Von Karina Scholz

Eine Turnhalle im Landkreis Hildesheim, festlich geschmückt und mit 400 Stühlen bestückt, es erklingen die ersten Töne des Operettenklassikers „Die lustige Witwe“ von Franz Lehar. Im Publikum sind überwiegend grauhaarige Köpfe zu sehen, Füße wippen im Takt der Musik. Auf der Bühne: Polizisten in Uniform, in der Besetzung eines großen Blasorchesters. So sieht ein Auftritt des Polizeiorchesters Niedersachsen aus, einer von rund 120 im Jahr. Längst nicht jedem Steuerzahler ist bekannt, dass die Polizei sich ein eigenes Orchester leistet. Die Berufsmusiker begleiten offizielle Anlässe und repräsentieren bei ihren Konzerten die Staatsmacht, werben also mit musikalischer Unterhaltung um Vertrauen in die Polizei. Ist diese mehr als 100 Jahre alte Form der Polizeiarbeit noch zeitgemäß? Aber ja doch, da sind sich sowohl Regierungs- als auch Oppositionsvertreter im Landtag einig wie selten.

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Im kleinen Örtchen Diekholzen bei Hildesheim sorgt der Auftritt des Polizeiorchesters für viel Gesprächsstoff. Eine geplante Feier der Gemeinde wurde extra verschoben, die Eintrittskarten sind mit 12 Euro im Vorverkauf und 15 Euro an der Abendkasse ein für die Anwohner nicht ganz billiges Vergnügen. Wer sich jedoch für Kultur interessiert, schätzt das Konzert als herausragendes Ereignis im Dorfleben. Viele sind gekommen, um die Profi-Musiker live zu hören, andere eher, um die örtlichen Pfadfinder zu unterstützen, die das Benefiz-Konzert zu Gunsten ihrer Kinder- und Jugendverbandsarbeit organisiert haben. Alle Besucher werden an einem Info-Stand neben der Bühne mit Ratschlägen der Hildesheimer Polizei zum Schutz vor Einbrechern versorgt. Im Rampenlicht steht aber das Orchester, das an diesem Nachmittag neben Operettenstücken und einem Marsch auch Jazz, Pop und Gospelsongs spielt. „Musik ohne Grenzen“ heißt das Programm. Die Zuschauer sind beeindruckt vom Können der Musiker, viele loben die Mischung der unterschiedlichen Stile.

Menschen über verschiedene Kanäle erreichen

Für die Innenpolitiker des Landtages stimmt das Konzept. „Wenn man den Präventionsauftrag der Polizei ernst nimmt, muss man klug überlegen, wie man Sicherheitsthemen vermittelt“, sagt Karsten Becker, selbst Polizeibeamter und SPD-Landtagsabgeordneter. In einer differenzierten Gesellschaft sei es nötig, über verschiedene Kanäle zu den Menschen vorzudringen, um Vertrauen in die Polizei herzustellen. Dazu gehöre auch ein klassisches Blasorchester, das typischerweise Senioren anspreche, außerdem seien die Musiker des Polizeiorchesters auch in kleineren Besetzungen unterwegs, um Präventionsangebote in Schulen und Kindergärten zu unterstützen. „Moderne Polizeiarbeit funktioniert genau so“, ist Becker überzeugt.

Polizei soll wieder Ansprechpartner sein

Ähnlich sieht es auch der Vorsitzende des Innenausschusses, der CDU-Abgeordnete Thomas Adasch. „Präventionsarbeit ist sehr, sehr wichtig“, betont er, besonders angesichts zunehmender Gewalt gegenüber Polizisten bei Demonstrationen, Sportveranstaltungen und Großereignissen. „Der Beruf ist schwerer geworden“, findet Adasch, deshalb will er ein positives Bild der Polizei in der Bevölkerung fördern. Unter anderem darum hätten CDU und SPD in den Koalitionsverhandlungen auch vereinbart, das Personal der Polizei „deutlich“ aufzustocken. Adasch sieht Jazz, Pop und Marschmusik als einen guten Weg, um unmittelbaren Zugang zur Bevölkerung zu bekommen. „Mein Wunsch ist es, dass wir wieder dahin kommen, dass wir die Polizei auch als Ansprechpartner auf der Straße haben“, sagt er.

 

Unterstützung bekommt er dabei selten einmütig aus den Reihen der Opposition. Beim Polizeiorchester zu sparen, kommt für die FDP nicht in Frage. Innenexperte Jan-Christoph Oetjen findet das Orchester „sympathisch“ und lobt die „positiven Auswirkungen auf das Bild der Polizei“. Auch der Grünen-Abgeordnete Belit Onay erklärt sich zu einem Freund der Blasmusik: „Grundsätzlich ist das eine gute Sache“, sagt er. Das Polizeiorchester habe Tradition und stärke die sozialen Aspekte der Polizeiarbeit, allerdings dürfe es kein „Luxusorchester“ aus hinzugekauften Profis sein, sondern müsse auch Talente innerhalb der Polizei fördern.

Auf der Bühne in Diekholzen sehen die Zuschauer keinen Unterschied zwischen studierten Fachmusikern, die als Quereinsteiger zu Polizei kamen und solchen Beamten, die ihre Leidenschaft für ein Instrument zum Beruf machten. Im Mittelpunkt steht die professionelle Musik, die viele Diekholzener nachhaltig beeindruckt hat. Zur Erinnerung gibt es ein Reflektor-Armband mit dem Schriftzug der Polizei mit nach Hause.