Prof. Vadim Issakov, Elektrotechnik-Experte der TU Braunschweig, hat im März vergangenen Jahres ein besonderes Projekt ins Leben gerufen: Er organisierte den Wechsel von Studenten aus der Ukraine nach Braunschweig – damit auch im Krieg diese angehenden Wissenschaftler weiter mit der Forschung zu tun haben. Für diese Leistung wurde Issakov im März vom Politikjournal Rundblick zum „Niedersachsen des Monats“ gewählt. Damit nahm der 41-Jährige an der Abstimmung zum „Niedersachsen des Jahres“ teil – und gewann mit deutlichem Abstand. Im Interview mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter äußert sich der Wissenschaftler zu seinem Projekt.

Niklas Kleinwächter überreicht Prof. Vadim Issakov (rechts) die Krone und zeichnet ihn damit offiziell als „Niedersachse des Jahres 2022“ aus. | Foto: Lada

Rundblick: Herr Prof. Issakov – wie haben Sie ihre Wahl zum „Niedersachsen des Jahres“ aufgenommen?

Issakov: Ich war total überrascht. Natürlich hatte ich im März davon erfahren, dass ich „Niedersachse des Monats“ werde, das hatte mich auch sehr gefreut. Danach habe ich das aber irgendwie verdrängt. Umso größer war die Freude dann zu Beginn dieses Jahres über die Wahl.

Rundblick: Wie war denn das damals nach dem Beginn von Putins Angriffskrieg? Wie kamen Sie auf den Gedanken, jetzt ein Hilfsprogramm für die Ukrainer zu organisieren?

Einfach auf das Bild klicken und den Podcast anhören.

Issakov: Mir kam vermutlich zur Hilfe, dass ich schon im Frühjahr 2021 Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen in der Ukraine geknüpft hatte. Ich stamme aus Südrussland, mit meinen Eltern bin ich als Elfjähriger nach Israel ausgereist – und später dann nach Deutschland gekommen. Mir war es dann als Wissenschaftler in Magdeburg und später in Braunschweig immer ein Anliegen, Kontakte zu Fachleuten in Osteuropa zu gewinnen. So ist der Draht zu den Kollegen in Kiew entstanden.

Rundblick: War das eine Basis für ein Hilfsprogramm, das dann nach dem 24. Februar in Gang gesetzt wurde?

Issakov: So kann man es bezeichnen. Ich hatte sechs Anfragen des „Igor Sikorsky Kyiv Polytechnic Institute (KPI)“ bekommen. Dann haben wir im Kontakt mit Professorenkollegen und der Uni-Leitung nach Möglichkeiten gesucht, diese Wissenschaftler nach Braunschweig zu holen und ihnen hier die Fortsetzung ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit zu ermöglichen. Das war gar nicht so leicht, denn viele dieser Studenten sprachen nicht gut Deutsch – und Aufenthaltsgenehmigungen sind dann nicht einfach. Es gelang, Wege zu ebnen.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.

Inhalt laden

Rundblick: Wie haben Sie das denn gemacht?

Issakov: Für die männlichen Studenten gilt, dass sie in der Ukraine im Krieg kämpfen müssen. Deshalb haben wir in Einzelfällen verhandeln müssen – und es ging um Ausnahmeregeln. Im engen Kontakt mit den ukrainischen Stellen ist es gelungen, für sechs Studentinnen und Studenten einen Aufenthalt zu organisieren. Ich habe auch ausgelotet, inwieweit sie als wissenschaftliche Hilfskräfte eingesetzt werden konnten. Hier haben die Uni-Leitung, die Stadtverwaltung und die zuständigen Stellen in Kiew wichtige Hilfestellungen gegeben – wenn es beispielsweise darum ging, Wohnungen für die Studenten zu finden.

Rundblick: Ist es nicht so, dass sehr viele Betroffene von ihren Kriegserlebnissen so überwältigt waren, dass sie fern der Heimat in Braunschweig sich gar nicht auf die Arbeit an der Universität konzentrieren konnten?

Issakov: Von den sechs Studenten sind zwei wieder zurück gegangen. Eine Studentin hatte Sehnsucht nach ihrer Familie, sie wollte zu ihren Eltern. Eine Professorin ging auch zurück. Sicher gilt für alle, dass sie in großer Sorge um ihre Verwandten in der Ukraine waren. Ich glaube aber auch, dass die wissenschaftliche Arbeit wichtig für sie war, damit sie von diesen Sorgen nicht aufgezehrt wurden.

Vadim Issakov ist Experte für Mikrowellensysteme. Für seine Promotion zu dem Thema erhielt er 2010 von der Universität Paderborn den Doktortitel summa cum laude verliehen. Heute leitet er als Elektrotechnik-Professor das Institut für CMOS-Design an der TU Braunschweig. Dort forscht Issakov in den Bereichen Radar, Biomedizin und Quantentechnologien. | Foto: Lada

Rundblick: Die Volkswagenstiftung beispielsweise vertrat auch die These, dass der wissenschaftliche Austausch unter dem Krieg nicht leiden darf, dass die Kontakte zwischen den Forschungseinrichtungen bestehen bleiben und gepflegt werden müssen.

Issakov: Das gilt ja gerade für die Ukraine. Einige von den Studenten, die jetzt noch bei mir in Braunschweig arbeiten, werden sicher irgendwann zurückkehren und am Wiederaufbau der Ukraine arbeiten. Ich bekam damals auch sehr viele Anfragen aus anderen Fakultäten und konnte sie vermitteln. So betraf das Programm, das ich in meinem Bereich aufgebaut hatte, dann auch andere Forschungszweige. Eine Art Stellenbörse haben wir aufgebaut, und dadurch haben sich viele wertvolle Kontakte noch vertieft.

Rundblick: Wie nehmen Sie die deutsche Hilfsbereitschaft für die Ukraine wahr? Ist das noch so stark wie zu Beginn des Krieges – oder lässt sie nach?

Issakov: Ich glaube, dass die Hilfsbereitschaft immer noch sehr groß ist. Sicher, wir haben uns an die Prozeduren gewöhnt, die Wege sind eingespielt. Aber auf der anderen Seite helfen Kontakte, wie wir sie aufgebaut haben, zur gegenseitigen Verständigung. Das kann eine gute Basis sein für dauerhaften Austausch der Wissenschaftler. Wenn der Krieg irgendwann hoffentlich zu Ende sein wird, können wir alle davon nur profitieren.