Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Hamburg werden heute nicht nur den Koalitionsvertrag, sondern auch das neue Kabinett vorstellen. Nach Rundblick-Informationen sieht die neue Landesregierung von Stephan Weil folgendermaßen aus:

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Olaf Lies (55) übernimmt das Wirtschaftsministerium, das er schon zwischen 2013 und 2017 geführt hatte. In den vergangenen fünf Jahren war der Diplomingenieur für Elektrotechnik aus dem Kreis Friesland niedersächsischer Umweltminister. Lies ist ein Kommunikationstalent, strahlt Tatkraft aus und ist sehr stark vernetzt. Er war vor Stephan Weil SPD-Landesvorsitzender und unterlag dann im Wettstreit mit Weil um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2013. Jetzt ist er durch die Kabinettsneubildung gestärkt und dürfte derzeit der Nachfolge-Favorit für den Fall sein, dass Weil sich irgendwann zurückziehen sollte.

Daniela Behrens (54) bleibt Sozialministerin. Die Politikwissenschaftlerin aus dem Kreis Cuxhaven ist seit anderthalb Jahren im Landeskabinett, sie folgte im März 2021 auf die damals gesundheitsbedingt zurückgetretene Carola Reimann. Die frühere Journalistin gilt als Organisationstalent und durchsetzungsstark, sie startete ihre politische Laufbahn in der Regierung als Vertraute von Olaf Lies, deren Staatssekretärin sie zwischen 2013 und 2017 war.

Boris Pistorius (62) bleibt Innenminister und ist damit neben Weil der Minister im Kabinett, der sein Ressort am längsten geführt hat – im Frühjahr 2023 werden es zehn Jahre sein. Der Jurist Pistorius startete schon vor mehr als 30 Jahren im Innenministerium, damals als Büroleiter des Ministers Gerhard Glogowski. Dann wurde er Oberbürgermeister von Osnabrück und 2013 Landesminister. Pistorius‘ Versuch, vor drei Jahren Vorsitzender der SPD zu werden, blieb erfolglos. Ihm werden aber Ambitionen nachgesagt, bei einer möglichen Umbildung des Bundeskabinetts neuer Bundesminister zu werden.

Wiebke Osigus (41) wird neue Ministerin für Regionales, Bundes- und Europaangelegenheiten. Die Juristin und Rechtsanwältin aus Aurich, die in der Region Hannover lebt, kam 2017 in den Landtag und hat sich vor allem in der Enquetekommission gegen Kindesmissbrauch engagiert. Außerdem gehörte sie dem Innenausschuss an und war zuletzt Sprecherin für Verfassungsschutzfragen. Osigus gilt als ehrgeizig und leidenschaftlich, das Politikfeld der Regional-, Bundes- und Europapolitik ist für sie allerdings neu.



Kathrin Wahlmann (45) aus Osnabrück wird neue Justizministerin. Die derzeitige Richterin am Landgericht Osnabrück war zwischen 2013 und 2017 schon Landtagsabgeordnete, trat dann aber nicht wieder für den Landtag an – unter anderem deshalb, weil sie mit den schwierigen Bedingungen der Vereinbarkeit von Politik und Familie haderte. Sie promovierte über das Thema „Mutterschutz und Elternzeit für Abgeordnete“ an der Uni Hannover. Wahlmann trat vor wenigen Monaten in Erscheinung, da sie zu den Richtern des Landgerichts Osnabrück gehörte, die einen vom Amtsgericht Osnabrück erwirkten Durchsuchungsbeschluss im Bundesjustizministerium aufgehoben hatte – die Durchsuchung stand im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen den damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz wegen Geldwäsche-Ermittlungen. Wahlmann genießt unter Juristen den Ruf einer hervorragenden Richterin.

Falko Mohrs (38) wird neuer Wissenschaftsminister. Der Diplomkaufmann und Kommunalpolitiker, Sohn des früheren Oberbürgermeisters Klaus Mohrs, arbeitet seit fünf Jahren als Abgeordneter im Bundestag. Er ist Vize-Vorsitzender des SPD-Bezirks Braunschweig und sollte eigentlich nach dem Willen von Bezirkschef Hubertus Heil im Frühjahr 2019 dessen Nachfolge als Bezirkschef antreten. Dazu kam es nicht, Heil verschob seinen Rückzug als Bezirkschef. Mohrs arbeitete in Berlin bisher im Wirtschaftsausschuss des Bundestages und in der Enquetekommission „Künstliche Intelligenz“, mit Wissenschaftspolitik im engeren Sinn hatte er bisher indes weniger zu tun.

Julia Hamburg (36) wird Vize-Ministerpräsidentin und Kultusministerin. Die Hannoveranerin gehört dem Landtag seit 2013 an, war Grünen-Landesvorsitzende, später Fraktionsvorsitzende, Oppositionsführerin und Spitzenkandidatin ihrer Partei. Über die Jahre hat sie sich immer in bildungspolitischen Debatten engagiert. Die Mutter zweier Kinder gilt als pragmatisch und vermittelnd, aber auch als ehrgeizig und zielstrebig.  Innerhalb der Grünen repräsentiert sie zwar den linken Flügel der Partei, hat aber vom Führungspersonal der Partei die besten Chancen, auch von den anderen Richtungen akzeptiert zu werden. Sie ist damit unbestritten die neue Leitfigur der niedersächsischen Grünen.

Christian Meyer (47) übernimmt das Ministerium für Umwelt und Klimaschutz. Der Diplomsozialwirt aus Holzminden gehört dem Landtag schon seit 2008 an, er blickt zudem auf eine sehr lange Arbeit in den Grünen-Gremien zurück – und war stets eine Leitfigur des linken Flügels in der Partei. Meyer arbeitete zwischen 2013 und 2017 als Agrarminister und war anfangs als „Bauernschreck“ verschrien, stand aber immer auch im Ruf, sich in den Sachfragen auszukennen. Nun wechselt er in das Umweltressort und soll die Mammutaufgabe Klimaschutz vorantreiben.

Miriam Staudte (46) aus dem Wahlkreis Lüneburg/Lüchow-Dannenberg wird neue Agrarministerin. Die Diplompädagogin kam über die Anti-Atomkraft-Bewegung rund um Gorleben zur Politik, wurde 2008 erstmals in den Landtag gewählt und verortet sich im linken Flügel ihrer Partei. In den zurückliegenden Jahren war sie als Vize-Fraktionsvorsitzende Sprecherin für die Landwirtschaftspolitik. Staudte pflegt seit Jahren einen guten Draht zu Meyer, dem neuen Umweltminister.

Gerald Heere (43) wird neuer Finanzminister. Der studierte Politikwissenschaftler (mit den Nebenfächern Neuere Geschichte und Informatik) war zwischen 2013 und 2017 schon im Landtag und Sprecher der Grünen für die Haushaltspolitik. 2017 kehrte er nicht in das Parlament zurück und wurde Leiter des Büros des Bremer Finanzsenators Dietmar Strehl. Vor einem Jahr rückte Heere dann in den Landtag nach, übernahm den Vorsitz im Haushaltsausschuss und verschaffte sich schnell den Ruf eines Politikers, der seine Sache gut versteht. Innerhalb der Grünen zählt Heere zum Realo-Flügel, der in der Landespartei in der klaren Minderheit ist – aber sich in gewisser Distanz zu den Positionen der Linken in der Partei befindet.