Der Medienwissenschaftler Professor Bernd Gäbler hat sich für Reformen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen. Auf einem Mediensymposium der Landesregierung in Hannover plädierte Gäbler am Donnerstag dafür, den Auftrag zu schärfen. Er kritisierte zum Teil das Niveau öffentlich-rechtlicher TV-Produktionen. „Es gibt auch Schmalz, der die Sinne verklebt und Kitsch, der die Hirne lähmt. Das ist nicht der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen.“

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Gäbler gab die die Maxime vor: Journalismus, Journalismus, Journalismus. Das Angebot von Information sei zentral. „Aber wenn das ZDF sechs Stunden lang über eine royale Hochzeit berichtet, dann gilt das schon als Information. Oder wenn die Promi-Expertin des ARD-Magazins ‚Brisant‘ Heidi Klum besonders authentisch findet, gilt das ebenfalls als Information“, kritisierte der Hochschulprofessor. ARD und ZDF drohten zu Spartensendern für Senioren zu verkommen, die meisten fiktionalen Produktionen seien nicht besonders wettbewerbs- geschweige denn weltmarktfähig. Das dänische Fernsehen sei den deutschen Sendern zum Beispiel weit überlegen.

Beitragsfinanzierte Angebote pumpen US-Giganten mit hochwertigen Inhalten voll. Wir stärken diese Giganten und schwächen uns in unserem Land.

Gäbler schlug unter anderem Mediatheken vor, in denen Dokumentationen unbegrenzt für Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehen könnten. Die dritten Programme seien aufgefordert, gemeinsam mit Journalisten und Verlegern darüber nachzudenken, wie Journalismus an der Basis erblühen und gedeihen könne. Für Gäbler liegt der Schlüssel im Gemeinwohl, er sprach vom „Public Value“. So schlug er vor, ein Zehntel der Beitragseinnahmen, also 800 Millionen Euro, dem Markt für „Public Value“ zur Verfügung stellen. Daraus könne ein freier Wettbewerb entstehen, was mit dem Geld als Film- oder Fernsehproduktion herzustellen ist. Gäblers Worten nach würde das Innovationen erleichtern und nützliche Anreize für Produzenten setzen.

Private fordern mehr Balance im System

Sowohl Gäbler als auch Hans Demmel, ntv-Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (Vaunet), kritisierten den Umgang der Öffentlich-Rechtlichen mit den sozialen Medien der großen US-Anbieter. „Beitragsfinanzierte Angebote pumpen US-Giganten mit hochwertigen Inhalten voll, dabei ziehen die US-Unternehmen schon jetzt fünf Milliarden Euro aus dem Werbemarkt. Wir stärken diese Giganten und schwächen uns in unserem Land“, sagte Demmel. Der Vertreter der privaten Medien forderte eine Reduzierung des Gesamtangebots auf öffentlich-rechtlicher Seite. „Wir brauchen mehr Balance in diesem System. Weniger ist mehr statt viel hilft viel.“ Als Vorbild sieht Demmel die Schweiz, in der sich bei einer Volksabstimmung über 70 Prozent der Bürger für den Erhalt der Öffentlich-Rechtlichen aussprachen, die Anstalt aber den Beitrag deutlich senkte und sich auf Kernstärken zurückbesann. Das kann sich Demmel auch für Deutschland vorstellen. „Es geht um die Existenzfähigkeit eines Systems, das in seiner Breite so nicht zu erhalten ist.“


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Unterschiedliche Meinungen gab es zur Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen in der Bevölkerung. Während Demmel und der AfD-Landtagsabgeordnete Jens Ahrends eine sinkende Akzeptanz der Sender konstatierten, verwies NDR-Intendant Lutz Marmor auf eine Umfrage im Auftrag der Anstalt, nach der 83 Prozent der Befragten im Norden dem NDR vertrauen. Damit liege der NDR gemeinsam mit der Polizei auf dem ersten Rang. Marmor zufolge sind die Öffentlich-Rechtlichen reformwillig. „Wir haben einen umfassenden Vorschlag gemacht, die Strukturen zu verschlanken.“ Der NDR habe in den vergangenen Jahren bereits 700 Stellen abgebaut, der Abbau weiterer 100 Stellen sei bis 2024 geplant. Gäbler gab allerdings zu bedenken, dass zahlreiche Produktionen inzwischen von externen Firmen übernommen würden. Dies müsse man ehrlicherweise mit dem Stellenabbau verrechnen.

AfD fordert 75 Prozent Informationsanteil

Kontrovers wurde auf dem Symposium über den Rundfunkbeitrag diskutiert. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil lobte, dass der Beitrag in den vergangenen zehn Jahren stabil geblieben, sogar einmal leicht gesenkt worden sei. „Bei welcher Dienstleistung ist das schon so gewesen?“, fragte Weil. Kritisch sah er allerdings die Aussage des ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm in der aktuellen Debatte, die Beitragsfrage als Ultima Ratio vom Bundesverfassungsgericht klären zu lassen. „Die Drohung der ARD mit Karlsruhe ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen, um zu einem Kompromiss zu kommen“, sagte Weil. Sein Ziel: Die Öffentlich-Rechtlichen brauchten für ihre Aufgaben so viel wie nötig, die Bürger sollten dabei so wenig wie möglich belastet werden.

Während der Medienpolitiker der Grünen, Christian Meyer, sich dafür aussprach, die Werbung bei ARD und ZDF abzuschaffen und die Einnahmeverluste auf den Rundfunkbeitrag umzulegen, hält der CDU-Politiker Jens Nacke die Werbefenster für akzeptiert. Jens Ahrends von der AfD sprach sich für einen freiwilligen Rundfunkbeitrag aus, dann müsse es auch keine Werbefreiheit geben. Zudem fordere seine Partei einen Informationsanteil von 75 Prozent in den Programmen von ARD und ZDF. „Das sehen wir als Auftrag für die Öffentlich-Rechtliche. Unterhaltung können andere Formate besser“, betonte Ahrends.