Die CDU fährt ein schweres juristisches Geschütz auf Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) auf: Der Landtag solle eine „Ministeranklage“ nach Artikel 40 der Landesverfassung beschließen, damit der Staatsgerichtshof in Bückeburg über den Vorwurf der Amtseidverletzung entscheiden kann. Hintergrund ist der Streit über die Vollverschleierung einer Schülerin in Belm (Kreis Osnabrück). „Seit 5. September weiß die Ministerin, dass die Schülerin mit Nikab im Unterricht erscheint. Sie billigt damit einen fortgesetzten Rechtsbruch. Das Signal lautet: Der Staat wehrt sich nicht, wenn gegen Recht verstoßen wird. Damit hat Heiligenstadt ihren Amtseid verletzt, denn sie hat geschworen, das Recht zu wahren“, sagte der CDU-Abgeordnete Jens Nacke. Das Instrument der Ministeranklage, das bei einem späteren Erfolg vor Gericht die Amtsenthebung der Ministerin zur Folge hätte, benötigt die Zustimmung von zwei Dritteln des Landtags. Da SPD und Grüne sich gestern weigerten, das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung zu setzen, dürften sie später auch dem Antrag nicht zustimmen. Nacke sagte, er appelliere deshalb an Heiligenstadt, „von sich aus“ eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs zu erwirken in einer Art „Selbstreinigungsverfahren“. Diese Möglichkeit sieht Artikel 40 der Verfassung ebenfalls vor.

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Die 15-jährige Schülerin in Belm geht seit zwei Jahren vollverschleiert zur Schule, ohne dass die Schulleitung bisher daran etwas ändern konnte. Daraus leiten Juristen der Landesregierung die Auffassung ab, ein möglicher Schulverweis als Sanktion könne rechtlich erfolgreich angefochten werden – denn die Bestimmung im Schulgesetz besagt lediglich, es müsse „der Schulfrieden gestört“ sein. Eine solche Behauptung wäre aber anzuzweifeln, da die Vollverschleierung vorher jahrelang geduldet wurde. Gleichwohl hatte die Kultusministerin noch am Dienstag im Landtag erklärt, das Schulgesetz habe „ganz klare Regeln“ und ein Nikab habe in der Schule „nichts zu suchen“. Gleichzeitig erklärte sie aber, man müsse „gesetzliche Änderungen überlegen“.

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Im Landtag stieß die CDU-Initiative auf heftige Gegenwehr von Rot-Grün. Zwei Anträge auf Ministeranklage hatte es zuletzt zur Regierungszeit von Ministerpräsident Sigmar Gabriel gegeben, die sich gegen ihn, die frühere Sozialministerin Heidi Merk und den früheren Innenminister Heiner Bartling richteten. In der gestrigen Debatte sagte Grant Hendrik Tonne (SPD), die CDU veranstalte einen „Budenzauber“: „Sie schüren Ängste und stigmatisieren die Trägerinnen und Träger von Kopftüchern.“ Daraufhin sagte der CDU-Mann Nacke, es gehe eben nicht um Kopftücher, sondern um die Vollverschleierung, die „in unserer Gesellschaft nicht hinnehmbar ist, auch nicht aus religiösen Gründen, weil man bei uns sein Gesicht zeigen muss“. Helge Limburg (Grüne) sprach von einer „schwierigen Situation, auch für die Landesregierung“, und davon, dass der Schulalltag „viel differenzierter ist“. Die CDU solle aber aufhören, „der AfD hinterherzulaufen“. Björn Försterling (FDP) erwartet von der Klage eine „Klarstellung über die Rechtslage“, denn tatsächlich seien die gesetzlichen Vorgaben nicht eindeutig.

Das Schulgesetz legt in Paragraph 58 „die Aufgaben und Pflichten“ der Schüler fest, und ein dazu passender Erlass bestimmt, dass der „Schulfrieden nicht gefährdet“ werden darf. Wie Försterling dem Rundblick sagte, würde eine Änderung des Schulgesetzes mit einer Konkretisierung schon helfen – etwa nach bayerischem Vorbild. Dort wird Schülern vorgegeben, alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung in der Schule störe. Ein ausdrückliches Verbot der Vollverschleierung im Schulgesetz wird von Juristen aber als problematisch angesehen, da das Bundesverfassungsgericht darin einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit sehen könnte.