Wollte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) den Import von pestizidhaltigen Nahrungsmitteln erleichtern? Diese Frage war gestern Thema im niedersächsischen Landtag, nachdem die Tageszeitung („taz“) über entsprechende Pläne berichtet hatte. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth wollte wissen, ob auf diesem Wege Lebensmittel nach Deutschland gelangen, bei denen Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden, die in der EU verboten sind.

„In Verbindung mit dem bisherigen Verfahren sind für die heimische Landwirtschaft keine Nachteile bekannt geworden“, sagt Agrarministerin Barbara Otte-Kinast – Foto: ML

Vordergründig ging es in der Debatte um die öffentliche Gesundheit. Doch ebenso wichtig war im Landtag die Frage, ob aus diesen Bestimmungen Wettbewerbsnachteile für die hiesige Landwirtschaft entstehen können. Guth kritisierte, dass die Landwirte mit „willkürlich festgelegten Grenzwerten“ aus Brüssel gegängelt würden, während zeitgleich die Märkte geöffnet werden. „Es ist keinem Bauern mehr zu erklären, warum er sich an Brüsseler Vorgaben halten muss.“ Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) stellte hinsichtlich der ersten Frage klar: „Der Schutz der öffentlichen Gesundheit steht nicht zur Disposition.“

Denn bislang sei es so, dass im Ausland zwar Lebensmittel mit anderen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden können. Bevor diese aber in die EU importiert werden dürfen, müssten die Hersteller eine sogenannte Höchstgehaltsfestsetzung beantragen. Diese werde dann von der EU für jeden Einzelfall überprüft und erst dann genehmigt, wenn diese „nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu keiner Gefährdung führen können“, erläuterte Otte-Kinast vor dem Parlament.

Es ist keinem Bauern mehr zu erklären, warum er sich an Brüsseler Vorgaben halten muss.

Bisher wurden solche Genehmigungen aufgrund der Risikobewertung offenbar noch nie erteilt, weshalb Bundesagrarministerin Klöckner angeblich eine Lockerung der Regelung angestrebt haben soll. Das Bundesagrarministerium widersprach allerdings dieser Darstellung. Frank Schmädeke von der CDU-Fraktion kritisierte gestern im Landtag dementsprechend die vermeintlich fehlerhafte Berichterstattung.

Karin Logemann, agrarpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, wertete dies wohlwollender als Kommunikationspanne des Agrarministeriums. Miriam Staudte von den Grünen hingegen sieht den Vorgang kritischer und mutmaßte, Klöckner habe sehr wohl eine Lockerung erreichen wollen, sei aber zurückgerudert, nachdem sie ertappt worden sei. Die Grünen sehen in Bundesagrarministerin Klöckner eine Komplizin der Chemielobby und fordern daher ein Lobbyregister, um derartige Verstrickungen öffentlich sichtbar machen zu können.

CDU befürchtet zu strenge Regeln

Würde eine solche Lockerung bei den Importregeln nun aber die hiesige Landwirtschaft bedrohen? Miriam Staudte von den Grünen und Hermann Grupe, Agrarpolitiker der FDP-Fraktion, sehen das als erwiesen an. In der CDU-Fraktion macht man sich eher Sorgen, dass Deutschland seine Stellung als Agrarimport- sowie Agrarexport-Weltmeister einbüßen könnte, sollten zu strenge Regeln gelten. Agrarministerin Otte-Kinast erklärte dazu: „In Verbindung mit dem bisherigen Verfahren sind für die heimische Landwirtschaft keine Nachteile bekannt geworden. Solche werden auch seitens der Landesregierung nicht gesehen.“

Denn schließlich orientiere sich die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auch jetzt schon und auch innerhalb der EU an den klimatischen und pflanzenbaulichen Gegebenheiten. Es ist demnach wohl so, dass die EU in drei Zonen eingeteilt wird – Norden, Mitte, Süden – in denen unterschiedliche Pflanzen zu unterschiedlichen Bedingungen angebaut werden und in denen deshalb auch unterschiedliche Pestizide eingesetzt werden dürfen. Gleiches gelte weltweit, erklärte die Agrarministerin. Sie sehe deshalb keine Verzerrung, weil hauptsächlich Südfrüchte wie Bananen oder Kiwis nach Deutschland importiert werden, die hier gar nicht wachsen würden.

Die Produzenten im Ausland stünden also gar nicht in direkter Konkurrenz zu niedersächsischen Landwirten. Grupe verwies dabei aber auf Kirschen, die auch in Deutschland wachsen aber aus der Türkei importiert werden, nachdem sie dort unter Zuhilfenahme von hierzulande verbotenen Pestiziden produziert wurden. Seiner Ansicht nach werde hier mit zweierlei Maß gemessen. Während innerhalb der EU eine Null-Toleranz bei bestimmten Pflanzenschutzmitteln gelte, würden bei Importen weniger strenge Grenzwert-Regelungen eingeräumt. Er forderte, dass entweder auch beim Import die gleichen restriktiven Regelungen gelten sollen, oder – weil das wohl nicht durchzuhalten sei – die Nachteile für die deutsche Landwirtschaft finanziell ausgeglichen werden müssen.