Von Isabel Christian

Deutschland ist Industrieland. Aber auch Agrarland. Mit einem Umsatz von 218 Milliarden Euro bildet das sogenannte Agribusiness den drittgrößten Sektor im verarbeitenden Gewerbe. Agribusiness ist das neumodische Wort für alles, was vor und nach dem Landwirt kommt. Hersteller von Futtermittel zum Beispiel, Landmaschinenentwickler oder die Schlachterei. Zusammen mit den Landwirten bilden sie eine Wertschöpfungskette. Am Anfang ist das Korn, am Ende das Hähnchenfilet in der Kühltheke. Geht es den Bauern gut, erwirtschaften auch die mit ihnen verwobenen Sektoren Gewinne. Stehen die Landwirte in der Kritik, färbt das ebenfalls ab. Nun mussten die Landwirte in den vergangenen Jahren viel aushalten: Milchkrise, Düngeverordnung, Schweinepreisverfall und die immer schärfer geführte Diskussion um das richtige Verhalten in konventioneller Landwirtschaft. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Wirtschaftlich geht es wieder bergauf. Das zeigt eine gestern in Hannover vorgestellte Studie der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen. Das Agribusiness hat nicht nur im Jahr 2016 Gewinne eingefahren, für 2017 (die offiziellen Zahlen liegen noch nicht vor) wird ein noch stärkeres Wachstum geschätzt. Doch die Branche bleibt skeptisch – und das aus gutem Grund.

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Seit zehn Jahren analysiert Ernst & Young (EY) in Kooperation mit dem Department für Agrarökonomie an der Uni Göttingen jährlich die Wirtschaftsdaten der Agrarunternehmen. Als Basis dienen Daten des Statistischen Bundesamts und eigene Berechnungen. „Im vergangenen Jahr hat das Agribusiness einen neuen Rekordumsatz gemacht“, sagt Uni-Professor Ludwig Theuvsen. Insgesamt 218 Milliarden Euro wurden 2016 erwirtschaftet, für 2017 wird mit 225 Milliarden Euro gerechnet. Zum Vergleich: 2016 wurden im Maschinenbau wurden 240 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Den größten Sprung hat das Geschäft mit der Landtechnik geschafft. Hier verdienten Unternehmen 2017 rund sieben Prozent mehr als im Vorjahr. „Das liegt auch daran, dass sich die wirtschaftliche Situation der Bauern verbessert hat. Wer mehr Geld in der Kasse hat, kann auch mehr investieren“, sagt EY-Niederlassungsleiter Christian Janze.

Preise auf dem Weltmarkt gestiegen

Überhaupt ist das wirtschaftliche Wachstum der Agrarindustrie eng mit der Preisentwicklung verbunden. „Die Branche hat das Tal der Tiefpreise verlassen“, sagt Theuvsen. Das gilt vor allem für die Milch- und die Schweinefleischwirtschaft. Bekam ein Landwirt in den vorvergangenen Jahren noch 20 Cent pro Liter Rohmilch, sind es jetzt zwischen 30 und 40 Cent. „Das liegt daran, dass der Erlös des Landwirts an den Absatz der Milch auf dem Weltmarkt gekoppelt ist. Und dort ist der Preis für Milch im letzten Jahr gestiegen“, sagt Theuvsen. 16,4 Prozent mehr Umsatz hat die Milchwirtschaft deshalb den Berechnungen von EY zufolge im vergangenen Jahr gemacht. Der Wissenschaftler rechnet aber damit, dass der Preis in absehbarer Zeit wieder sinkt: „Ich denke, wir müssen nach dem Wegfall der Quote auch bei der Milch künftig mit Zyklen rechnen. Ist der Preis gut, wird mehr Milch produziert, dadurch sinkt der Preis, bis die Nachfrage das Angebot wieder einholt.“

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Auch in der Fleischwirtschaft geht es nach oben, fünf Prozent mehr in den Kassen sind hier vom vergangenen Jahr zu erwarten, also rund 43,7 Milliarden Euro. „Auch hier liegt die Steigerung daran, dass Schweinefleisch teurer geworden ist“, sagt Theuvsen. Es ist allerdings fraglich, ob der Trend sich fortsetzen wird. „Die deutsche Schweinefleischindustrie hängt stark von den im Inland gehaltenen Schweinen ab. Hier gab es in den vergangenen Jahren keinen Ausbau. Stattdessen haben Halter aufgegeben“, sagt Janze. Großen Einfluss übt dabei die Debatte um das Tierwohl und Umweltauflagen aus. „Wenn die Schweine im Stall mehr Platz haben sollen, aber aus Emissionsgründen kein Umbau vorgenommen werden darf, muss der Landwirt eben auf einen Teil der Tiere verzichten.“

China kauft für eine Milliarde Euro

Während der Export von Schweinefleisch ins Ausland weiter rückläufig ist (25 Prozent in 2017 zu 27 Prozent in 2012), steigt das Exportvolumen aller landwirtschaftlichen Güter weiter an. Rund 33 Prozent der in Deutschland produzierten Lebensmittel oder für die Produktion nötigen Mittel verlässt das Land. „Das meiste geht in die EU, hier sind die Niederlande, Frankreich Italien und Großbritannien Hauptabnehmer“, erklärt Theuvsen. Daher sei auch die Ernährungsindustrie ob des anstehenden Brexits nervös. Außerhalb Europas nehmen China, die USA und die Schweiz besonders viele deutsche Agrargüter ab. Durch die steigende Verstädterung Chinas gibt das Land mittlerweile rund eine Milliarde Euro jährlich für deutsches Schweinefleisch aus.

Alles soll immer verfügbar sein

„Die Exportzahlen relativieren sich aber, weil Deutschland selbst auch viel importiert“, sagt Janze. Die internationale Vernetzung der Unternehmen, die Arbeitsteilung und das veränderte Konsumverhalten haben die Ernährungswirtschaft längst globalisiert. „Heute wollen Kunden im Laden die Auswahl zwischen möglichst vielen Produkten haben. Alles soll theoretisch zu jeder Zeit verfügbar sein“, sagt der Ökonom. Selbst wenn der Kunde in der Regel nur ein Produkt kauft. „Unter normalen ökonomischen Gesichtspunkten würde ein Unternehmer die Hälfte der Produkte aussortieren, weil sich das gar nicht rechnet.“ Doch die Auswahl funktioniere wie eine Marketingmaschine. „Wenn es in einem Laden viele unterschiedliche Produkte gibt, dann kommen die Kunden, weil sie neugierig sind“, sagt Janze. Und irgendetwas nähmen sie immer mit, ob sie es nun vorhatten oder nicht.