Das ganz große Rad wird im nächsten Jahr in der Landespolitik wohl nicht gedreht. Zumindest gibt es keinen Termin, der sich heute schon aufdrängt. Manche denken deshalb, 2020 werde politisch wohl ein eher langweiliges Jahr. Doch Vorsicht! Schon öfter haben sich gerade die Phasen als besonders ereignisreich herausgestellt, von denen es vorher geheißen hatte, sie würden gähnend langweilig werden. Deshalb wagen wir einen Vorausblick auf die Weichen, die in Niedersachsen in den kommenden zwölf Monaten gestellt werden müssen.

Erstens: Die Kommunalwahl naht.

Parallel zur Europawahl im vergangenen Mai und in den Monaten danach gab es mehrere Bürgermeister- und Landratswahlen, die vor allem für die bei solchen Abstimmungen bisher erfolgsverwöhnten Parteien CDU und SPD mit einigen Überraschungen endeten. Die CDU verpasste den Sieg in sicher geglaubten Hochburgen, so im Landkreis Osnabrück, in der Stadt Vechta und in der Stadt Duderstadt. Die SPD erlebte harte Niederlagen im Kreis Aurich, in der Stadt Emden und in der Landeshauptstadt Hannover.


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Im eher großstädtischen Milieu konnten die Grünen ihre Stärke herausstellen – hier schwächelt seit langem die CDU und aktuell auch die SPD. In ländlichen Gegenden gelingt es der CDU nicht überall, die enttäuschten Landwirte und ihre Anhänger bei der Stange zu halten. Dort äußert sich Frustration, die sich gegen die etablierten Parteien richten kann. Zwar sind die Kommunalwahlen erst im Herbst 2021, die Listen dazu müssen im Sommer 2021 aufgestellt werden – also erst in anderthalb Jahren. Aber die Parteien sind jetzt schon dabei, nach geeigneten Bewerbern Ausschau zu halten. Das betrifft sowohl die Verwaltungschef-Kandidaten als auch diejenigen, die für die ehrenamtliche Ratsarbeit antreten.

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Seit langem ist ein Trend spürbar, dass oft nicht genügend Leute gefunden werden – vor allem junge Frauen fehlen häufig. Was die Chefebene in den Rat- und Kreishäusern angeht, fällt der Blick auf die OB-Posten in Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück und Lüneburg – aber auch auf den des Regionspräsidenten in Hannover. Vor allem für SPD, CDU und Grüne gilt, dass sie überzeugende, moderne und kommunikative Personen finden müssen.

Zweitens: Die bundespolitische Lage bleibt brüchig.

Leider hat der Ausgang der SPD-internen Vorsitzendenkür die Stabilität der schwarz-roten Bundesregierung nicht vergrößert. Der Bruch der Koalition Ende 2019 wurde zwar abgewendet, aber jederzeit könnte ein neuer Koalitionskrach ein Ende dieses Bündnisses nach sich ziehen – und womöglich auch vorgezogene Neuwahlen.


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Die Strategen in den niedersächsischen Parteizentralen müssen sich darauf einstellen und im Fall der Fälle rasch handeln: Neue Kandidatenlisten für die Bundestagswahlen müssen geschrieben werden, Kampfabstimmungen in den Wahlkreisen stehen bevor, auch der Wechsel von Landespolitiker auf die Bundesbühne (etwa Boris Pistorius?) müsste rasch organisiert werden.

Falls auf Bundesebene eine Entfremdung zwischen den Koalitionspartnern einsetzen sollte, hätten die Strategen in Hannover die Aufgabe, möglichen Streit nicht auf den Landtag überschwappen zu lassen. Das ist umso schwerer, als die großen Themen des Koalitionsvertrages bereits abgearbeitet sind. Es bliebe also Freiraum zum Zündeln.

Drittens: Wichtige Probleme sind noch nicht gelöst.

Was die Verkehrsinfrastruktur in Niedersachsen angeht, vertraut die Landesregierung auf steigende Zuschüsse des Bundes. Im Detail tauchen dann Schwierigkeiten auf – und politisches Geschick ist gefordert. Wenn Planungen beschleunigt werden sollen, muss ein Konsens mit den Kritikern erreicht werden.

Außerdem geht es immer wieder um die Prioritätensetzung, also die Frage, wo Investitionen zuerst getätigt werden sollen. Hier wird der Klimaschutz vordringlicher. Im Hintergrund spielt stets der Stadt-Land-Gegensatz eine Rolle. In ländlichen Regionen sollen die Leute nicht das Gefühl bekommen, sie seien von der Entwicklung in den Metropolen abgehängt. In den Metropolen wiederum geht es um typische Ballungsraumprobleme – verstopfte Straßen, Wohnraummangel und verschmutzte Luft. Auch beim Fachkräftemangel drückt sich ein Stadt-Land-Gegensatz aus, weil es den abgelegenen Dörfern und Städten immer schwerer fällt, geeignete Fachleute zu gewinnen. Der Hausärztemangel ist ein Ausdruck dafür.

Vor diesem Hintergrund ist auch eine gründliche und umfassende Verwaltungsreform, die die Kommunalverwaltung einbezieht, unumgänglich: Es muss ein Konzept entworfen werden, wie das Land möglichst gut mit weniger qualifizierten Fachkräften verwaltet werden kann – und zwar so, dass diese Fachkräfte von umständlichen bürokratischen Pflichten entbunden werden, damit sie nicht überlastet werden.

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Das Land muss auch den Mut haben, unrentable Verwaltungsstandorte aufzugeben. Bisher hat sich die SPD/CDU-Koalition um solche kniffligen Fragen herumgedrückt. Das gilt umso mehr, als auch die Weichen für die Digitalisierung gestellt werden müssen, also für eine Behördenarbeit, die auf mittlere Sicht wegen standardisierter Verfahren mit wesentlich weniger Mitarbeitern auskommen kann.

Viertens: Die Wirtschaft kann sich eintrüben.

Bisher reden viele über eine Konjunkturflaute, doch richtig spürbar wird sie noch nicht. Das kann sich allerdings 2020 ändern, wenn der Außenhandel durch den Brexit und die US-Politik Schaden zu nehmen droht. Eine solche Krise kann bitter werden, sie kann aber auch eine Chance sein für eine echte Reformpolitik. Bisher konnte die Koalition ihre Probleme noch lösen, indem sie ihre reichlichen Einnahmen gezielt verteilte als Trostpflästerchen. Die Finanzierung der Pflegekammer ist ein Beispiel dafür. Künftig ist man womöglich auch zu Sparrunden gefordert. Das macht die Sache nicht einfacher, aber sicher anspruchsvoller. (kw)