Die AfD, die sich derzeit bundesweit heftigen Protesten ausgesetzt sieht, befindet sich in Niedersachsen gerade in einer Phase der Neuaufstellung. Am Dienstag war überraschend der bisherige Fraktionsvorsitzende Stefan Marzischewski aus Gifhorn zurückgetreten. Zur Begründung nannte er eine Belastung im familiären Umfeld, die seine verstärkte Anwesenheit in seinem Heimatort erfordere. Zum neuen Fraktionschef wurde einstimmig der Anwalt Klaus Wichmann aus Verden gewählt. Er sagte in einer Pressekonferenz am Mittwoch, dass er durchaus von einer Rückkehr Marzischewskis in die erste Reihe der Landespolitik ausgehe – zu gegebener Zeit, wenn die Umstände es erlaubten.

Klaus Wichmann (links) und Jens-Christoph Brockmann führen ab sofort die AfD-Fraktion. | Foto: Wallbaum

Wichmann erklärte, dass er im Stil anders agieren werde als sein Vorgänger. In der Sache aber gebe es keine großen Differenzen. Marzischewski war vor der Landtagswahl 2022 als sehr aktiver Kommunalpolitiker bekannt, bei der zunächst anvisierten Briefwahl zur Aufstellung einer Landesliste war der Gifhorner Arzt der einzige, der auf eine breite Unterstützung in der Partei gestoßen war. In Landtagsdebatten und öffentlichen Einlassungen wirkte Marzischewski im guten Jahr seiner Amtszeit als Fraktionschef jedoch weit weniger gewandt und schlagfertig als sein Nachfolger Klaus Wichmann, der Jurist aus Verden, der in Hannover geboren wurde und aus einer katholischen Familie stammt. Im Dezember verunglückte eine Marzischewski-Rede im Landtag, daraufhin wurde der interne Wunsch nach einem Führungswechsel der Fraktion lauter.

Auch einen neuen zweiten Mann in der AfD-Fraktion gibt es – der 37-jährige Jens-Christoph Brockmann aus Hermannsburg (Kreis Celle) wird Parlamentarischer Geschäftsführer und nimmt die Position ein, die bisher Wichmann inne hatte. Wie Wichmann wird auch Brockmann den AfD-Politikern zugerechnet, die innerparteilich eher auf der gemäßigten Seite stehen und unverdächtig sind, eine zu große Nähe zu rechtsextremen Kreisen zu haben. Mit der Neuformierung der Fraktionsspitze ist die personelle Erneuerung der AfD jedoch noch nicht abgeschlossen.



Am 20. April tagt der Landesparteitag der AfD in Unterlüß (Kreis Celle), diesmal dürfte es erstmals seit der Satzungsänderung von 2023 ein Delegiertenparteitag werden und keine Mitglieder-Vollversammlung. Nun gibt es Kräfte, die auf den bisherigen Landesvorsitzenden Frank Rinck aus Uelzen einwirken in der Absicht, dass er nicht wieder kandidieren soll. Es gibt in der Partei Kritik an seiner Außendarstellung und an seinen rhetorischen Qualitäten. Sollte Rinck den freundschaftlichen Ratschlägen folgen, könnte jemand anders aus dem bisherigen Vorstandsteam den Vorsitz übernehmen – und da fällt der Blick vor allem auf den Landtagsabgeordneten Ansgar Schledde (Grafschaft Bentheim), den bisherigen ersten Stellvertreter. Er galt bisher in der AfD vor allem als einflussreicher Strippenzieher und Kommunikator im Hintergrund, jetzt könnte er in die erste Reihe treten. In der AfD heißt es, auch der Bundestagsabgeordnete Dirk Brandes (Region Hannover) könnte Ambitionen auf eine Parteifunktion haben. Gegen Schledde und sein Netzwerk dürfte es der Hannoveraner aber sehr schwer haben.

Frank Rinck und Ansgar Schledde (rechts) beim Landesparteitag im Mai 2022 in Hannover. | Foto: Wallbaum

Diese personellen Veränderungen geschehen vor dem Hintergrund erster Vorbereitungen für die Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres. Von den sieben niedersächsischen AfD-Abgeordneten wollen vermutlich mindestens fünf wieder auf aussichtsreiche Listenplätze gesetzt werden. Darunter dürften dann auch Rinck und Brandes sein. Wie es heißt, könnte eine Gegenleistung für Rincks Rückzug vom Parteivorsitz darin bestehen, dass ihm ein sicherer Platz auf der nächsten Bundestagsliste zugesichert wird.

Zu der strategischen Frage, wie die AfD im Landtag mit den anderen Fraktionen umgehen will, äußerte sich am Mittwoch der neue Fraktionschef Wichmann. Es sei bedenklich, wenn etwa die CDU jedes Gespräch mit der AfD verweigere. Alle demokratisch gewählten Fraktionen sollten miteinander sprechen. Er werde sich aber niemandem anbiedern. Wichmann erwartet aber, dass sich das gegenwärtige Potenzial der AfD in den Umfragen auch in Stimmen ausdrücken werde. Dann werde die CDU überlegen, ob sie nicht doch lieber mit der AfD ein Bündnis eingehe statt mit den Grünen oder der SPD.