Bei einer Geburtstagsfeier möchte man sich eigentlich nicht streiten. Wer sich aber wie der ehemalige SPD-Fraktions- und Landesvorsitzende Wolfgang Jüttner zum 70. Geburtstag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ wünscht, müsste eigentlich mit etwas Reibung rechnen. Müsste. Denn Kritik und Streit fanden bei der Veranstaltung keinen Weg ins Alte Rathaus in Hannover. Die SPD und die Öffentlich-Rechtlichen sind ziemlich beste Freunde. Zu Beginn der Podiumsdiskussion entschuldigte sich Moderatorin Edelgard Bulmahn beim Geburtstagskind, man werde aus Zeitgründen das Thema wohl nicht mit der notwendigen intellektuellen Tiefe behandeln können. Es folgte eine einseitige Debatte, bei der sich allein der Medienjournalist Imre Grimm vom Redaktionsnetzwerk Deutschland als Advocatus Diaboli verstand, natürlich nicht ohne zu erwähnen, dass auch er selbstverständlich ein „glühender Verfechter“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei. Die Veranstaltung war Jüttner, der ein streitbarer Geist ist, nicht angemessen.

Nach einer humorvollen Begrüßung durch den hannoverschen Oberbürgermeister Stefan Schostok gab Ministerpräsident Stephan Weil vor den rund 150 Gästen in seiner Rede gleich die Richtung des Abends vor. „Für die Demokratie sind die Öffentlich-Rechtlichen unverzichtbar“, stellte Weil fest. Medien seien ein Grundpfeiler der politischen Ordnung. Sie befänden sich allerdings in stürmischen Zeiten, weil auch die Gesellschaft im Umbruch sei. Die Menschen würden mit einer Informationsflut aus dem Internet überschüttet. Das Netz und nicht die Öffentlich-Rechtlichen sei auch die eigentliche Gefahr für die privaten Medien. Den Unmut über ARD, ZDF und Deutschlandradio verortet Weil unter anderem im Osten der Republik. Vor allem von dort käme die Kritik am Rundfunkbeitrag, weil es dort im Gegensatz zu Westdeutschland offenbar eine geringere Verbundenheit mit den Öffentlich-Rechtlichen gebe.


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Passend zur Geburtstagsfeier brachte Weil auch noch ein paar Geschenke mit – für die Öffentlich-Rechtlichen. Die Angebote in der Mediathek sollten seiner Meinung nach weitgehend unbeschränkt sein. Das gebiete der Respekt vor den Beitragszahlern als Kunden. „Wenn die Akzeptanz erhalten bleiben soll, brauchen die Öffentlich-Rechtlichen Bewegungsfreiheit“, sagte Weil. Im Streit um Presseähnlichkeit werde man zu einem Kompromiss gelangen müssen. Printbeiträge seien nicht Kernkompetenz der Öffentlich-Rechtlichen, gleichzeitig müsse aber das Netzangebot mehr sein als ein Videokanal. „ARD und ZDF sind etwas anderes als youtube“, stellte Weil klar. Er könne die Frustration der Öffentlich-Rechtlichen darüber verstehen, dass es derzeit wieder einmal eine stockende Phase bei den Gesprächen zwischen den Ländern gebe. „Wir sind es natürlich nicht. Das sind immer die anderen, wenn etwas nicht klappt. Das ist natürlich klar“, sagte Weil augenzwinkernd. Sein Fazit: „Wenn wir die Öffentlich-Rechtlichen nicht hätten, müssten wir sie erfinden.“

Die Rede des Ministerpräsidenten trage auch zur Harmonie einer Festtagsveranstaltung bei. So begann NDR-Intendant Lutz Marmor seine Rede, die er im ersten Teil für eine kleine Werbeveranstaltung nutzte. Für nur 60 Cent am Tag bekäme man das gesamte Angebot der Öffentlich- Rechtlichen. Und in Niedersachsen sagten fast 70 Prozent, der NDR sei sein Geld wert. Marmor zitierte damit das Ergebnis einer Umfrage aus dem Herbst vergangenen Jahres, die der NDR selbst in Auftrag gegeben hatte. „Wir müssen maßhalten“, räumte Marmor ein. Dennoch werde man irgendwann auch einen Inflationsausgleich benötigen.

Wenn wir die Öffentlich-Rechtlichen nicht hätten, müssten wir sie erfinden.

Stephan Weil

Allein Imre Grimm wagte in der anschließenden Diskussion, die Harmonie zu stören. „Der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen lautet nicht: Macht Programm, bis Ihr 8,1 Milliarden Euro verbraucht habt“, sagte der Journalist. Er sei fest davon überzeugt, dass man mit diesem Betrag das System zukunftsfähig gestalten könne. Grimm zufolge machen ARD und ZDF in der aktuellen Debatte um die Öffentlich-Rechtlichen keine gute Figur, seien teilweise zu selbstgefällig. Dabei gebe es nun einmal Soziotope, die zweifelten, und die müsse man erreichen.

Für die Mitglieder des NDR-Rundfunkrates, Ute Schwiegershausen von den Unternehmerverbänden Handwerk und Detlef Ahting von der Gewerkschaft Verdi, schienen diese „Soziotope“ keine große Rolle zu spielen. Wenn die Interessen der Zuschauer und Hörer, die im Rundfunkrat vertreten werden sollen, eine weitgehend kritiklose Verteidigung von ARD und ZDF ist, dann erfüllten beide ihre Aufgabe auf dem Podium vorbildlich. Kritische Worte hörte man so gut wie gar nicht. Für Ahting gibt es gute Gründe, Millionensummen in die Sportrechte zu investieren und Schwiegershausen stellte fest, eine Weiterentwicklung der Öffentlich-Rechtlichen gehe nicht ohne Geld. Für Ahting hat sich bei Bundes- und Landtagswahl gezeigt, wie wichtig die öffentlich-rechtlichen Sender seien. „Und ich finde auch, wir sollten auf ein ‚Hallo Niedersachsen‘ nicht verzichten“, sagte der niedersächsische Verdi-Landesbezirksleiter, als ob das jemand ernsthaft gefordert hätte.

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Laut Lexikon ist eine Debatte ein (lebhaftes) Gespräch, in dem Personen mit unterschiedlichen Meinungen über etwas diskutieren. Dieser Definition wurde die weitgehend kritiklose Veranstaltung nicht gerecht. Ein Punkt passt Ministerpräsident Stephan Weil im aktuellen TV-Programm allerdings nicht. „Inzwischen kann man ja nicht mehr den Fernseher einschalten, ohne das Blut heraustropft“, moserte Weil über zu viele TV-Krimis. Wer nach den Reden und dem Talk auf der Bühne schnell war und es nicht zu weit hatte, konnte es noch zur besten Spielfilmzeit vor den Fernseher schaffen. In der ARD lief um viertel nach acht ein Krimi. (MB.)