Die Diakonie in Niedersachsen sorgt sich um die Zukunft der Jugendwerkstätten im Land. Die Werkstätten, die junge Menschen betriebsnah an eine Ausbildung oder eine Arbeit heranführen, werden in großem Maß durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Die Förderung läuft allerdings Ende 2020 aus. Danach dürften die ESF-Mittel durch den Brexit voraussichtlich erheblich schrumpfen, befürchtet Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der niedersächsischen Diakonie.

Das Geld könnte dann den insgesamt 97 Jugendwerkstätten im Land fehlen, die sich etwa 6000 Jugendlichen pro Jahr annehmen. Die Diakonie betreibt etwa ein Fünftel davon. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU heißt es zwar, Jugendwerkstätten und Pro-Aktiv-Centren hätten „auch in der nächsten EU-Förderperiode ab 2020 Priorität“. Verlassen will man sich bei der Diakonie darauf aber lieber nicht, zumal niemand weiß, wieviel Geld am Ende im ESF-Topf insgesamt zur Verfügung stehen wird. Lenke wäre deshalb am liebsten, wenn die Förderung der Jugendwerkstätten verlässlich in die Landesförderung übernommen wird. Derzeit zahlt das Land jedes Jahr 16,5 Millionen Euro. Würde es die Förderung komplett übernehmen kämen noch einmal 15,2 Millionen Euro Pro Jahr hinzu, die derzeit aus ESF-Mitteln finanziert werden. Die Kommunen zahlen pro Jahr etwa 1,5 Millionen. Die Diakonie beteiligt sich bei den von ihr betriebenen Jugendwerkstätten mit jährlich 550.000 Euro. In der Diakonie befürchtet man, dass weniger Geld für die Jugendwerkstätten weniger Standorte in den Städten als vielmehr in der Fläche gefährden könnte.

Wir brauchen vom Land eine Zusage zur Finanzierung, damit die Träger wissen, dass es weitergeht und die Mitarbeiter wissen, dass sie ihren Job behalten.

Hans-Joachim Lenke

Jugendwerkstätten würden bereits seit Jahrzehnten als Projekt finanziert, kritisiert Lenke. „Das ist schon etwas schräg. Eigentlich sollte ein Projekt doch ein Anfang und eine Ende haben.“ Er wünscht sich eine verlässlichere Perspektive – auch für die Mitarbeiter. Es sei schon heute aufgrund der Zeitverträge für die Träger schwierig, Sozialpädagogen zu finden. Auch hier gebe es inzwischen einen Arbeitnehmermarkt. Sozialpädagogen könnten sich ihre Stelle in einer großen Anzahl von Angeboten aussuchen. Durch die unklare mittelfristige Finanzierung drohten die Jugendwerkstätten erfahrene Mitarbeiter zu verlieren. „Wir brauchen vom Land eine Zusage zur Finanzierung, damit die Träger wissen, dass es weitergeht und die Mitarbeiter wissen, dass sie ihren Job behalten“, so Lenke.

Wichtig sei auch, dass die Finanzierung direkt nach Ende der Förderperiode gesichert sei. Die Jugendwerkstätten hätten keine großen finanziellen Ressourcen und seien nicht in der Lage, ein halbes Jahr zu überbrücken. Lenke bezeichnete die Jugendwerkstätten als wichtigen Baustein in der Jugendhilfe. „Damit können Jugendliche an den Arbeitsmarkt herangeführt werden, womit ein normaler Ausbildungsbetrieb heillos überfordert ist. Für die Gruppe junger Menschen, die auf die Jugendhilfe angewiesen sei, gebe es keine Alternative. Sandra Heuer, Leiterin einer Jugendwerkstatt, empfahl, auch die langfristigen Kosten im Auge zu behalten. „Wer mit 20 Jahren aus dem System raus ist, kommt mit 40 nicht wieder in das System hinein. Das sind Kosten, die man auch beachten muss.“

SPD wünscht sich Konzepte zur langfristigen Finanzierung

Für die SPD-Abgeordnete Immacolata Glosemeyer ist klar, dass die Jugendwerkstätten auch ab dem 1. Januar 2021 weiter finanziert werden sollen. Priorität müsse dabei weiterhin sein, die Jugendwerkstätten über EU-Mittel zu finanzieren. Sollte das Geld daraus nicht mehr ausreichen, müsse eine zusätzliche Finanzierung über Bundes- oder Landesmittel geprüft werden, sagte Glosemeyer im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Man müsse sich Gedanken darüber machen, wie man über gute Konzepte die Arbeit der Jugendwerkstätten erhalten könne. Eine Möglichkeit, über die diskutiert werden könne, sei, Jugendwerkstätten und Pro-Aktiv-Zentren zusammenzufassen. In den Pro-Aktiv-Zentren werden  benachteiligte junger Menschen individuell unterstützt.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel bezeichnete die Jugendwerkstätten als unverzichtbar. „Die Finanzierung muss langfristig durch das Land abgesichert werden, sollte es tatsächlich zu einer Kürzung der ESF-Mittel kommen“, sagte Piel dem Rundblick. Es müsse sich allerdings in den kommenden Monaten erst noch zeigen, wie sich der Brexit auf die Verteilung der ESF-Mittel und damit auch auf die Finanzierung der Jugendwerkstätten auswirken werde.