In einer sehr hektischen, aufgeregten Landtagssitzung hat die rot-grüne Koalition am Mittwoch den zweiten Nachtragshaushaltsplan beschlossen. Damit fließen nun Mittel für die Flüchtlingsunterbringung, für die Verstetigung der Sprachförderung und für höhere Zulagen für Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Auch die Schulgeldfreiheit für medizinische Berufe wird eingeführt. CDU und AfD stimmten gegen die Vorlage – und die CDU versuchte zu Beginn der Plenarsitzung, eine Vertagung der Entscheidung auf das Juni-Plenum durchzusetzen, alternativ auf ein Sonder-Plenum im Mai.

Sebastian Lechner spricht im Mai-Plenum. | Foto: Kleinwächter
Sebastian Lechner spricht im Mai-Plenum. | Foto: Kleinwächter

Zur Begründung sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Carina Hermann, dass die unabhängigen Landtagsjuristen massive rechtliche Bedenken geäußert hätten und die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht als gegeben angesehen werden könne. Der Grund liege darin, dass die Landtagsabgeordneten keine ausreichende Zeit gehabt hätten, die Änderungsanträge der Fraktionen von SPD und Grünen zum Haushaltsbegleitgesetz zu beraten. Auch die Landtagsjuristen selbst hatten vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass sie die Vorschläge von Rot-Grün nicht ausreichend hätten prüfen können. Teilweise eine Woche vor der Schlussberatung im Haushaltsausschuss, teilweise dann erst zwei Tage davor hatten SPD und Grüne ihre letzten Initiativen eingereicht. Gegen ein solches Vorgehen habe das Bundesverfassungsgericht massive Bedenken geäußert, erklärten die Landtagsjuristen, denn eine sachlich überzeugende Begründung für das eilige Vorgehen gebe es nicht – sie wäre aber nötig gewesen.

„Wenn es nicht hilft, was wir hier sagen – dann wird es später womöglich der Staatsgerichtshof tun.“

Sebastian Lechner

„Sie hätten viel Zeit gehabt, sich intern abzustimmen und einen wohl überlegten, durchgerechneten und vor allem verfassungskonform beratenen Nachtragshaushaltsplan vorzulegen. Stattdessen haben Sie entschieden, in letzter Sekunde überhaupt erst mit der Arbeit zu beginnen und damit die Menschen in diesem Land, die Kommunen und die Abgeordneten des Parlaments an der Ausübung ihrer verbrieften Rechte zu hindern. Das ist nicht nur handwerklich schlechtes Regierungshandeln, sondern auch verfassungswidrig“, betonte Hermann. CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner sagte später: „Wenn es nicht hilft, was wir hier sagen – dann wird es später womöglich der Staatsgerichtshof tun.“ Das kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die CDU-Fraktion gegen den Nachtragshaushaltsplan und das Haushaltsbegleitgesetz den Klageweg nach Bückeburg beschreiten will.

Koalition verteidigt Anträge als „formal überschaubar und nicht komplex“

Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wiard Siebels wies die von der CDU ausgeführten Bedenken, die auf der Position der Landtagsjuristen beruhen, zurück: Die kurzfristig von Rot-Grün eingereichten Anträge beträfen nur minimale Änderungen, so die Frage, ob die Schulgeldfreiheit schrittweise oder in einem Schwung eingeführt werden soll. „Das ist ein Thema, das von allen Abgeordneten binnen Sekunden verarbeitet werden kann und keine lange Beratungsdauer erfordert.“ Volker Bajus (Grüne) sprach von einem „verzweifelten Versuch der CDU, den Nachtragshaushaltsplan formal schlecht zu reden“.

Wenn man das Vorgehen von Rot-Grün beispielsweise mit dem rot-schwarzen Landeshaushalt von 2018 vergleiche, dann falle auf, dass es für die Fraktionsanträge jetzt mehr Beratungszeit gegeben habe als damals – nur sei das seinerzeit nicht gerügt worden. Zur Beurteilung der Frage, wann die Kurzfristigkeit problematisch sein kann, müsse man Umfang, Komplexität, Dringlichkeit und Entscheidungsreife von Anträgen gewichten. Hier sei es ausschließlich um Themen gegangen, die schon längere Zeit vor den eigentlichen Änderungsanträgen öffentlich diskutiert worden seien. Die Anträge seien „formal überschaubar und nicht komplex“. Klaus Wichmann (AfD) teilte die Bedenken der CDU, lehnte es aber ab, das Anliegen formell zu unterstützen – da der Haushalt nicht zu spät beschlossen werden soll.


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Vor der eigentlichen Abstimmung über den Nachtragsetat gab es noch einen grundsätzlichen Schlagabtausch zur Finanzpolitik. CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner sagte, die Landesregierung lasse derzeit wichtige Signale vermissen. Die Forderung nach einem günstigen Strompreis für die deutsche Industrie werde schon seit einem Jahr vorgetragen – ohne dass sich die Bundesregierung bewege. Stephan Weil könne als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, als SPD-Präsidiumsmitglied und Mitglied des Bundesrates alles tun, die Forderung etwa über eine Sonder-MPK zu unterstützen. „Die Industrie braucht Ihre Hilfe jetzt, Herr Ministerpräsident, damit sie morgen nicht ins Ausland gehen muss. Aber Sie gucken untätig zu.“

SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne hielt der CDU vor, mit ihrem eigenen Änderungsantrag zum Nachtragsetat vollziehe sie einen finanzpolitischen Kurswechsel. „Der Kurs von Herrn Hilbers ist nicht mehr zu erkennen.“ So wollen die Christdemokraten die Lehrer-Mindestbesoldung von A13 schon im August dieses Jahres einführen, zudem ein Krankenhaus-Sondervermögen errichten, den Etat für Kindergärten aufstocken und den Kommunen mehr Geld überweisen. Wie Tonne und Andreas Hoffmann (Grüne) rügten, wolle die CDU für Konsumausgaben die Rücklagen für Investitionen antasten. Ulf Thiele (CDU) widersprach: „Wir setzen jetzt nur das Geld ein, das Sie im ersten Nachtragshaushaltsplan gebunkert haben und später in Wahljahren ausgeben wollten.“