Innenminister Boris Pistorius wollte auf die niedersächsische Fanszene zugehen, hatte den eigentlich für gestern geplanten Fußballkongress sogar noch einmal verschoben und auch die Öffentlichkeit ausgeschlossen, um die Vertreter der Fangruppen mit ihm an einen Tisch zu bekommen. Denn diese hatten ihm zunächst vorgeworfen, eine reine Showveranstaltung im Sinn zu haben. Doch jetzt ist unklar, ob es diesen Gipfel überhaupt noch geben wird. Angesetzt war er für den 11. November – knapp vier Wochen nach der Landtagswahl. „An dem Termin hat sich bisher nichts geändert“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage des Rundblicks. Ob die neue Landesregierung dann im Amt sein wird, ist fraglich. Womöglich ist Pistorius dann nur geschäftsführend für die alte Landesregierung tätig.  Die neusten Zahlen zu den Polizeieinsätzen aus der vergangenen Spielsaison verdeutlichen jedoch noch einmal, dass Sicherheitsbehörden und Fans dringenden Redebedarf haben.

 

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Auffällig sind die Zahlen rund um die beiden Begegnungen zwischen den Zweitligisten Hannover 96 und Eintracht Braunschweig. 578 Festnahmen von 96-Anhängern hatte es in der vergangenen Saison gegeben, davon allein 184 rund um die Derbys mit Braunschweig. Die meisten haben mit einem Zwischenfall am Vorabend der ersten Begegnung von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig zu tun. Rund 200 hannoversche Fans versammelten sich auf einem Baumarktparkplatz bei Hildesheim, offenbar hatten sie sich mit Eintracht-Fans zu einer Massenschlägerei verabredet. Diese kamen nicht, dafür aber die Polizei. Allein 170 Fans wurden hier in Gewahrsam genommen, sie verbrachten das Wochenende in der Arrestzelle. Auch die meisten der 227 Strafverfahren dürften mit der Verabredung zu tun haben. Insgesamt leitete die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Saison 362 Verfahren gegen 96-Fans ein. Im Vorjahr, als 96 nicht gegen Braunschweig antrat, waren es 195 gewesen.

Die Braunschweiger dagegen fielen vor allem im Relegationsspiel gegen den VfL in Wolfsburg negativ auf. Neun von 45 Festnahmen geschahen hier, von 109 Strafverfahren bezogen sich 65 auf Fehlverhalten beim letzten Spiel der Saison. Auf Seiten der Wolfsburger Ultras hatten nur 25 Festnahmen von insgesamt 100 und 45 Strafverfahren von 176 etwas mit dem Relegationsspiel zu tun.  Das Innenministerium schreibt in der Antwort auf eine Anfrage der FDP zum Thema allerdings, dass diese Zahlen nicht allein durch die aufgeheizte Stimmung bei solchen „Alles-oder-Nichts-Spielen“, bei denen es um den Verbleib in der Liga geht, zu erklären seien. Deswegen stehe es außer Frage, über die Abschaffung von Relegationsspielen allgemein nachzudenken.

Doch eine Diskussion über den Umgang mit Gewalttätern in den Stadien ist dringend nötig. 23 Polizisten (Vorjahr: vier), zwei Ordner und 14 Unbeteiligte (Vorjahr: einer) sind in der vergangenen Saison von VfL-Wolfsburg-Ultras verletzt worden. Durch Hannover 96-Ultras wurden 15 Beamte (Vorjahr: sechs), ein Ordner (Vorjahr: sechs) und 17 Unbeteiligte (Vorjahr: 15) verletzt. Und die Tendenz zum Randale nimmt weiter zu, wie das Spiel gegen den britischen FC Burnley vergangenes Wochenende gezeigt hat. Möglicherweise wird ein Gipfel zwischen Fanszene und Sicherheitsbehörden aber auch nicht mehr nötig sein. Das Innenministerium führt bereits Gespräche mit einzelnen Fangruppen. Zudem lehnt das Ultra-Bündnis ProFans einen Fankongress auch als vertrauliche Veranstaltung weiterhin ab. Stattdessen erhebt es acht Forderungen, die aus seiner Sicht erfüllt sein müssen, bevor sich die Ultras gesprächsbereit zeigen. Die Ultras fordern unter anderem die Abschaffung von Stadionverboten, die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte sowie die Auskunftspflicht, wenn die Behörden einen Fan in die sogenannte Datei Szenekundiger Beamten (SKB) aufnehmen.