In einer kleinen Gemeinde bei Hameln soll an die Nazi-Vergangenheit erinnert werden. Doch gegen ein Konzept dazu, das unlängst der örtlichen Bevölkerung vorgestellt wurde, braut sich in der Region Widerstand zusammen. Nun steht das Projekt als Ganzes in Frage – aber es gibt Verteidiger, die vor einem Scheitern warnen.

Mehrere Jahre schon arbeitet der pensionierte Lehrer Bernhard Gelderblom daran, die Erinnerung an ein besonderes Kapitel der NS-Zeit in seiner Heimat wach zu halten: Auf dem Bückeberg südlich von Hameln, in der Gemeinde Emmerthal gelegen, waren zwischen 1933 und 1937 regelmäßig im Spätsommer die „Reichserntedankfeste“ gefeiert worden. Tausende sind zu diesem Zweck aus dem ganzen Reich für ein paar Tage angereist, sie hörten eine Rede von Adolf Hitler und erlebten ein Schauspiel mit Fahnen und Fanfaren, das von der NS-Propaganda perfekt inszeniert war. Heute ist die 20 Fußballfelder große Fläche zum größten Teil eine Wiese, ein alter Weg auf den Berg ist noch erkennbar, vieles andere ist zugewuchert – und Hinweisschilder auf das, was dort einmal war, fehlen. Gelderblom hatte zusammen mit Mitarbeitern und dem Büro Ermisch aus Hannover einen Plan entwickelt. Als dieser aber kürzlich in Emmerthal vor den Anwohnern vorgestellt wurde, hagelte es überwiegend Protest: „300 Leute waren gekommen, 90 Prozent waren strikt dagegen“, sagt Karl-Otto Gericke, der auch zu den Kritikern zählt.

Was steht auf dem Schriftzug?

Es sind zunächst die Kosten, an denen sich der Unmut erregt. Von 450.000 Euro ist die Rede – wobei es aus der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten heißt, diese derzeit diskutierte Summe sei zu hoch gegriffen, es gehe um 300.000 Euro. Vorgesehen ist, den Berg mit einem Rundweg und Stelltafeln zu versehen. Unten, wo einst Hitler sprach, soll ein Schriftzug aufgestellt werden, von vier Meter hohen Buchstaben ist die Rede. Der erste Vorschlag für das Wort lautet „Propaganda“. Gericke spricht nun für mehrere Kritiker, wenn er sagt: „Informationstafeln sind richtig und wichtig. Aber die Dimension der Vorschläge, vor allem für den Schriftzug, ist viel zu groß. Wenn das eine Gedenkstätte wird wie etwa das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, dann ist die Gefahr groß, dass Neonazis dies als Wallfahrtsort nutzen könnten.“ Gericke hat nun begonnen, Unterschriften gegen das Vorhaben zu sammeln – und „das läuft gut an“, berichtet er.

Soll überhaupt an den Bückeberg erinnert werden?

Ist der Bückeberg also mit dem Reichsparteitagsgelände vergleichbar? Ja, meint Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (SNG), die das Projekt unterstützt. Die NS-Diktatur zeichne sich durch starke Integration auf der einen Seite aus, also das Zusammenschweißen der „Volksgenossen“ wie bei großen Erntedankfesten, dagegen aber auch Ausgrenzung auf der anderen Seite, wie an der Verfolgung und Vernichtung der Menschen etwa in Bergen-Belsen sichtbar werde. Deshalb sei es richtig, an den Bückeberg, der zur Hitler-Zeit nationale Bedeutung hatte, endlich zu erinnern. Wagner selbst hatte gegen den Schriftzug „Propaganda“ allerdings Einwände, da dies auf die Verführbarkeit der Deutschen hindeute – und den Aspekt, dass viele sich gern haben in die Irre leiten lassen, eher vernachlässige. Wie Gelderblom berichtet, hat es auch mehrere Alternativvorschläge gegeben – etwa die Worte „Denk mal!“ oder schlicht „Bückeberg“ oder nur ein Symbol.

Widerstand verhindert Spenden

Gelderblom, der früher schon als Lehrer immer wieder die Geschichte des Bückeberges im Unterricht behandelt hat, sieht in der Gemeinde Emmerthal erhebliche Vorbehalte gegen die Gedenkstätten-Pläne – zumal damit die Vorfahren vieler Familien in den Blick gerieten. „Viele Emmerthaler hatten in der NS-Zeit den Bückeberg in ihr Herz geschlossen, denn sie waren alljährlich für wenige Tage der Mittelpunkt des Deutschen Reiches“, sagt der Hobby-Historiker. Er sieht nun Probleme, wegen des Widerstandes aus der Bevölkerung genügend Geldgeber zu finden. 60.000 Euro hat der Landkreis zugesagt, andere Stiftungen sollen sich beteiligen – und ebenfalls 60.000 Euro will Gelderblom in der Region mobilisieren, was ihm zusehends schwerer falle, wie er sagt. Jens-Christian Wagner von der SNG meint, jetzt sei „intensive Überzeugungsarbeit“ nötig – zumal doch klar sei, dass vieles an dem Konzept noch verändert werden könne, bevor es, wie geplant, zum Sommer 2018 realisiert werden soll.