Man sieht, wie schwer sich Bernd Althusmann tut. Er steht oben am Mikrophon in der Hamelner Weserberglandhalle und hält die Begrüßungsrede beim „kleinen Parteitag“ der Niedersachsen-CDU. Er redet, aber er kommt erst einmal nicht auf den Punkt. Vor ihm sitzen 200 Delegierte und Gäste, sie blicken erwartungsvoll nach vorn. Eigentlich soll Althusmann diese Veranstaltung nur eröffnen, doch er hat sich noch etwas Besonderes vorgenommen.

Bernd Althusmann und Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer beim Parteitag in Hameln – Foto: kw

Althusmann, der Landesvorsitzende, möchte eine Wegweisung abgeben. Er will in der unübersichtlichen Lage der Bundespartei die Richtung vorgeben oder wenigstens eine Ansage machen. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Stimmungslage ist uneindeutig. In der Führungsebene der Niedersachsen-CDU gibt es starke Sympathien für den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet als neuen Bundesvorsitzenden, an der Parteibasis aber rühren sich euphorische Merz-Befürworter.

Vor wenigen Wochen wurde Merz in Verden frenetisch wie ein Erlöser gefeiert, in wenigen Wochen soll ähnliches in Wolfenbüttel geschehen. Und Althusmann? Vor anderthalb Jahren noch, bevor Annegret Kramp-Karrenbauer CDU-Chefin wurde, war auch er ein Merz-Anhänger, hielt sich aber zurück. Heute befürwortet er Laschet, weil er ihm zutraut, die auseinanderdriftende CDU wieder stärker zusammenzuführen. Auch das behielt er bis zu diesem Donnerstag noch für sich.

Althusmann nimmt ein paar Anläufe

Von Althusmann ist bekannt, dass er am liebsten die Stimmung erspürt und sich dann an die Spitze einer Bewegung setzt. Aber selbst voranmarschieren? Würde der als Zauderer bekannte Landesvorsitzende das tun? Bis die deutliche Aussage fällt, dreht sich Althusmann, schraubt sich und nimmt ein paar Anläufe. Man merkt, wie er die Reaktionen in der Halle austesten will. Würde jetzt Gemurmel laut werden, oder vielleicht sogar Widerspruch? Würde ihm das Publikum mit einem ersten Applaus die geplante eigene Festlegung womöglich gar erleichtern?

Zunächst reagiert die Versammlung ruhig, fast regungslos. Althusmann robbt sich an seine Kernaussage heran, redet von „stürmischen Zeiten“, in denen die Niedersachsen-CDU immer geglänzt habe, weil sie geschlossen war. Erste Aussage von ihm: Die CDU sei gegründet worden von Menschen, die unter der Gestapo gelitten hatten, daher dürfe es für die Christdemokraten „keine Zusammenarbeit mit einer rechtsextremen Partei geben“. Starker Applaus ertönt.

Zweite Aussage von ihm: Vom 26. April an, einen Tag nach dem Bundesparteitag, der die Nachfolge von AKK regelt, müsse es Geschlossenheit geben – es dürfe sich nicht die Situation von Ende 2018 wiederholen, als die unterlegene Seite ihre Kritik an der neuen Vorsitzenden nicht eingestellt habe. Wieder wird Applaus laut, wenn auch nicht überschwänglich.

Dritte Aussage von Althusmann, jetzt etwas deutlicher: Bei der anstehenden CDU-Wahl gehe es nicht um eine „Einmannshow“, nicht um „Eitelkeiten einzelner“, sondern um das Gemeinsame. Wieder Beifall, aber nicht übermäßig stark. Althusmann geht den nächsten Schritt, wagt sich noch weiter vor. Er wolle eine „persönliche Bemerkung zu den Bewerbern“ abgeben sagt er. Gemurmel ist die Reaktion. Aber dann bricht er seinen Satz ab und nennt noch keinen Namen, sondern schimpft zunächst auf jene, die sich über die „Hinterzimmerpolitik“ beschwert hatten – also vor allem Norbert Röttgen. Keine Reaktion im Publikum.

