Alle reden über Corona. Deshalb fallen viele andere Themen unter den Tisch. Das Politikjournal Rundblick lässt Politiker zu jenen Themen zu Wort kommen, über die zurzeit niemand spricht. Der fünfte Teil unserer #AllesAusserCorona-Serie: Sylvia Bruns und die sexuelle Identität in der Verfassung.

Foto: nkw; FDP Nds

Nach der ersten Beratung ihres Antrags im niedersächsischen Landtag war Sylvia Bruns (FDP) zunächst ganz positiv gestimmt. Im Herbst 2019 hatten die Abgeordneten über verschiedene Vorschläge diskutiert, wie der dritte Artikel der Landesverfassung überarbeitet werden könnte. Doch nach einer wenig erfolgversprechenden Unterrichtung im Rechtsausschuss im Frühjahr 2020 fiel auch dieser Vorstoß der Corona-Krise zum Opfer. Momentan spricht da niemand mehr drüber.

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Die FDP möchte, dass in den Passus zum Diskriminierungsschutz zukünftig auch die sexuelle Identität mit aufgenommen wird. Aktuell heißt es dort noch: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Die Grünen hatten zeitgleich mit der FDP noch eine weitere Änderung empfohlen. Sie schlagen vor, den Begriff „Rasse“ zu streichen und stattdessen zu schreiben, dass niemand „rassistisch diskriminiert“ werden dürfe.

Das Argument, dass das ja alles schon geschützt ist, teile ich nicht.

Ist das nur Verfassungslyrik oder hat diese Änderung einen wirklichen Wert? Sylvia Bruns ist davon überzeugt, dass diese Änderung natürlich auch einen qualitativen Unterschied macht. Abgesehen von dem gesellschaftlichen Zeichen, das von dieser Verfassungsänderung ausgehen würde, sichere der erweiterte Diskriminierungsschutz auch lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen rechtlich weiter ab.

Dass die Verfassung zuvor bereits diese sexuelle Minderheit geschützt habe, sieht Bruns nicht so. „Das Argument, dass das ja alles schon geschützt ist, teile ich nicht“, sagt sie im Rundblick-Gespräch. Schließlich habe es in der Bundesrepublik trotz des Grundgesetzes und der Achtung der Menschenwürde noch jahrzehntelang eine Verfolgung und rechtliche Diskriminierung von Homosexuellen aufgrund eines nicht festgeschriebenen Sittengesetzes gegeben.

Obwohl es aus den Regierungsfraktionen zunächst positive Signale gegeben hatte, befürchtet die FDP-Politikerin nun, dass der Vorstoß doch abgelehnt werden könnte. Es gebe da ein Unbehagen, man wolle die Verfassung nicht überfrachten und es sei doch nur ein Randthema, das man ja nicht ausgerechnet jetzt behandeln müsse, skizziert Bruns die Skepsis der anderen. „Es betrifft vielleicht nicht viele, aber für die, die es betrifft, ist das wichtig“, sagt die Freidemokratin.

Zudem wäre Niedersachsen nicht allein mit dieser veränderten Verfassung: Etwa Brandenburg, Bremen, das Saarland, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben den Schutz der sexuellen Identität bereits in ihren Landesverfassungen. Im Bundesrat gibt es zugleich eine Initiative verschiedener Länder, die eine entsprechende Änderung des Artikel 3 auch im Grundgesetz vorsieht. Bruns wünschte sich, dass sich Niedersachsen gleich diesem Bündnis anschließt. Doch statt selber etwas zu tun, schaue die Landesregierung nur nach Berlin und warte ab, ob man dort etwas entscheidet.