Soll das Schulgesetz verschärft werden, damit die Behörden wirkungsvoller gegen vollverschleierte Schülerinnen vorgehen können? Die Opposition im Landtag fordert das vehement, nun reifen entsprechende Pläne auch in der Landesregierung. Nach Rundblick-Informationen arbeitet das Kultusministerium an einer entsprechenden Gesetzesänderung. Diese müsste recht bald auf den Weg gebracht werden, damit der Landtag noch in dieser Wahlperiode die nötigen Beschlüsse fassen kann. Eine Sprecherin von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) sagte, das Ministerium prüfe derzeit, ob das Schulgesetz eine klarere Formulierung benötigt, damit die Rechtslage noch deutlicher wird. Diese Prüfung sei aber „noch nicht abgeschlossen“.

Bisher sind im Niedersächsischen Schulgesetz, Paragraph 58, sehr allgemein die „Aufgaben und Pflichten der Schüler“ genannt. In einem dazu passenden Erlass wird auf den Schulfrieden abgehoben, der nicht gefährdet werden dürfe. Aber es gibt Zweifel, ob diese Bestimmung tatsächlich ausreichend ist, um die Verschleierung von Schülern zu unterbinden. Im Fall des Mädchens aus Belm wird die Vorschrift nicht angewandt, weil die Schule den Nikab drei Jahre lang unwidersprochen hingenommen hatte – und eine Störung des Schulfriedens nicht festgestellt wurde. Damit wurde ein Zustand toleriert, der eigentlich verhindert werden sollte. Nun hat die FDP vorgeschlagen, sich dem Vorbild des bayerischen Schulgesetzes zu nähern. Dort wird vorgegeben, die Schüler müssten „alles unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung der von ihnen besuchten Schule oder einer anderen Schule stören“ könnte. Ob sich Rot-Grün dieser Empfehlung annähert und den Begriff der „Ordnung“ einführt, ist aber fraglich. Schließlich ist die Koalition gerade dabei, aus dem Polizeigesetz den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ zu tilgen. Man kann auch bezweifeln, dass allein der Verweis auf die Ordnung ausreichend wäre – wenn nämlich, wie in Belm geschehen, ein vollverschleiertes Mädchen ganz offensichtlich nicht zu einer Beunruhigung oder Störung im Unterricht führt.

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In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück von vergangenem August wird das Problem näher beschrieben – es geht um den Konflikt zwischen der Religionsfreiheit (sowohl der Nikab-tragenden Schülerin wie der Schüler, die sich dadurch womöglich gestört fühlen könnten) und dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Dies zu regeln, sei nicht Sache einer Verordnung, sondern müsse in einem Gesetz verankert werden, meinten die Osnabrücker Verwaltungsrichter. Sie untersagten dort einer Schülerin nur deshalb die Vollverschleierung, weil diese nicht überzeugend genug darlegen konnte, dass sie sich aus Glaubensgründen so kleidet. Mit dem Schulgesetz in der derzeitigen Fassung allein, so ihre Haltung, erreiche man den Verschleierungsverbot nicht. Wie aber könnte eine Reform aussehen? Der CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Thümler sagt, er wünsche sich eine Formulierung, die „noch deutlicher ist als die im FDP-Antrag“. Nicht nur die Schulen, auch die Gerichte sollten dabei berücksichtigt werden. Nachgedacht wird offenbar auch über eine Art Generalklausel, mit der auf die äußere Erscheinung von Schülern (oder Zeugen vor Gericht) abgehoben wird. So könnte im Schulgesetz festgelegt werden, dass jegliche Kleidung, die eine Vermittlung des Bildungsauftrags gefährdet, verboten ist. Einen Ansatzpunkt dazu gibt es, denn die Schulpflicht beinhaltet ja eine Verpflichtung zur Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern – und dazu gehört, sich in Mimik und Gestik ausdrücken zu müssen. Eine solche Formulierung wäre allerdings auch sehr mutig, weil man sie für eine religiöse Diskriminierung halten und dagegen dann wohl auch klagen könnte.