Während Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) gestern die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung für Niedersachsen vorstellte und dabei die Politik auf einen langsameren Anstieg der Einnahmen einstimmte („Wir werden in Zukunft keine Spielräume mehr haben“), spitzt sich bundesweit die Debatte um eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen zu. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) brachte in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ eine neue Variante ins Spiel: Anstelle der Grundsteuer, mit der die Kommunen landwirtschaftliche Gebiete, Gewerbegebiete und Wohngrundstücke besteuern, könne es auch einen „Zuschlag zur Einkommensteuer“ geben.

Dies sei „sozial gerechter“, meinte Althusmann mit Verweis darauf, dass dann höhere Einkommen stärker herangezogen werden könnten. Hilbers sagte dazu, er hoffe weiter auf eine Verständigung zwischen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und den Landesregierungen, vor allem der Regierung des Freistaats Bayern. Der Entwurf von Scholz sieht vor, dass neben der Fläche auch der Wert des Grundstücks in die Besteuerung einfließen soll, dabei sollten auch die Miethöhen berechnet werden. Von CDU und CSU wird erwidert, eine aufwendige Wertermittlung schaffe ein „Bürokratiemonster“ mit tausenden zusätzlichen Stellen, die in den Finanzämtern tätig werden müssten. Daher müssten Grundstücksgröße und bauliche Ausnutzung des Grundstücks als Maßstäbe für die Steuer ausreichen.

CDU und CSU befürchten „Bürokratiemonster“

Eigentlich war bis Ostern schon mit einer Verständigung gerechnet worden, damit genügend Vorlauf bis zu einem Gesetzesbeschluss, der bis Ende 2019 nötig ist, bliebe. Doch beide Lager haben sich verhakt. Sollten Bundestag und Bundesrat bis Ende Dezember kein neues Gesetz beschlossen haben, so dürften die Kommunen von Anfang 2020 an keine Grundsteuer mehr erheben. Das würde Ausfälle in allen kommunalen Etats Niedersachsens von zusammen rund 1,4 Milliarden Euro bedeuten. Nun wird über zwei Ausweichmöglichkeiten diskutiert, nämlich eine „Öffnungsklausel“, die allen Ländern eigene Grundsteuer-Regeln erlauben würde, oder eben die Veränderung anderer Steuerarten für den Fall, dass eine Verständigung misslingt und keine Grundsteuer mehr kassiert werden kann. Den zweiten Fall hat Althusmann beschrieben, ohne viel konkreter zu werden.

Hilbers sagte, er setze auf die Einsicht von Scholz und neue Vorschläge, mit denen der bisherige Entwurf des Bundesfinanzministers erheblich vereinfacht werden kann. Priorität habe für ihn ein neues Bundesgesetz, auf das sich SPD, CDU und CSU verständigen könnten. Sollte das aber nicht möglich sein, so müsse man „über andere Wege nachdenken“ – auch den von Althusmann empfohlenen Zuschlag für die Einkommensteuer, den die Kommunen selbst festlegen können. Das würde in etwa dem Hebesatzrecht bei der Grundsteuer entsprechen. Zu der Frage, wie schnell ein solches Modell entwickelt und in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden könnte, äußerten sich Althusmann und Hilbers allerdings nicht.

Das Politikkonzept der Großen Koalition, jedes Problem mit immer mehr Geld lösen zu wollen, ist an sein Ende gekommen.

Der niedersächsische Finanzminister präsentierte die Zahlen der erwarteten Steuerausfälle nach der jüngsten Steuerschätzung. Dabei sind auch Entlastungen eingerechnet, weil das Land wegen bundesweit eingeführter Steuerrechtsänderungen von 2020 an jährlich rund 400 Millionen Euro zusätzlich in seiner Kasse verbuchen kann. Dies eingerechnet, bleiben die Ausfälle (wegen des Brexit und der internationalen Handelsbeschränkungen) gegenüber der bisherigen Steuerschätzung übersichtlich: minus 13 Millionen Euro 2020, minus 145 Millionen Euro 2021, minus 234 Millionen Euro 2022 und minus 452 Millionen Euro 2023. Hilbers sagte, angesichts dieser Zahlen sei eine „strikte Haushaltsdisziplin nötig“. Wer Mehrausgaben leisten wolle, müsse umschichten und woanders kürzen. Die Steuerschätzung erlaube noch keine Einführung eines Weihnachtsgeldes für Beamte oder eine Höherstufung aller Lehrer auf mindestens A13. Wie die Linie des Kabinetts dazu lauten werde, zeige sich nach der Haushaltsklausur am 30. Juni.

Stefan Wenzel (Grüne) kritisierte die Althusmann-Vorschläge zur Grundsteuer als „sozial ungerecht“, weil Immobilieneigentümer damit entlastet würden. Jan Arning vom Niedersächsischen Städtetag (NST) sagte, die Grundsteuer sei „die verlässlichste Einnahme der Kommunen“, man dürfe sie nicht für einen Zuschlag zur Einkommensteuer opfern. Christian Grascha (FDP) sagte: „Das Politikkonzept der Großen Koalition, jedes Problem mit immer mehr Geld lösen zu wollen, ist an sein Ende gekommen.“ Der DGB-Landesleiter Mehrdad Payandeh meinte, nach der Steuerschätzung blieben die Spielräume immer noch groß, es gebe gar keinen Grund für strikte Haushaltsdisziplin.


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