Die Protestwoche der Landwirte hatte am Donnerstag die Landeshauptstadt als Schwerpunkt. Seit dem frühen Morgen waren Traktoren aus allen Teilen des Landes unterwegs nach Hannover, in einer Sternfahrt positionierten sie sich auf den Straßenzügen rund um den Landtag. Dort begann am späten Vormittag eine zentrale Kundgebung, in der vor allem das Landvolk die Regie führte.

Der hannoversche Kreisvorsitzende Arnd von Hugo forderte die Teilnehmer zu Beginn auf, „auf jegliche Art von Unterwanderung zu verzichten“ und Versuche in diese Richtung den Ordnern oder der Polizei zu melden. Die Bauern duldeten solche Bemühungen bestimmter Organisationen nicht – deshalb seien auch parteipolitische Symbole oder Zeichen untersagt. Am Rande der Veranstaltung agierte auch eine kleine Organisation namens „Freie Bauern“, die als Forderungen auch „Schluss mit Green Deal“ und anderen EU-Programmen vertrat, ebenso die Rücknahme aller Pflanzenschutz- und Düngeregeln und eine „Aufkündigung von Freihandelsabkommen und zollfreien Importen“. Andere Teilnehmer der Kundgebung verteilten kleine Aufkleber an die Menge mit der Botschaft „Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch spricht zu den Landwirten in Hannover. | Foto: Kleinwächter

Während die Vertreter der Landespolitik vorwiegend als Zuhörer agierten, wurden drei Vertreter der Ampel-Parteien aus dem Bundestag auch für Redebeiträge eingeladen, so der Vize-Fraktionschef der SPD im Bundestag, Matthias Miersch, der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen. Miersch zeigte Verständnis für den Wunsch der Landwirte nach Planungssicherheit und Verlässlichkeit, er warb vehement für einen intensiveren Meinungsaustausch zwischen Politik und Landwirtschaft, woraufhin ihm Zwischenrufe nach „Neuwahlen“ entgegenschallten.

Vertreter der Ampelparteien mussten sich einiges anhören. | Foto: Kleinwächter

Michaelsen plädierte ebenfalls für einen Kompromiss und mahnte die Einführung einer Tierwohl-Abgabe an, nur so könnten jährlich bundesweit bis zu 6 Milliarden Euro für die Förderung des Stall-Umbaus von Tierhaltern finanziert werden. Die FDP sei es, die hier nötige Schritte „blockiert“, da sie höhere Steuern oder Abgaben vehement ablehne. Sie erntete von den Zuhörern einige Widerworte. Der Co-Kreisvorsitzende des hannoverschen Landvolks, Volker Hahn, hielt in seiner Rede dem Bundesfinanzminister Christian Lindner vor, „Lügen“ über die Lage der Landwirte verbreitet und so den Protest noch angestachelt zu haben.

Die Rede von Dürr wurde anfangs mit Buh-Rufen quittiert, verlief dann aber ruhig – nachdem Dürr einräumte, dass die Politiker bisher den Dialog mit den Bauernverbänden vernachlässigt hätten. Während der Kundgebung waren Versuche von AfD-Politikern aufgefallen, auf die Rednerliste zu gelangen. Das war aber mit Hinweis darauf abgelehnt worden, dass nur Vertreter der Ampel-Regierung sprechen und notfalls auch Widerworte ertragen sollten.

Mehrere Politiker nahmen gegenüber Bauern-Vertretern und Journalisten zu der aktuellen Politik Stellung. Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) kritisierte die Marktmacht des Lebensmittel-Einzelhandels, darauf könne man mit dem Kartellrecht reagieren (Zerschlagung großer Konzerne) oder auch mit Mindest-Vorgaben. In Spanien etwa werde festgelegt, dass der im Einzelhandel angebotene Preis für Agrarprodukte nie unter dem Produktionspreis liegen dürfe. Wichtig sei es auch, dass in den Verhandlungen zwischen Milchbauern und den Molkereien die Position der Bauern verstärkt werde.

Miriam Staudte sucht auf dem Platz der Göttinger Sieben das Gespräch mit den Demonstranten. | Foto: Kleinwächter

SPD-Fraktionsvize Miersch verwies auf ein Spitzengespräch von Vertretern der Bundestagsfraktionen SPD, Grüne und FDP mit mehreren Bauernverbänden am Montag, nach dem Ende der Protestwoche der Landwirte. Dabei geht es auch um die Ratschläge der sogenannten Borchert-Kommission, die im vergangenen Jahr frustriert aufgegeben hatte. Sie hatte Thesen – etwa zur Reform der Tierhaltung – entwickelt. Auf einen Plan zur wenigstens schrittweise Umsetzung dieser Empfehlungen allerdings hatte sich die Bundesregierung bisher nicht durchringen können. Bei Miersch und Michaelsen war erkennbar, dass sie hier neue Schritte unternehmen wollen.