Knapp einen Monat vor der Landtagswahl zeigt sich die politische Stimmungslage der Niedersachsen deutlich eingetrübt. Wie eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag unseres Verlages, der Drei-Quellen-Mediengruppe, zeigt, bereiten vor allem die Preissteigerungen den Menschen große Sorgen. 72 Prozent der Befragten gaben an, dass ihrer Ansicht nach die Inflation das drängendste Problem sei, um das sich die Politik kümmern solle. Mit ordentlichem Abstand auf dem zweiten Platz nannten 56 Prozent der Bürger die hohen Mieten in vielen Regionen des Landes, dicht gefolgt von der Unsicherheit bei der Energieversorgung (54 Prozent) und der ärztlichen Versorgung auf dem Land (50 Prozent). Letztgenanntes Thema beschäftigt die Niedersachsen seit geraumer Zeit – doch spielt es im aktuellen Landtagswahlkampf keine dominante Rolle. Es scheint so, als wäre das kreative Potenzial mit der Einführung einer Landarztquote bereits erschöpft.

Wie ist die Stimmung in Niedersachsen wenige Wochen vor der Landtagswahl? Eine neue Allensbach-Umfrage im Auftrag der Drei-Quellen-Mediengruppe gibt Antworten. | Foto: Anne Hufnagl, CDU, GettyImages/keport

Die ökonomischen Herausforderungen betreffen die Menschen inzwischen ganz direkt: Die Anzahl derjenigen, die ihre eigene wirtschaftliche Lage als „eher schlecht“ bewerten, ist seit 2020 kontinuierlich angestiegen auf inzwischen 28 Prozent. Umgekehrt sank die Zahl derjenigen Niedersachsen, die ihre eigene Situation als gut bewerten würden, von 55 Prozent in 2020 auf nun 34 Prozent ab. Die Inflation ist kein abstraktes Problem, sondern sie belastet das alltägliche Leben der Menschen. 78 Prozent der Befragten fühlen sich durch die Preissteigerungen stark oder sogar sehr stark belastet. 56 Prozent gaben an, sich in ihrem Alltag erheblich einschränken zu müssen.

Die existenziellen Sorgen der Bevölkerung wirken sich auch auf den Blick in die Zukunft aus. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten (59 Prozent) erwarten, dass es mit der Wirtschaft in den kommenden sechs Monaten bergab gehen wird. Dieser Wert ist im Vergleich zu den von der Corona-Pandemie geprägten Vorjahren erstaunlich hoch. Die Gruppe derjenigen, die optimistisch in die wirtschaftliche Zukunft des Landes blicken, ist mit acht Prozent entsprechend gering. Zum Vergleich: Im Oktober 2020 lagen die beiden Pole deutlich näher beieinander. 24 Prozent glaubten, es gehe bergauf, 36 Prozent erwarteten einen Abstieg. Seitdem geht diese Schere immer weiter auseinander.

Ausstieg aus der Kernkraft wird skeptisch bewertet

Dass die Energieversorgung im Winter nicht gesichert sein könnte, beziehen die Befragten ebenfalls direkt auf die eigene Versorgungslage. Allerdings macht es keinen so großen Unterschied, welche Heizung die Menschen bei sich zuhause haben. Zwar machen sich die Niedersachsen, die mit Erdgas heizen, mit 57 Prozent überdurchschnittlich viele Sorgen um ihre Energiesicherheit. Aber auch 47 Prozent der übrigen Bevölkerung, die nicht mit Erdgas heizen, haben Angst, dass es im Winter knapp werden könnte. Insgesamt ist fast ein Drittel der Bevölkerung (32 Prozent) sorglos angesichts der beginnenden Heizperiode und der drohenden Gasknappheit. Hinsichtlich der Energiewende beurteilen die Niedersachsen die politischen Entscheidungen der Vergangenheit differenziert.

Dass die Bundesregierung 2011 beschlossen hat, die Energieversorgung in Deutschland vor allem auf die erneuerbaren Energien hin auszurichten, findet eine große Mehrheit von 59 Prozent der Befragten auch heute noch richtig. 22 Prozent stehen ablehnend dazu. Dass nun Ende 2022 aber auch der Ausstieg aus der Kernkraft ansteht, finden die Niedersachsen nicht mehr so gut. Fast zwei Drittel (63 Prozent) sprechen sich laut Allensbach-Umfrage für eine Laufzeitverlängerung aus. Gefragt wurde dabei nicht nach einem Streckbetrieb, wie man ihn für die beiden Kernkraftwerke in Süddeutschland nun plant, sondern nach einem Weiterbetrieb für mehrere Jahre. Nur ein Viertel der Befragten hält an dem Ausstiegsszenario weiterhin fest.

