„Wie bleiben wir attraktiv als Arbeitgeber und halten trotzdem die Wertschöpfung konstant?“ So beschreibt Jaap Beijer, Geschäftsführer von MTU Maintenance Hannover GmbH, die Herausforderung für Unternehmen in Zeiten, in denen die Marktmacht bei den Arbeitnehmern zu liegen scheint. Die Firma in Langenhagen, die auf die Instandsetzung von Flugzeugtriebwerken spezialisiert ist, hat die Arbeitsumgebung für seine rund 2500 Mitarbeiter jetzt neu gestaltet.

Neu gestaltetes Atrium im Bürogebäude von MTU Maintenance Hannover GmbH | Foto: MTU

Angefangen, darauf legt MTU wert, wurde damit in der Fertigung, dem Herzstück der Firma. Aus einer geräumigen Mensa heraus kann man jetzt den Blick durch eine gigantische Glasscheibe über die Werkshalle schweifen lassen. Daran schließt sich eine Lounge mit Ohrensesseln an, die sich kommunikativ zueinander oder in den Ruhe-Modus drehen lassen. Im Bürogebäude, in das MTU die Mitglieder des Industrieclub Hannover e.V. eingeladen hatte, finden sich keine Ohrensessel. Dafür hat man sich dort, analog zur Werkbank, vom Prinzip fester Schreibtische und Einzelbüros verabschiedet. Wer Ruhe zum Arbeiten braucht, kann sich in eine „Denkzelle“ zurückziehen. Allerdings sollte man die nicht mit einer Telefonzelle verwechseln, denn jede Zelle hat einen Durchbruch nach außen. Für Telefonate und Videokonferenzen gibt es wieder eigene Räume.

Leute wirksam werden lassen: Die neu geordnete Büro-Umgebung von MTU bildete den passenden Rahmen für den Industrieclub, um über das Thema „New Work“ ins Gespräch zu kommen. Gastredner Lasse Rheingans hängte die Latte hoch. „New Work ist nicht nur die Frage, wie das Büro aussieht. New Work ist die Arbeit, die ein Mensch wirklich, wirklich will.“ Ziel ist, dass jeder seine persönlichen Stärken einbringen und seinem individuellen Tagesrhythmus treu bleiben kann. „Man muss die Leute da wirksam werden lassen, wo sie das wollen und können.“

Organisationsberater Lasse Rheingans | Foto: Niels Unglaube/Industrieclub


Informellen Austausch aus dem Büro heraushalten: Rheingans ist bekannt geworden als Unternehmer, der seinem Team einen 5-Stunden-Tag verordnet hat: In seiner IT-Firma fingen alle um 8 Uhr an und machten um 13 Uhr Feierabend – für das gleiche Gehalt wie zuvor. „Wir haben nichts verboten“, erklärt er, „nur dafür sensibilisiert, was wieviel Zeit kostet.“ Der informelle Austausch im Büro wurde ersetzt durch freiwillige Team-Aktivitäten am Nachmittag wie einen Kochclub oder Yoga-Stunden. Mit Corona, räumte Rheingans im Gespräch mit Moderatorin Tina Voß ein, war das Experiment beendet. Denn die Arbeitszeit am Vormittag war nicht mit dem Homeschooling vereinbar. Mittlerweile ist aus dem IT-Unternehmen eine Beratungsfirma geworden – mit neuem Team und dem neuen Geschäftsfeld „Organisationsentwicklung“.

Hierarchiefrei in Braunschweig:
„Der Standesdünkel muss weg“, fordert Rheingans. Aus Prestigegründen will manche Führungskraft einen Informationsvorsprung behalten – doch das geht zu Lasten der Firma. „Informationen müssen geteilt werden.“ Brigida Kempf hat mit dieser Forderung ernst gemacht. Die Vorständin der „wirDesign communication AG“ aus Braunschweig sagt, sie habe eine hierarchiefreie Organisation geschaffen. „Die Prozesse haben zu lange gedauert in den Führungspyramiden“, erklärt die Chefin von rund einhundert Beschäftigten. Für die Kunden gehe es schneller und reibungsloser, wenn sie gleich mit den fachlichen Experten verhandeln können, ohne dass die Führungsebene einbezogen werden muss.