…stammt vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. In der Pressekonferenz am 4. Mai äußerte er sich zur Begründung des „niedersächsischen Stufenplans“, der konkrete Schritte und Daten für die Öffnung von Gaststätten, Sportanlagen, Kindergärten und Schulen vorsieht. Dabei sagte er:

Wir werden unseren niedersächsischen Weg nicht davon abhängig machen, ob alle Länder darüber ein Einvernehmen erzielen – denn die anderen Länder tun dies ja bekanntlich auch nicht.

Foto: Niedersächsische Staatskanzlei/Holger Hollemann; nkw

Die Begründung, mit der der Regierungschef vor die Presse trat, war schon besonders. Denn bisher hatte Stephan Weil stets großen Wert darauf gelegt, dass Niedersachsen eben nicht aus der Reihe tanzt und auch kein Vorreiter ist. Das sollte sowohl für den Beginn der Krise gelten, also für die Verhängung von Verboten und Einschränkungen, als auch für das Ende, also die Aufhebung der Maßnahmen. Was führte ihn nun, Anfang dieser Woche, zu einer anderen Einschätzung?

Eine Reihe von Gründen kann hier angeführt werden:

Druck der Opposition: Im Landtag hatte vor allem FDP-Fraktionschef Stefan Birkner am 23. April dem Ministerpräsidenten vorgeworfen, er „versteckt sich hinter der Kanzlerin und den anderen Ministerpräsidenten“. Der Kernvorwurf der Freien Demokraten lautete, dass Niedersachsen sich in dieser Krise treiben lasse und nur dem folge, was andere Länder vorgeben – ohne eigene Akzente zu setzen und eigene Verantwortung zu übernehmen. SPD und CDU wiesen das zurück – und doch hatte die Kritik getroffen, denn in den bundesweiten Medien drehte sich das Geschehen immer um andere Länder und andere Ministerpräsidenten. Es entstand der Eindruck, Weil sei ein „Getriebener“.

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Druck der Wirtschaft: Die Zustimmung gerade bei Gewerkschaften und Arbeitgebern zu den bisherigen Einschnitten in die Grundrechte und zu den Beschränkungen für den Handel und für Dienstleistungen wie die Gastronomie wuchs in den vergangenen Wochen. Die Zahlen von fast einer Million Kurzarbeitern allein in Niedersachsen und Hinweise auf eine bevorstehende Rezession ließen Stimmen lauter werden, die ein Ende der Beschränkungen verlangten – vor allem deshalb, weil die Infektionszahlen sich in jüngster Zeit nur allmählich erhöhten. Als die Wirtschaftsminister aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit ersten Zeitplänen für einen Neustart der Gastronomie und Tourismuswirtschaft auftraten, wuchs in der Landesregierung allgemein die Erkenntnis: Lockerungen stehen nun bevor, es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie und das Wann.

Nüchterne Kosten- und Nutzen-Analyse: Die Kunst bestand für die Landesregierung darin, nun endlich mal wie eine Exekutive zu erscheinen, die voranmarschiert und zupackt. Gleichzeitig musste der Inhalt der angepeilten Schritte so abgewogen und überlegt wirken, dass niemand ernsthaft die Kritik üben konnte, Niedersachsens Kabinett werbe leichtfertig für mehr Freiheit und wirtschaftliche Betätigung auf Kosten der Sicherheit. Mit anderen Worten: Verkündet wurde am 4. Mai ein Konzept, von dem in diesem Moment schon klar war, dass zwei Tage später die Mehrheit der Länder ihm auf diese oder sehr ähnliche Weise würde folgen können. Damit war Niedersachsen eigentlich nur scheinbar vorgeprescht, in Wirklichkeit aber nur auf die Art, dass früh Termine gesetzt wurden.

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Druck der anderen Länder: Dass Weil und Althusmann am 4. Mai entschlossen auftraten und mit dem Zitat des Ministerpräsidenten auch eine gewisse Distanz zur Bund-Länder-Runde kundtaten, hängt auch mit dem Nachbarland Sachsen-Anhalt zusammen. Die dortige Landesregierung aus CDU, SPD und Grünen hatte die Kontaktverbote, einen zentralen Punkt der bisherigen Beschränkungen, überraschend und ohne vorherige Ankündigung verändert. In Sachsen-Anhalt konnten von Anfang Mai an fünf Personen zusammen auf der Straße unterwegs sein, ohne den Mindestabstand von anderthalb Metern einhalten zu müssen. In allen anderen Bundesländern galt bis dahin (und vielerorts bis heute) die Regel, dass dies nur für zwei Leute gilt. Da Sachsen-Anhalt nun in einem ganz entscheidenden Punkt von der Linie der Länder abgewichen war, war auch der Ärger der Landesregierung in Hannover groß – vor allem auch der Ärger von Ministerpräsident Weil. Das mag dazu beigetragen haben, dass er seine Äußerung so zugespitzt hat, wie er es tat.

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Trotz allem bleibt der Ärger und der Frust, der sich in diesem Stephan-Weil-Zitat ausdrückt, vermutlich eine Momentaufnahme. Denn das große Ziel der Landesregierung bleibt es, auf ein abgestimmtes Verhalten der Länder untereinander hinzuwirken. So entspricht es dem Stil des Ministerpräsidenten – wie auch dem seines Stellvertreters Bernd Althusmann von der CDU.