Von Mitte Dezember bis Mitte Januar hat sich das Institut für Demoskopie Allensbach bei 1070 volljährigen Niedersachsen erkundigt – und überraschende Ergebnisse zutage gefördert. In der Sonntagsfrage, die auf die aktuellen Wahlabsichten der Bürger bei der Landtagswahl abzielt, gibt es einen neuen Spitzenreiter. Die CDU liegt hier mit 30 Prozent auf Platz 1, gefolgt von der SPD mit 29 Prozent. Auf Rang drei wäre demnach die AfD mit 21 Prozent, gefolgt von den Grünen, die nur noch auf 11 Prozent kämen. Die FDP würde mit 4 Prozent erneut den Wiedereinzug in den Landtag verfehlen. Verglichen mit der letzten Allensbach-Umfrage im Juli 2023 würde die CDU hier einen Punkt hinzugewinnen und die SPD drei Punkte verlieren. Die AfD indes wäre der klare Gewinner – sie könnte ein Plus von sieben Prozentpunkten verbuchen. Die Grünen würden zwei Punkte verlieren, die FDP einen Punkt. Allerdings muss eingewandt werden: Die Befragung war abgeschlossen, als die Protestwelle gegen Rechtsextremismus noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte. Seither erlebt die AfD bundesweit einen Dämpfer in den Umfragen aller Institute.

Grafik: Allensbach

Dazu kommentiert Volker Schmidt, Geschäftsführer der Drei-Quellen-Mediengruppe: „16 Monate nach der Landtagswahl haben sich die politischen Kräfteverhältnisse in Niedersachsen massiv verschoben. Die Koalitionsparteien haben zusammen rund acht Prozent gegenüber dem Ergebnis der Landtagswahl verloren und wären derzeit mit rund 40 Prozent deutlich von einer Mehrheit entfernt. Verschiebungen dieses Ausmaßes sind ziemlich ungewöhnlich und dürften in erster Linie dem Bundestrend geschuldet sein. Gleichwohl legen die Umfrageergebnisse nah, dass es den niedersächsischen Sozialdemokraten vergleichsweise besser gelungen ist als der Bundespartei, sich vom Negativtrend der Grünen abzukoppeln.“

Volker Schmidt beim Bildungskongress der Stiftung Niedersachsenmetall 2023 | Foto: Axel Herzig

Die Allensbach-Forscher erkundigten sich auch nach den Potenzialen, also den möglichen Wahloptionen. Im Sommer 2023 hatte die SPD hier mit 35 Prozent das breiteste Feld, die CDU lag nur bei 29 Prozent. Derzeit nun liegen beide großen Parteien bei 31 Prozent. Wird nach den Zukunftskompetenzen der Parteien gefragt, so war die SPD im Sommer 2023 noch mit 34 Prozent vorn, die CDU lag mit 26 Prozent deutlich dahinter. Das hat sich jetzt gedreht, die CDU verbessert sich leicht auf 28 Prozent, die SPD rutscht auf 27 Prozent. Der Bund-Land-Vergleich ist auffällig. Die niedersächsischen Wähler trauen der Bundes-CDU deutlich mehr Kompetenzen zu als der Landes-CDU, der Bundes-SPD hingegen deutlich weniger als der Landes-SPD. Trotzdem können sich die niedersächsischen Sozialdemokraten vom schlechten Trend ihrer Bundespartei nicht völlig abkoppeln. Anders als noch im Sommer 2023 würden jetzt die kritischen Urteile über die Landes-SPD überwiegen – der Anteil der Skeptiker stieg von damals bis heute von 30 auf 39 Prozent. Diejenigen, die einen guten Eindruck von der Niedersachsen-SPD haben, machen jetzt laut Allensbach nur noch 32 Prozent aus, gegenüber 37 Prozent im vergangenen Sommer. Nun könne aber die Landes-CDU von diesen Defiziten nicht wirklich profitieren. Wie im Sommer 2023 sagen auch jetzt wieder 44 Prozent der Befragten, dass ihnen die Landes-CDU nicht gut gefällt. Einen positiven Eindruck hatten im Sommer 2023 immerhin 21 Prozent, jetzt sind es 22 Prozent.

