Jedes Jahr zum Auftakt der politischen Arbeit zieht sich die CDU-Führung in das Hotel „Forellenhof“ nahe Walsrode zurück, in fast ländlicher Abgeschiedenheit. „Das Kreuth des Nordens“, sagt der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann dazu – in Anspielung auf den früheren Tagungsort der CSU zu der Zeit, als noch die gesamte politische Aufmerksamkeit in der Republik auf Franz-Josef Strauß ausgerichtet war. Und wie alljährlich in Kreuth liegt auch diesmal in Walsrode Schnee, und das macht die Fernsehbilder von der Klausurtagung bei strahlendem Sonnenschein richtig attraktiv.

Die Niedersachsen-CDU will in diesem Jahr mit ihrem Treffen auffallen, stärker noch als in früheren Jahren. So hat sie sich mit Friedrich Merz einen Festredner ausgesucht, der auch nach seiner Niederlage im Streit um den CDU-Parteivorsitz seinen großen medialen Reiz nicht verloren hat. Außerdem mischen sich die niedersächsischen Christdemokraten mit zugespitzten Thesen in eine kontrovers geführte Debatte ein, nämlich die um die Diesel-Fahrverbote.

Bernd Althusmann und Friedrich Merz am Rande der Tagung – Foto: kw

„Innovation statt Verbotskultur“ heißt das Papier, und es lässt Deutlichkeit nicht vermissen. Zum Beispiel in der Frage der Fahrverbote, die manche Städte nach entsprechenden Gerichtsbeschlüssen wegen der zu hohen Stickoxid-Belastung verhängen müssen. Für den Fall, dass dies eine Stadt beabsichtige, wolle die CDU „mit aller Kraft“ gegensteuern: „Wir wollen dies mit geeigneten Alternativmaßnahmen unter allen Umständen verhindern.“ Geprüft werden müsse zudem, ob man für innerstädtische Lieferverkehre von Handwerkerfirmen Ausnahmen machen könne.

Soll also das Land womöglich per Weisung Nein sagen können, wenn die Stadt Hannover als Konsequenz aus einem Gerichtsurteil ein Fahrverbot verhängen will? So weit geht er Beschluss der CDU am Ende dann doch nicht. Es werden aber andere Forderungen erhoben: „Schnellstmöglich“ sollen die vorhandenen Luftmessstationen überprüft werden. Sämtliche Prüfpunkte in Deutschland sollten so konkret ausgestaltet werden, dass die laut EU-Verordnung vorgeschriebene Repräsentativität der Ergebnisse für ganze Wohnquartiere tatsächlich gewährleistet sei. Bei der Bewertung von Messergebnissen dürfe nicht nur auf den Straßenverkehr zurückgeschlossen werden – man müsse „auch andere Emissionsquellen einbeziehen“.

„Industrie darf nicht in die Knie gehen“

Anstelle von Fahrverboten, meint die CDU, sei ein „Moratorium“ ratsam. „Wer heute einen Diesel fährt und auf Politik und Hersteller vertraut hat, darf dafür nicht bestraft werden.“ Die CDU will „begleitende Maßnahmen“ beschleunigen – eine optimierte Verkehrssteuerung, umgerüstete kommunale Fahrzeugflotten, Leasing-Fahrräder für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und Carsharing-Konzepte für den kommunalen Verkehr. Außerdem warnt die CDU davor, die Nachteile etwa der Batterieproduktion für die Umwelt in der EU-internen Debatte auszublenden. Dies müsse in der Abwägung der Frage, ob Elektromobilität umweltfreundlicher sei als Verbrennungsmotoren, ebenfalls berücksichtigt werden. Man müsse „technologieoffen denken“, betonen die Christdemokraten.

Althusmann betonte in Walsrode, bei allen notwendigen Schritten zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten müsse beachtet werden, „dass unsere Industrie nicht in die Knie geht“. Ein Beispiel seien die Kohlendioxid-Grenzwerte, die bis zum 15. Februar von der EU festgelegt werden müssen. Der derzeit aktuelle Plan, die CO2-Absenkung um 35 Prozent festzuschreiben, bedrohe die Wirtschaft in Deutschland besonders. „Wenn das so kommt, können wir die gesamte Lastwagen-Produktion einstellen“, betont Althusmann. Das betreffe in Niedersachsen unter anderem auch den Volkswagenkonzern und die gesamte Zulieferbranche, betroffen seien „tausende Arbeitsplätze“ hierzulande. „Das betrifft uns massiv – und das ist nicht hinnehmbar. Wir brauchen auf EU-Ebene mehr Realismus“, hob Althusmann hervor.

Merz sieht sich als „Berater der CDU“

Der Ehrengast Friedrich Merz wollte öffentlich zu diesem Thema in Walsrode keinen Kommentar abgeben. Er zeigte sich bemüht, zur aktuellen Tagespolitik eine gewisse Distanz zu halten. Er sei „Berater der CDU“´, sagte Merz, wolle der neugewählten CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer beratend zur Seite stehen und sei mit ihr „im engen und regelmäßigen Kontakt“.

Seinen Rat wolle er gern anbieten, in die kommenden Wahlkämpfe aber möchte er sich nach eigenen Worten nicht einmischen. „Das ist Sache derer, die dort zur Wahl stehen.“ In seiner Rede vor den Funktionsträgern der Niedersachsen-CDU zog Merz den großen Bogen – von der wachsenden Rolle Chinas über die Vorzüge der Handelsfreiheit bis hin zur Tatsache, dass die USA trotz Donald Trump weiter als enge Bündnispartner, etwa „beim Schutz geistigen Eigentums“, von Deutschland gebraucht würden.

Die Niedersachsen-CDU verabschiedete den Ehrengast mit kräftigem Applaus. Mit festem Händedruck verabschiedeten sich Althusmann und Merz anschließend. Sie wollen sich bald wieder sehen. (kw)