Drei Monate lang waren die Flieger der Tui-Fly am Boden geblieben, gestern hob die erste Maschine wieder ab. 165 deutsche Urlauber stiegen am Morgen auf dem Flughafen Düsseldorf in das Flugzeug, um kurze Zeit später in Richtung Mallorca abzuheben. Am selben Tag gab es im niedersächsischen Wirtschaftsministerium in Hannover allerdings auch ein Krisengespräch über die Zukunft der Fluggesellschaft Tui-Fly. Neben Wirtschaftsminister Bernd Althusmann nahmen Konzernspitze und Arbeitnehmervertreter an dem Treffen teil.

Von einem konstruktiven Gespräch war im Anschluss im Garten des Ministeriums die Rede, alle Vertreter lobten die Verhandlungsbereitschaft der jeweils anderen Seite. Angesichts der Lage durch die Corona-Krise war dennoch allen klar, dass es Veränderungen geben wird. „Es wird Schmerzen geben, und es wird Einsparungen geben müssen“, sagte Althusmann, wobei die Frage bleibt, wie schmerzhaft die Einsparungen am Ende sein werden. Geht es nach der Konzernführung, wird es sehr schmerzhaft. Sie will die Flotte mehr als halbieren, von aktuell 39 auf 17 Maschinen verringern.

Wenn Arbeitsplätze erst einmal weg sind, ist es schwierig, sie wieder nach Deutschland zu holen.

Er halte diese Untergrenze, die im Raum steht, für nicht wirklich hilfreich, sagte Althusmann. „Das Reisegeschäft scheint wieder anzulaufen, das wird auch für Pauschalreisen gelten.“ Das sagen auch Experten voraus, deren Meinung nach das Reisegeschäft mit Fernzielen schneller wieder anziehen könnte als es bei den Inlandsflügen der Fall sein könnte. Denn während es viele Familien schon wieder an die südlichen Strände zieht, was der Reisekonzern Tui bereits an der Zahl steigender Buchungen spürt, könnten durch die inzwischen erlernte Alternative von Video-Konferenzen die Inlandsflüge auf längere Sicht deutlich weniger Passagiere verzeichnen als vor der Krise. „Für mich sieht es so aus, als könnte es schwierig werden, mit nur 17 Flugzeugen einen wieder anziehenden Markt zu bedienen“, stellte der Präsident der Vereinigung Cockpit, Markus Wahl, fest. Es müsse schnell konstruktive Gespräche geben. „Wenn Arbeitsplätze erst einmal weg sind, ist es schwierig, sie wieder nach Deutschland zu holen.“

Ich hoffe, dass wir eine Abfederung der angekündigten Maßnahmen hinbekommen.

Auch die Arbeitnehmer wüssten, dass die Krise an der Tui-Fly nicht vorbeigehe, sagte Andreas Barczewski, Arbeitnehmervertreter und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, nach dem Treffen im Ministerium. Für einen „Restrukturierungsprozess mit Augenmaß“ zeigte er sich gesprächsbereit, nicht aber für einen Kahlschlag bei der Fluggesellschaft. „Die Buchungen ziehen zum Teil stark wieder an, wir kommen aus der Corona-Krise sicherlich irgendwann wieder heraus. Dafür braucht der weltgrößte Touristikkonzern dann eine sehr starke Tui-Fly, um die Passagiere dort sicher und stabil hinzufliegen“, sagte Barczewski. Ein Dorn im Auge ist dem Aufsichtsratsmitglied einerseits „die Kombination aus Staatskrediten beim Mutterkonzern und auf der anderen Seite Massenentlassungen bei der Tui-Fly“.

Foto: MB.

Hierzu gab es auch eine deutliche Mahnung des Wirtschaftsministers an die Adresse der Tui. Der Konzern habe schließlich in der Krise einen KfW-Kredit bekommen. „Weitere Stützungsmaßnahmen für den Konzern müssen sicher auch unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden“, mahnte Althusmann. Als Landesminister schaut er zugleich insbesondere auf den Standort Hannover. Ihm sei wichtig, dass möglichst viele Mitarbeiter am Standort gehalten werden könnten. „Ich hoffe, dass wir eine Abfederung der angekündigten Maßnahmen hinbekommen“, so Althusmann.

Wir erwarten nach der Krise, dass sich diese Überkapazitäten nicht auflösen werden. Im Gegenteil, möglicherweise werden sie sogar noch schlimmer.

Tui-Geschäftsführer Oliver Lackmann sieht das Hauptproblem in einer Überkapazität auf dem deutschen und europäischen Flugmarkt. Das sei schon vor der Corona-Krise so gewesen. „Wir erwarten nach der Krise, dass sich diese Überkapazitäten nicht auflösen werden. Im Gegenteil, möglicherweise werden sie sogar noch schlimmer“, erklärte Lackmann. Man müsse die Tui-Fly so aufstellen, dass sie eine echte Zukunft habe.

Alle Seiten wollen jetzt im Gespräch bleiben, aber die Zeit drängt. Schon auf der nächsten Aufsichtsratssitzung am 18. Juni könnte es weitere Beschlüsse geben. Barczewskis Ziel ist, einen Spielraum zu sichern, um über nur noch 17 Maschinen hinaus planen und für den Standort Hannover andere Perspektiven erarbeiten zu können. Eines ist dem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aber auch klar: „Das werden keine einfachen Gespräche“, betonte Barczewski.