Grafik: Allensbach

Nun haben die Allensbach-Forscher die Frage näher untersucht, was die Menschen eigentlich von der AfD halten. Das Ergebnis lautet so: „Trotz des wachsenden Rückhalts für die AfD hält sie nur eine Minderheit für eine normale demokratische Partei. 20 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung sehen keinen Unterschied zwischen der AfD und anderen demokratischen Parteien. 68 Prozent äußern dezidierte Zweifel, ob man die AfD so sehen kann. Die Studie zeigt jedoch auch, dass zumindest im privaten Kreis freimütig über AfD-Sympathien gesprochen wird. So berichten 60 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung, dass sie im eigenen Bekanntenkreis jemanden haben, der die AfD gut findet. 16 Prozent geben sogar an, dass sie „viele Bekannte“ haben, die das so sehen. Knapp 25 Prozent der Befragten erklären, dass sie sich zurzeit vorstellen können, „bei irgendeiner Wahl“ die AfD anzukreuzen. Was aber sind die Gründe dafür? Bei den potenziellen AfD-Wählern hat Allensbach nachgebohrt. 75 Prozent sagten, sie sähen eine Möglichkeit, „ein Zeichen zu setzen“, denn sie seien mit der aktuellen Politik unzufrieden. Häufig wird dann die Flüchtlingspolitik genannt. „Knapp jeder Zweite glaubt auch, dass die AfD die Probleme, die zurzeit existieren, eher in den Griff bekommen würde als andere Parteien.“ 38 Prozent der potenziellen AfD-Wähler geben laut Allensbach an, dass „die AfD die einzige Partei ist, bei denen sie sich mit ihren Sorgen und Nöten gut aufgehoben fühlen“. Erwähnt werden dann noch die Einstellung der AfD zu Russland und vor allem die Rhetorik: „57 Prozent der potenziellen Wähler begründen ihre Sympathien für die AfD unter anderem damit, dass es in der AfD noch Politiker gibt, die wie normale Leute sprechen.“

Grafik: Allensbach


Dazu passt auch ein schlechtes Urteil der Befragten zu der Flüchtlingspolitik der rot-grünen Landesregierung. 28 Prozent attestieren ihr gute Arbeit auf diesem Gebiet, 53 Prozent äußern sich überwiegend kritisch. 68 Prozent haben demnach registriert, dass in ihrer Region Flüchtlinge untergebracht sind, und 32 Prozent meinen, dies könne erhebliche Probleme mit sich bringen. Nur jeder fünfte Befragte sieht noch Möglichkeiten, in seiner eigenen Gemeinde weitere Zuwanderer aufzunehmen. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Allensbach-Befragung ein düsterer Trend. So heißt es: „Die Mehrheit der Bevölkerung wie auch weite Teile der Wirtschaft vermissen im derzeitigen volatilen Umfeld Planungssicherheit, und dieses Empfinden wird durch den weit verbreiteten Zukunftspessimismus erheblich verstärkt. 58 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung haben das Empfinden, dass es immer schwieriger wird, die eigene Zukunft zu planen. Bei denjenigen, die nicht daran glauben, dass Deutschland auf Sicht der nächsten zehn Jahre eine gute Zukunft bevorsteht, ist dieses Gefühl noch weitaus mehr verbreitet: 76 Prozent der Zukunftspessimisten haben das Empfinden, dass sie ihre eigene Zukunft nur schwer planen können.“

Volker Schmidt von der Drei-Quellen-Mediengruppe zieht ein Fazit: „Aus Planungsunsicherheit wächst Zukunftspessimismus und vice versa. Deutschland geht in das fünfte Jahr Krise und wird geführt von einer Bundesregierung, deren Vielstimmigkeit und Zerstrittenheit systematisch zur Destabilisierung der Erwartungen in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. Angesichts der multiplen Herausforderungen, denen das Land gegenübersteht, gibt dies den idealen Nährboden für eine Stärkung der politischen Ränder und für wachsende Skepsis gegenüber der Problemlösungsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie als Staatsform.“