Die niedersächsische Architektenkammer warnt vor einem ihrer Meinung nach verhängnisvollen Trend: Immer häufiger würden Kommunen, wenn sie neue Schulen, Verwaltungsgebäude, Kindergärten oder Feuerwachen bauen, auf eine ausreichende Planungsphase verzichten. „Unter Zeitdruck meint man, mit der Beauftragung von vermeintlichen Lösungen aus einer Hand das richtige zu tun“, sagt der Lüneburger Architekt Stephan Seeger, Regionalbeauftragter der Architektenkammer, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Am Ende aber stelle sich heraus, dass während der Bauphase noch nachgebessert werden muss und doch eine Verzögerung eintrete.

Kommunen bauen zu hastig und deshalb nicht gut, warnt die Architektenkammer – Foto: MB.

„Ich werbe deshalb dafür, sich ausreichend Zeit für eine vernünftige Architektenplanung als ersten Schritt zu nehmen“, betont Seeger. Das sei gerade in nächster Zeit nötig, wenn in vielen Kommunen noch der soziale Wohnungsbau angeschoben werde. „Dass wir schnell bauen müssen, ist klar. Aber das Vorurteil, eine ausreichende Planung sei zu zeitaufwendig und verzichtbar, rächt sich spätestens dann, wenn wir später auf die Ergebnisse schauen“, meint Seeger. Gerade in kleineren Kommunen, die sich auf wenige örtliche Architekten stützen bei Projekten unterhalb der Schwelle zu größeren Ausschreibungen, drohe die „Gesichtslosigkeit“: „Das sieht dann alles gleich aus – und eben auswechselbar.“

Dass wir schnell bauen müssen, ist klar. Aber das Vorurteil, eine ausreichende Planung sei zu zeitaufwendig und verzichtbar, rächt sich spätestens dann, wenn wir später auf die Ergebnisse schauen.

Seeger und die Architektenkammer werben für Gestaltungswettbewerbe, in denen die Planer herausgefordert werden, neue Konzepte und Vorschläge zu unterbreiten. Leider werde dieser Weg häufig nicht gegangen, weil dafür in der Anfangszeit einer Planung viel Zeit beansprucht werde. „Allerdings kommen so Ideen frühzeitig auf den Tisch, die wertvoll sein können für den späteren effektiven Bau“, betont Seeger. Noch ein zweiter Gesichtspunkt komme hinzu: Über Architektenwettbewerbe bekämen junge Planer, die noch keinen bekannten Namen und kein System an guten Kontakten haben, auch eine Chance – und sie könnten mit pfiffigen Gedanken und unkonventionellen Vorschlägen auf sich aufmerksam machen. Der Lüneburger Architekt nennt ein Beispiel aus seiner Heimatstadt, nämlich den Wettbewerb zur Nachnutzung des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes der Psychiatrischen Klinik.


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Skeptisch betrachtet die Architektenkammer eine oft von Auftraggebern gewählte Lösung, nämlich einen Totalunternehmer zu suchen, der dann alle Leistungen – von der Planung über den Bau bis zur Innenausstattung – in eigener Regie übernimmt. „Diese Verfahren erweisen sich zumeist als wirtschaftlich wenig effektiv, äußerst komplex und damit fehleranfällig.“ Die oft versprochene Termintreue werden meist nicht gewährleistet. Viel besser und sinnvoller sei es, die Planungsleistung gesondert auszuschreiben und vorzuziehen. „Wenn in der Planungsphase Versäumnisse geschehen, ist es oft hinterher viel schwieriger, die Mängel noch durch Nach- und Neuplanungen auszugleichen. Das gilt etwa bei Schulbauten, bei denen vorab der Bedarf falsch eingeschätzt wurde“, berichtet Seeger.

Eine Herausforderung für sich sehen die Architekten nicht zuletzt auch deshalb, weil die politischen Signale durchaus mit ihren Zielen übereinstimmen. Als die Landesregierung vor wenigen Tagen das neue Programm zum Bau von 40.000 Sozialwohnungen verkündet hat, wurde gleichzeitig hervorgehoben, dass eine Ghettobildung wie einst in den siebziger Jahren vermieden werden solle. Auf keinen Fall sollten anonyme, unansehnliche Wohnblocks entstehen, in denen sich Sozialwohnung an Sozialwohnung reiht. Weil eine „Durchmischung“ in neuen Siedlungen angestrebt wird, also ein Angebot hochwertiger, normaler und kostengünstiger Wohnungen in jeweils unmittelbarer Nachbarschaft, sind auch Architekten mit klugen Gestaltungsideen gefordert.