Denkt man an die aktuellen Krisen der Agrarbranche, erscheint die Förderung der Direktvermarktung eine naheliegende Lösung zu sein. Mag der Begriff auch technisch klingen, erweckt er doch Bullerbü-Bilder im Kopf, wenn man ihn hört. Zu schön ist die Vorstellung, dass die Bauern ihre Waren direkt auf dem Hof verkaufen – das schafft Nähe und Vertrauen und umgeht den als Wurzel fast allen Übels identifizierten Lebensmittel-Einzelhandel. Deshalb hat es sich die rot-grüne Koalition im niedersächsischen Landtag auch vorgenommen, die Direktvermarktung sowie die regionale Wertschöpfung zu fördern.

Direktvermarktung ist für viele Landwirte ein wichtiges Standbein geworden. Die Hoftheke Knoop in Altencelle bietet in ihrem Hofladen unter anderem Eier aus dem eigenen Hühnermobil, Käse aus eigener Herstellung sowie Gemüse und Fleischwaren aus der Region. | Foto: Hof Knoop

Elke Eikemeier, Leiterin des Marktpolitik-Referats im niedersächsischen Agrarministerium, gab derweil etwas Wasser in den Wein und urteilte im zuständigen Landtags-Agrarausschuss abgewogen: „Direktvermarktung ist eine Absatzform mit wirtschaftlich geringer Bedeutung, kann aber einen nicht zu unterschätzenden Anteil zur Akzeptanz beitragen.“ Rund 2600 Betriebe in Niedersachsen vermarkteten ihre Produkte direkt, erläuterte sie. Das entspräche einem Anteil von lediglich 7,4 Prozent. Der Bundesschnitt liege etwas darüber, dort seien es 8,7 Prozent der Betriebe. Das Konzept der Direktvermarktung punkte zwar mit kurzen Wegen, die die Waren zurücklegen. Für die Kundschaften könnten die kurzen Wege derweil nicht pauschal unterstellt werden. „Es funktioniert dort gut, wo die Voraussetzungen passen“, sagte Eikemeier. Dazu zählte sie: die Passion der Betriebe, ausreichende personelle Ressourcen und entsprechende regionale Bedingungen, also ausreichend Kundschaft in der näheren Umgebung. „Direktvermarktung kann dann ein weiteres Standbein für einen Betrieb sein, wenn es einen festen Kundenstamm gibt.“

„Der Begriff ‚regional‘ ist nirgends einheitlich definiert“

Das Feld der Direktvermarktung ist derweil weit. Es reicht vom klassischen Hofladen über den Verkauf von Erdbeeren und Spargel direkt auf dem Feld bis zu Webshops, Verkaufsautomaten und Lieferdiensten mit Abo-Kisten. Auch Modelle der solidarischen Landwirtschaft seien dem Bereich der Direktvermarktung zuzurechnen, erläuterte Eikemeier. So weit dieses Feld ist, so unklar ist unterdessen die Festlegung darauf, was als regionale Vermarktung zu bewerten ist. „Der Begriff ‚regional‘ ist nirgends einheitlich definiert“, wendet Eikemeier zum rot-grünen Entschließungsantrag ein. Zwar würden um die 70 Prozent der Bundesbürger angeben, dass Regionalität für sie ein wichtiges Kriterium beim Lebensmittelkauf sei. „Was konkret dahintersteckt, ist allerdings kaum bekannt.“

Die Eingrenzung von Regional-Labels im Einzelhandel geschehe zum Teil individuell, berichtete die Referatsleiterin. Die einzige Vorgabe sei, dass eine Region kleiner zu sein hat als das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. In den Reihen der Landtags-Agrarpolitiker sorgte die fehlende Definition für Unmut. Christian Schroeder (Grüne) etwa nannte es ärgerlich, dass der Begriff rechtlich nicht greifbar sei. Eikemeier führte daraufhin aus, dass dieser Zustand zwar nicht in Stein gemeißelt sei. Bestimmte Kriterien vorzugeben, sei allerdings auf Landesebene schwer zu regeln. Eine Möglichkeit sei es allerdings, beispielsweise bei der Schulverpflegung die Vergabekriterien so auszugestalten, dass Regionalität und Saisonalität berücksichtigt würden. Es könnte etwa ein Schulbesuch im Erzeugerbetrieb aus pädagogischen Gründen angesetzt werden, schlug Eikemeier vor.



Was kann das Land Niedersachsen nun dafür tun, um die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte zu fördern? Der Entschließungsantrag von SPD und Grünen sieht dazu elf Punkte vor, zu denen Eikemeier im Ausschuss einzeln Stellung nahm. Dabei verwies sie unter anderem auf ein Förderprogramm aus 2022, das aus dem Sonderfonds „Stadt-Land-Zukunft“ finanziert worden sei. Die drei Millionen Euro seien inzwischen allerdings ausgeschöpft. Über die politische Liste seien für 2024 erneut 2,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Für das kommende Jahr plane das Agrarministerium, dieses Förderinstrument, mit dem zum Beispiel Messeauftritte von Landwirten unterstützt werden, in den regulären Haushalt zu überführen.