43 Prozent wollen einen Regierungswechsel

Wem trauen die Niedersachsen nun zu, die Herausforderungen zu bewältigen? Die eingetrübte Stimmungslage werde nicht ohne Auswirkungen für die anstehende Landtagswahl bleiben, prognostizieren die Demoskopen von Allensbach. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass die Zustimmung zur Politik des aktuellen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) schwindet. Noch sagen 30 Prozent der Niedersachsen, sie seien mit Weils Kurs einverstanden; 26 Prozent gaben an, mit seiner Politik nicht einverstanden zu sein. Das Urteil variiert jedoch je nach Alter und sozialem Status. Je älter und wohlhabender die Befragten sind, desto eher halten sie die Politik des Ministerpräsidenten für gut. Kritisch äußerten sich aber vor allem die Niedersachsen, die jünger sind als 45 Jahre. Wer seine eigene wirtschaftliche Lage negativ bewertet, stimmt eher nicht mit Weils Politik überein.

Insgesamt meint inzwischen mehr als die Hälfte der Niedersachsen, das Land könnte deutlich besser dastehen. 52 Prozent der Befragten gaben an, dass Niedersachsen aus ihrer Sicht unter seinen Möglichkeiten bleibt, nur noch 30 Prozent meinen, das Land stehe insgesamt gut da. Noch deutlicher ist dieses Urteil bei der Frage, ob Niedersachsen bundespolitisch großen Einfluss habe. 60 Prozent der Befragten meinen, dass die Landesregierung die Bundespolitik stärker beeinflussen könnte als sie es derzeit tut. Das ist besonders eklatant angesichts des Umstandes, dass die wesentlichen Herausforderungen, die die Menschen umtreiben, auf Bundesebene oder europäischer Ebene entschieden werden – so die Inflation und die Energieversorgung. Anders als in der Corona-Pandemie attestiert man der niedersächsischen Landesregierung offenbar nicht mehr, den Kurs in Berlin beeinflussen zu können.

Bemerkenswert ist, dass in der Zwischenzeit ein Niedersachse der SPD vorsitzt, die schließlich auch den Bundeskanzler stellt. Jenseits vereinzelter Talkshow-Auftritte des Ministerpräsidenten nimmt man die niedersächsischen Spitzenpolitiker bundesweit kaum wahr. Die Niedersachsen-CDU hat mit dem Regierungsverlust im Bund naturgemäß ihren Kontakt zur Bundesregierung eingebüßt. Entsprechend steigt die Unzufriedenheit mit der aktuellen Landesregierung. 43 Prozent der Niedersachsen sprechen sich dafür aus, dass es nach der Landtagswahl eine neue Regierungskonstellation geben sollte. 27 Prozent wollen an der aktuellen rot-schwarzen Koalition festhalten. 30 Prozent trauen sich hier kein Urteil zu. Eine Wechselstimmung ist also spürbar, wobei unklar bleibt, ob sich die meisten dabei einen Wechsel zu einer CDU-geführten Regierung oder einen Wechsel zu Rot-Grün wünschen.

SPD kann eher Zukunft, CDU kann eher Wirtschaft

Bei der Zuschreibung von Wirtschafts- und Zukunftskompetenzen liegen SPD und CDU nah beieinander. Bei der Zukunftskompetenz sinkt die SPD von 33 auf 26 Prozent – nachdem sie in den vergangenen Erhebungen zunächst einen kleinen Höhenflug erlebt hatte, der mit der im vergangenen Jahr rasant gestiegenen Zustimmung zur SPD auch auf Bundesebene zusammenhängen mag. Die CDU kann sich beim Thema Zukunftskompetenz hingegen von ihrem sanften Sinkflug der vergangenen Erhebungen leicht erholen und steigt wieder auf 23 Prozent Zustimmung bei den Bürgern. Bei den „anderen Parteien“ gibt es einen Kompetenzzuwachs von 19 auf 25 Prozent, den die Demoskopen von Allensbach im Wesentlichen den Grünen zuschreiben.



Ähnlich verhält es sich auch bei der Wirtschaftskompetenz. Hier können die „anderen Parteien“ aufgrund der Grünen ordentlich zulegen und kommen nun auf 23 Prozent. Die SPD sinkt nach einem Spitzenwert von 29 Prozent im April auf nun nur noch 24 Prozent. Der CDU trauen immerhin 27 Prozent zu, die Wirtschaft in Niedersachsen rasch wieder stärken zu können. Allerdings: Auch hier schwindet die Zustimmung seit einiger Zeit allmählich. Insgesamt fällt bei den Kompetenzzuschreibungen auf, dass es eine starke Verbindung zur Bundespolitik zu geben scheint. Wer im Bund reüssiert, wird auch in Niedersachsen honoriert. Deshalb wird es spannend bleiben, wem der Kurs der Ampel-Regierung in Berlin in den verbleibenden Wochen bis zur Landtagswahl wohl Rückenwind geben wird.