Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, ist kein ausgewiesener Anhänger des Bildungsföderalismus. Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern ist ihm ein Dorn im Auge. „Bildungspolitik aus einem Guss“, fordert Kramer gerne, und in einem BDA-Papier zum Thema „Bildung 2030“ ist zu lesen: „Die föderalen Strukturen in Deutschland bedeuten Einheit in Vielfalt und sind deshalb auch in der Bildung kein Freibrief für trennende Kleinstaaterei.“ Man wolle aber selbstverständlich nicht die Zuständigkeit der Länder in der Bildung infrage stellen. Der Vorstandsvorsitzende von Continental, Elmar Degenhart, ging kürzlich bei einer Veranstaltung der Unternehmerverbände Niedersachsen im hannoverschen Schloss Herrenhausen deutlich weiter und holte zu einer Generalabrechnung mit der deutschen Bildungspolitik aus. Sie sei nicht mehr „state oft the art“, sagte der Spitzenmanager. Deutschland spiele hier nicht in der ersten Liga. „Wir müssen uns fragen, ob wir uns einen Föderalismus im Bildungssystem erlauben können“, dachte Degenhart laut.

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Sollte man in der Bildungspolitik mehr Zentralismus wagen? In der Politik stoßen diese Gedanken der deutschen Wirtschaft auf taube Ohren. „Es kann meiner Meinung nicht darum gehen, den Bildungsföderalismus auszuhebeln. Ein Bundesschulamt brauchen wir nicht. Zentralisieren heißt nicht besser machen“, sagt Kultusministerin Frauke Heiligenstadt im Gespräch mit dem Rundblick. Es gebe zu Recht länderspezifische Ausprägungen und Unterschiede in der Bildungs- und Schullandschaft. „Es sollte nicht vergessen werden, dass diese Vielfalt Deutschland auch stark gemacht hat – es gibt große Chancen, voneinander zu lernen und nicht immer das Rad neu zu erfinden, wenn sich bestimmte Konzepte bewährt haben“, so die Ministerin. Sie sieht aber auch neue Anforderungen an das Bildungssystem, die sich ohne den Bund gar nicht finanzieren ließen. Frühkindliche Bildung, Inklusion, Digitalisierung – dafür braucht es mehr Geld, das durch die sprudelnden Steuereinnahmen auch vorhanden sei. „Mehr Geld vom Bund für Bildung und gleichzeitig Kulturhoheit der Länder bei den inhaltlichen Details“, so bringt Heiligenstadt ihre Forderung auf den Punkt.

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Auch Kai Seefried, Bildungsexperte in der niedersächsischen CDU-Fraktion, sieht den Bund künftig stärker in der Pflicht.  „Wir werden mehr Kooperationen mit dem Bund benötigen, um die Aufgaben bewältigen zu können“, sagt Seefried, will aber ebenfalls nicht, dass über Bildungspolitik von morgen an nur noch in Berlin entschieden wird. „Die Forderung regt für den schnellen Applaus an, aber am Ende kann es der Bund nicht besser.“ Nötig sei aber durchaus eine stärkere Kooperation der Länder. „Die Zusammenarbeit ist eindeutig verbesserungsbedürftig. Die Chancen der Kultusministerkonferenz werden nicht ausgenutzt“, meint Seefried.

https://soundcloud.com/user-385595761/hat-bildungsfoderalismus-zukunft-das-meint-christian-lindner

Als „Schmonzette“ bezeichnet der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eberhard Brandt, die Idee einer stärkeren Zentralisierung. „Schulpolitik als Bundessache will niemand wirklich“, meint er. Schließlich seien die Länder am Thema viel näher dran, im Bund wäre die Bildungspolitik dagegen nur ein Thema von vielen. Brandt verweist zudem auf die kulturellen Unterschiede in den Ländern, vor allem zwischen Nord und Süd. In Bayern habe man eine ganz andere Auffassung von Schule als in Niedersachsen. „Dort setzt man auf Faktenwissen und Pauken und ist stolz darauf. Bayern produziert dadurch aber sehr wenige Abiturienten und füllt dann seine Universitäten mit niedersächsischen Abiturienten“, stichelt der GEW-Vorsitzende.

Manfred Busch, Vorsitzender des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte, kann den Ärger über die großen Unterschiede zwischen den Ländern gut nachvollziehen. „Es ist schon schwer vermittelbar, warum jedes Land die Bildung so gestalten kann, wie es gerade will“, meint Busch und fordert mehr und bessere Absprachen zwischen den Ländern. Es brauche ein starkes zentralistisches Instrument, allein eine Übertragung an den Bund werde aber keine Probleme lösen. Busch bezeichnet die Forderungen als deutliches Signal an die Kultusministerkonferenz. „Sie müssen öfter zusammensitzen und auch Nägel mit Köpfen machen und sich nicht nur immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.“

Auch in der Politik auf Bundesebene findet die Forderung aus der Wirtschaft nicht nur Freunde. „Es ist sicherlich nicht besser, wenn der Bund alles macht“, sagt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner im Gespräch mit dem Rundblick. „Wir brauchen einen Rahmen der Vergleichbarkeit, der auch die Mobilität zwischen den Ländern verbessert. Eltern sollten sich bei einem Umzug keine Sorgen um die Schulbildung ihrer Kinder machen müssen.“ Darüber hinaus sollte möglichst viel vor Ort in der einzelnen Schule und in der einzelnen Kommune entschieden werden. „Die wissen, wo der Schuh drückt.“ Das Rezept lautet also ein bisschen Zentralismus und ganz viel Kommunales. Das ergibt am Ende allerdings nicht unbedingt den Bildungsföderalismus, wie man ihn kannte. (MB.)