Althusmann tastet sich noch weiter vor. Jetzt lobt er zunächst Armin Laschet, der als Ministerpräsident „zusammenbindet“ und „ein Stabilitätsanker ist“. Aber Beifall kommt noch nicht, erst als der Landesvorsitzende auch Jens Spahn lobt, erklingt aus einer Ecke des Saales ein kurzer und kräftiger Applaus. Im Publikum ist es die ganze Zeit überwiegend still, vermutlich deshalb, weil die Delegierten nun endlich von Althusmann hören wollen, wen er zur Wahl empfehlen will. Doch der Landesvorsitzende windet sich erst noch ein weiteres Mal, kündigt erneut an, gleich eine persönliche Einschätzung abgeben zu wollen. Dann schränkt er ein, dass dies „mit Blick auf die Stimmung in der Partei vielleicht nicht die Mehrheitsmeinung sein wird“. Aber, fügt Althusmann hinzu, natürlich respektiere er jede andere Meinung, und die CDU halte es ja auch aus, wenn es mehrere Ansichten gebe.

Die ersten Zuhörer werden ungeduldig, soll er nun doch endlich sagen, was er meint sagen zu müssen. Dann endlich, nach etlichen rhetorischen Schleifen, die der CDU-Landesvorsitzende geflochten hat, kommt sein entscheidender Satz: „Das Duo aus Armin Laschet und Jens Spahn halte ich durchaus für die absolute Führungsfähigkeit in der Union.“ Das war nun die Positionierung, und da sie nach 15 Minuten von Althusmann endlich ausgesprochen wird, belohnt die Versammlung das auch mit einem ordentlichen Applaus. Kein Jubel, aber doch Zuspruch aus der Runde. Widerspruch wird nicht laut.

Wie kann die CDU moderner und attraktiver werden?

Im Vorfeld, heißt es, haben die Parteifreunde Althusmann zu diesem Schritt ermuntert. Von einem Landesvorsitzenden, sagten einige, erwarte man in solchen unruhigen Zeiten auch mal ein Signal. Nicht im Sinne von Führung, sondern als Angebot einer Orientierung. Das hätte wunderbarer Auftakt für eine Personaldebatte sein können – vielleicht mit einigen, die nun für Merz werben, und mit anderen, die für Laschet sprechen. Womöglich gar mit solchen, die Röttgen gut finden.

Doch die Regie des CDU-Landesverbandes sieht das nicht vor. Es wird diskutiert, ja, sogar die Themen sind interessant. Über allem schwebt die Frage, wie die CDU moderner und attraktiver werden kann. Dazu sind zwei Gäste eingeladen worden, die bisherige Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer und Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Kretschmer rät, die Politik mit Volksbefragungen stärker an die politischen Inhalte heranzuführen. Er meint auch, die CDU müsse „nah an den ganz normalen Menschen bleiben“.

Kramp-Karrenbauer wirbt für die Erneuerung der Partei und für die stärkere Einbindung von Frauen. Auch Althusmann geht in diese Richtung: „Sind wir überhaupt noch sexy für junge Menschen? Es gibt doch heute noch Versammlungen, in denen zu Beginn das Protokoll vorgelesen wird. Das geht nicht“, betont er. Man brauche CDU-Leute, vor allem Frauen, die in der Kommunalpolitik aktiv sind und sich auch nicht scheuen, in die Neubaugebiete zu gehen und dort den Leuten ihre Hilfe anzubieten. Das kommt im Saal an. Die Delegierten nehmen durchaus regen Anteil an dieser Diskussion, die sich bis in den Abend hinzieht.

Nur die zu Beginn angesprochene Führungsfrage der CDU wird aus den weiteren kontroversen Debatten an diesem Tag ausgeklammert. Diesbezüglich bleibt es nur bei der mühsam erkämpften Wegweisung von Althusmann. Aber immerhin. (kw)