Die Schockwellen der jüngsten Pisa-Studie haben am Mittwoch auch den niedersächsischen Landtag erreicht. CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner sagte in einer „aktuellen Stunde“ seiner Fraktion, die Ergebnisse hätten aufgezeigt, dass die Bildungslandschaft in alarmierender Verfassung sei. Was er vermisse, sei allerdings ein richtiger Aufschrei in der Gesellschaft. Er meinte, dass der Bildung nicht so viel Beachtung geschenkt werde, wie sie verdiene.

Christian Fühner (CDU) | Screenshot PlenarTV

Fühner fürchtet, dass im neuen Jahr wieder zum politischen Alltag zurückgekehrt werde und man versäume, nun die richtigen Schlüsse aus dem schlechten Abschneiden der deutschen Schüler bei der internationalen Studie zu ziehen. Für den CDU-Politiker steht derweil fest, was nun getan werden muss, um die Kurve der Bildungsstatistik wieder nach oben zu kriegen: Niedersachsen müsse in der Bildungspolitik die Notbremse ziehen, jedwede Experimente der rot-grünen Landesregierung gehörten gestoppt.

Konkret zählte er an dieser Stelle die Ansätze zur Vereinheitlichung der Lehrerausbildung, eine Stärkung des Gesamtschulsystems, die Zusammenlegung von Schulfächern und die Option zur Abschaffung des klassischen Schulnotensystems auf. All diese Maßnahmen sollten seiner Ansicht nach nicht in die Umsetzung kommen. Stattdessen solle der Fokus auf „das Herzstück von Bildung“ gesetzt werden: guter Unterricht. Dieser müsse zuerst einmal stattfinden, formulierte Fühner einen Seitenhieb auf die schlechte Unterrichtsversorgung.



Außerdem sollten die Verbesserung von Leistungen und Grundkompetenzen wieder in den Vordergrund gerückt werden. „Lesen, Rechnen, Schreiben müssen Priorität haben.“ Wenn 63 Prozent der befragten Schüler in der Pisa-Studie angeben, zuhause meistens kein Deutsch zu sprechen, müsse sich gesellschaftlich etwas ändern. „Die deutsche Sprache muss einen erhöhten Stellenwert bekommen“, sagte Fühner und ergänzte: „Wir brauchen einen verpflichtenden Kindergartenbesuch für alle Fünfjährigen mit eingeschränkten Sprachkenntnissen und eine intensivere Sprachförderung vor der Einschulung in die Grundschule.“

„Die Ergebnisse der Pisa-Studie sind ohne Zweifel besorgniserregend.“

Niedersachsens Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) bekannte: „Die Ergebnisse der Pisa-Studie sind ohne Zweifel besorgniserregend.“ Der Trend sei allerdings nicht neu. „Wir haben einen Leistungsabfall, der größer ist als in anderen Ländern. Klar ist: Wir müssen etwas tun“, sagte die Ministerin. Den von der CDU erhobenen Vorwurf der Ideologisierung in der niedersächsischen Bildungspolitik wies Hamburg allerdings mit Verweis auf die gleiche Ausrichtung etwa in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen, wo die CDU die jeweilige Regierung führt, zurück.

Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) | Screenshot PlenarTV

Für Niedersachsen erklärte Hamburg, dass der Fachkräftemangel ein Problem sei, die Landesregierung aber mit 69 Millionen Euro den Bereich des nicht-lehrenden Personals unterstützen werde. Künftig müsse es darum gehen, den Unterricht besser auf die Schüler auszurichten. Zu den eröffneten Freiräumen bei der Notengebung erhalte sie aus den Schulen positive Rückmeldungen, berichtete Hamburg. Ab dem neuen Schuljahr stärke man zudem die Grundschulen mit drei zusätzlichen Stunden in der Stundentafel. Mit dem Sozialindex, der im nächsten Jahr eingeführt wird, soll zudem der Einfluss des Elternhauses auf den Bildungserfolg abgemildert werden. Bei der Sprachförderung in Kindergärten und Grundschulen hebe sich Niedersachsen bereits positiv von anderen Ländern ab, so Hamburg.

Kirsikka Lansmann, Bildungspolitikerin der SPD, richtete den Blick auf Länder, die bei der Pisa-Studie besser abgeschnitten haben als Deutschland. In Singapur genieße das Lehrpersonal ein höheres Ansehen, deshalb sei auch die Unterrichtsversorgung eine bessere. Dass Niedersachsen die Lehrer-Besoldung nun in einem Schritt anheben wird, wertete die Sozialdemokratin als Zeichen der Wertschätzung. Eine Schulstrukturdebatte eröffnete Lansmann mit Blick auf Estland: Dort würden Schüler neun Jahre gemeinsam beschult, bevor sich diese weiter ausdifferenzierten. Kindergärten genössen dort zudem einen höheren Stellenwert und würden nicht nur als Orte der Aufbewahrung von Kindern verstanden, sondern als Orte der frühkindlichen Bildung. Estland und Finnland begönnen zudem später mit der Notengebung.

„Die Zahl der Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, steigt und steigt. Und das hat Auswirkungen.“

Harm Rykena (AfD) stellte die Migration als Hauptgrund für die Bildungsmisere in Deutschland heraus: „Die Zahl der Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, steigt und steigt. Und das hat Auswirkungen.“ Die Bundesregierung solle den Familiennachzug stoppen, so Rykena. In der Schule solle man sich wieder auf Leistung und Disziplin besinnen.

Grünen-Politikerin wirft CDU Spaltung vor

Lena Nzume (Grüne) wich vor der inhaltlichen Debatte zunächst auf eine Meta-Ebene aus und kritisierte den Titel des CDU-Antrags. Sie warf der Fraktion Populismus und Polarisierung vor und belehrte die Abgeordneten darüber, die Methode des „Othering“ anzuwenden, also gezielt zu spalten und ein Feindbild zu konstruieren. „Die CDU übernimmt die Sprache von Rechtspopulisten“, sagte sie und löste damit erhebliche Proteste seitens der Unionspolitiker aus.

Wirft der CDU Polarisierung vor: Kultuspolitikerin Lena Nzume (Grüne) | Screenshot PlenarTV

Als Nzume sich dann doch den Inhalten des Themas zuwandte, sprach sie sich gegen das meritokratische Bildungssystem aus, also gegen ein System, das auf Aufstieg durch Leistung setzt. Das Bildungssystem sei seit 20 Jahren von Migration überrascht, stellte sie fest, lehnte aber eine Differenzierung nach Migrationshintergrund ab: Sprachförderung sei nicht nur für Migranten und Flüchtlinge wichtig, sondern für alle.