Die Interschutz 2022 ist am Montag in Hannover gestartet. | Foto: Link

Mit der „Interschutz 2022“ ist am Montag das weltweit größte Zusammentreffen der Blaulicht-Szene in Hannover gestartet. Mehr als 1300 Aussteller aus 52 Ländern werden bis einschließlich Sonnabend die neuesten Trends und Technologien aus dem Rettungs- und Sicherheitswesen zeigen. „Mehr Knowhow ist weltweit nicht zu finden“, sagt Innenminister Boris Pistorius zur Eröffnung. Der SPD-Politiker kündigt an, die Messe jeden Tag besuchen zu wollen, um sich mit den wichtigsten Akteuren den Bereichen Feuerwehr, Rettungswesen, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie Sicherheit austauschen zu wollen.

Alle wichtigen Vereine, Verbände, Unternehmen und Branchenvereinigungen sind vor Ort. „Vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Angriffs Putins auf die Ukraine, aber auch angesichts des Klimawandels ist der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz noch einmal wichtiger für uns alle geworden“, sagt Pistorius. Die Große Koalition in Niedersachsen habe deswegen ein 40-Millionen-Euro-Paket zur Stärkung des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes beschlossen. „Es wird in diesem ersten Schritt insbesondere darum gehen, in Fahrzeuge, Satellitenkommunikation oder Notstromaggregate zu investieren“, so der Innenminister.

Boris Pistorius sitzt Probe auf dem Quad des DRK-Kreisverbands Helmstedt, aber Reinhold Hilbers drängelt schon. | Foto: Kerstin Hiller/DRK

Während sich das Kabinett im Schnelldurchlauf einen ersten Überblick über die Messethemen verschafft, nimmt sich der frühere Innenminister Uwe Schünemann (CDU) viel Zeit für seinen ersten Interschutz-Rundgang seit sieben Jahren. „Schon die ersten Stunden haben für mich gezeigt, dass wir in Zukunft ganz neue Möglichkeiten im Rettungswesen und im Katastrophenschutz haben werden. Der Innovationsschub ist faszinierend, bedeutet aber auch, dass wir viel Geld in die Hand nehmen müssen“, sagt Schünemann. Er sieht die Herausforderung für die Politik darin, auf die gestiegenen Bedarfe der Hilfsorganisationen angemessen zu reagieren und die Retter so schnell wie möglich mit der modernen Ausrüstung zu versorgen – seien es Unterwasserdrohnen für das DLRG, Flugdrohnen für die Sanitätsdienste oder Löschroboter für die Feuerwehr.

Die Feuerwehr aus dem Landkreis Vechta hat mit dem taktischen Einsatzroboter „Wolf R1“ bereits gute Erfahrungen gemacht. „Bei großer Hitzeentwicklung ist es ein sehr großer Vorteil, dass wir den Roboter vorschicken können, um uns selbst zu schützen“, sagt Oberfeuerwehrfrau Marlen Kröger. Das ferngesteuerte Kettenfahrzeug mit Elektroantrieb hat sich nicht nur bei Vegetations- und Moorbränden bewährt, sondern auch vor ein paar Wochen bei einem riesigen Lagerhallenbrand im Industriegebiet der Gemeinde Bakum.

Marlen Kröger von der Feuerwehr Lohne zeigt Uwe Schünemann eine Einsatzdrohne, die mit dem Tacticnet gesteuert werden kann. | Foto: Link

Dass ausgerechnet die Feuerwehr Vechta diese fortschrittliche Technologie schon seit zwei Jahren im Einsatz hat, ist kein Zufall: In der 33.000-Einwohner-Stadt hat die Herstellerfirma Alpha Robotics ihren Stammsitz, die ihren Roboter zusammen mit den Brandbekämpfern vor Ort weiterentwickelt. „Die Steuerung ist auch absolut kein Hexenwerk, die Fernbedienung ist eigentlich selbsterklärend“, sagt Kröger. Der Roboter kann auch mithilfe eines speziellen Löschfahrzeugs an den Einsatzort gebracht werden, das gleichzeitig auch als Einsatzzentrale für das „Tacticnet“ von Fahrzeughersteller Magirus fungiert, mit dem der Roboter gesteuert werden können.

Armin Müller vom DRK-Kreisverband Peine stellt den Einsatzleitwagen vor. | Foto: Link

Mit so viel Hightech kann das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Niedersachsen nicht aufwarten. Die Rettungskräfte zeigen dafür an ihrem Gemeinschaftsstand viele Best-Praxis-Beispiele aus dem Einsatzgeschehen. Der Kreisverband Hannover präsentiert seinen Behandlungscontainer, der innerhalb von nur fünf Minuten aufgebaut werden kann und eine mobile Arztpraxis mit allem Schnickschnack und sogar vier Beatmungsplätzen darstellt. „Der ist einmalig, den gibt es nicht von der Stange“, sagt der hannoversche DRK-Regionschef Anton Verschaeren stolz. Ein Unikat ist auch der Einsatzleitwagen aus Peine. „Wir haben alles selbst konzipiert, alles wurde auf uns abgestimmt“, erzählt Besatzungsmitglied Armin Weber und verrät: „Wir haben hier ein Crafter-Fahrgestell mit einer zusätzlichen Achse. Der Wagen wiegt deswegen unter 7,5 Tonnen und lässt sich auch mit kleinem Führerschein fahren.“ Der Elektro-Rettungswagen des DRK Borkum ist zwar nicht mehr die neueste Errungenschaft, aber landesweit immer noch außergewöhnlich.

Ralf Selbach (von links), Tarek von Rönn, Anton Verschaeren und Steven Mahler zusammen mit einer Drohne der Drohnenstaffel Bremervörde. | Foto: Link

Und auch die Drohnenstaffel aus Bremervörde kann sich sehen lassen. „Seit Mai 2021 haben wir 19 Einsätze gehabt, darunter neun Personensuchen. Sieben Mal wurde die vermisste Person durch unsere Drohne gefunden“, sagt Staffelleiter Steven Mahler. Auch DRK-Landesgeschäftsführer Ralf Selbach ist von dem unbemannten Luftfahrzeug begeistert. „Das ist ein starkes Teil mit einer Tragkraft von neun Kilo. Man kann auch einen Lautsprecher draufsetzen und dann eine Warndurchsage machen. Die Funktionalitäten sind gewaltig“, schwärmt Selbach und ist gespannt, welche neuen Inspirationen die DRK-Mitglieder auf der Interschutz aufschnappen werden. „Die kommen nachher mit 1000 guten Ideen zurück und machen dann ihre Geschäftsführer verrückt“, sagt Selbach und lacht. Der DRK-Landeschef freut sich auch über das diesjährige Leitthema „Vernetzung“, das für ihn auch angesichts der gestiegenen Anforderungen von ganz besonderer Bedeutung ist. „Früher machte beim Bevölkerungsschutz jeder sein Ding. Jetzt ist Kooperation das große Thema, jeder muss seine Spezialitäten einbringen. Dabei brauchen wir das Ehrenamt als Rückgrat“, sagt Selbach.