nicht haben. Sina Beckmann (Grüne) meinte, für die Grünen stünden die Bekämpfung des Klimawandels und die Bildungspolitik im Vordergrund. Die „Grüne Jugend“ forderte „konkrete Handlungen der Landesregierung, damit auf Bundesebene eine Vermögenssteuer eingeführt wird“. Der DGB-Vorsitzende Mehrdad Payandeh sagte: „Beunruhigend sind die Äußerungen des Finanzministers, es gäbe scheinbar keine Spielräume für Mehrausgaben. Der Staat darf bei Investitionen jetzt nicht in Enthaltsamkeit verfallen.“ Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler erklärte: „Die Einnahmen des Landes sprudeln kräftig.“ Bei Subventionen und Personalausgaben müsse das Land kürzen.