Niedersachsens Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel versucht, Unternehmern die Sorge vor der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu nehmen. „Gehen Sie bitte davon aus, dass wir keine Behörden sind, die dogmatisch arbeiten“, sagte die oberste Datenschützerin des Landes gestern in Hannover bei einer Veranstaltung der Unternehmerverbände (UVN).

Auch wenn die DSGVO für große und kleine Betriebe gilt, sollten wir zuerst die Großen in den Blick nehmen, die viele Daten verarbeiten und gegen die Verordnung verstoßen.

Es wäre nicht ruhmreich, würde ihre Behörde nur kleinen Unternehmen Bußgelder aufdrücken, erklärte sie. „Auch wenn die DSGVO für große und kleine Betriebe gilt, sollten wir zuerst die Großen in den Blick nehmen, die viele Daten verarbeiten und gegen die Verordnung verstoßen.“ Doch seien für Konzerne wie Facebook, Amazon oder Google in Europa federführend die Datenschutzbehörden in Irland oder Luxemburg zuständig.

Es wäre nicht ruhmreich, würde ihre Behörde nur kleinen Unternehmen Bußgelder aufdrücken, erklärte Barbara Thiel – Foto: nkw

Thiel machte allerdings auch deutlich, dass die Zeit der einseitigen Beratung durch ihre Behörde nun vorbei sei. Zuerst habe sich niemand für die DSGVO interessiert, sagte sie. Dann sei 2018 Panik ausgebrochen. Deshalb habe sie auch zuerst darauf gesetzt, zu beraten. Doch allmählich würde auch die Kontrolle einsetzen. So hat Thiel vor kurzem ihren ersten Kontrollbericht vorgelegt, der aufzeigte, dass in zahlreichen Betrieben in Niedersachsen noch Mängel bestünden. Sie wusste zu berichten, dass vom zweiten Halbjahr 2018 zum ersten Halbjahr 2019 die Beschwerden, die bei ihrer Behörde eingingen, um mehr als 18 Prozent zugenommen haben.

In der ersten Jahreshälfte 2019 zählte sie bereits über 900 und damit über 140 mehr als in den sechs Monaten davor. Auch die Zahl der gemeldeten Pannen sei angestiegen von etwa 300 im zweiten Halbjahr 2018 auf 360 Meldungen im ersten Halbjahr 2019. Thiel gibt aber auch zu bedenken, dass nicht jede dieser Meldungen einer tatsächlichen Panne entspricht. Seitdem Bußgelder verhängt werden, seien die Unternehmen aber vorsichtiger geworden. Der häufigste Fehler, der auftrete, sei eine falsch versendete E-Mail, bei der die Empfänger offen zu sehen waren, berichtete Thiel.

Unternehmer: Fairer Wettbewerb muss gewährleistet sein

Zuvor hatte Alfons Schräder, Geschäftsführer der Heise-Medien und Gastgeber der UVN-Veranstaltung, einen klaren Appell an die Datenschutz-Beauftragte gerichtet: Es sei wichtig, dass der faire Wettbewerb gewährleistet werde. Schräder beklagte, es werde hierzulande eine Scheinwelt aufgebaut, die mit der Realität nichts zu tun habe. Dadurch hätten Unternehmen in anderen Ländern, die von der DSGVO nicht betroffen seien, einen Vorteil.

Thiel entgegnete auf solche Einwände aus der Wirtschaft jedoch, dass der Datenschutz nicht erst plötzlich mit der Einführung der DSGVO gekommen sei. Der Datenschutz habe Verfassungsrang, der spätestens in den 1980ern bereits gerichtlich ausgeurteilt sei. Die Grundverordnung habe nun die Unternehmen nur an eine Pflicht erinnert, die sie zuvor auch schon gehabt hätten.

Datenschutz-Experten: Das ist ja alles nicht neu

So sieht es auch Prof. Fabian Schmieder von der Hochschule Hannover. Der Experte für Medienrecht erinnerte die anwesenden Unternehmer daran, dass diese eine besondere Verantwortung hätten: „Sie sind Sachwalter von Grundrechten eines anderen Menschen.“ Auch er zeigte sich nicht besonders nachsichtig mit den murrenden Wirtschaftsvertretern. Seit mehreren Jahren sei schließlich eine Checkliste bekannt, die Punkte aufzähle, die die Unternehmen beachten oder umsetzen sollten.

Sie sind Sachwalter von Grundrechten eines anderen Menschen.

Auch Thiel hatte auf diese Checkliste verwiesen und erklärt, die Kontrollen, die ihre Behörde jetzt durchführe, würden sich (wie angekündigt) exakt an dieser Auflistung orientieren. Prof. Schmieder erinnerte zudem noch an einen Leitfaden, der lange vor dem Inkrafttreten der DSGVO herausgegeben wurde. „Setzen sie den erst einmal um, dann schauen sie, ob es noch offene Fragen gibt – und dann müssen sie abwägen, ob sie sich das nötige Wissen selber aneignen, oder eben Expertise einkaufen.“ Die Kosten dafür, so der Rechtsexperte, müsse das Unternehmen dann eben behandeln wie alle anderen Gemeinkosten auch – und auf den Produktpreis umlegen.