…ist in der vergangenen Woche mit einer Entscheidung öffentlich hervorgetreten, die bundesweit Schlagzeilen auslöste – und in einigen Behörden sogar Kopfschütteln bewirkt haben soll. Seine Behörde macht sich ohnehin nicht viele Freunde, da sie sehr stark auf Konflikte ausgerichtet ist. Und sie legt sich gern mit anderen Leuten an, auch mit sehr Mächtigen. Das war diesmal wieder so. Der Niedersachse der Woche…

…heißt Klaus Ziehe, ist 60 Jahre alt, Oberstaatsanwalt und seit 17 Jahren einer der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Foto [M.]: Staatsanwaltschaft Braunschweig

Als Pressesprecher ist es eine seiner Aufgaben, die handelnden Staatsanwälte weitgehend von der Öffentlichkeit abzuschirmen. Damit ist Ziehe nun das Gesicht jener Entscheidung, die vergangenen Dienstag für großes Aufsehen sorgte: In der Frage der Diesel-Manipulation sollen der jetzige VW-Chef Herbert Diess, sein Vorgänger Martin Winterkorn und der jetzige Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wichtige Informationen über Mängel im Unternehmen nicht – wie vorgeschrieben – gemeldet haben. Sie hätten also von bevorstehenden Negativwirkungen auf die Aktienkurse gewusst, ohne aktiv zu werden. Damit hätten sie sich der Marktmanipulation schuldig gemacht.

Konzernspitze als Mitwisser in Verdacht

Juristisch ist dieser Vorwurf umstritten, denn die Beschuldigten entgegnen, die Auswirkungen der Vorwürfe einer Diesel-Manipulation, um die es damals im Jahr 2015 ging, seien aus damaliger Sicht eher überschaubar gewesen. Man habe also seinerzeit gar nicht mit erheblichen Auswirkungen auf den Markt rechnen können.


Lesen Sie auch:

Pötsch und Diess werden von Aufsichtsrat weiter unterstützt


Doch Ziehe und seine Kollegen listen in der Anklageschrift sehr feinsäuberlich auf, wieso die Spitzen des Konzerns zu Mitwissern der Affäre zählen müssen – und warum sie sich jetzt dafür auch vor Gericht zu verantworten haben. Die Anklage ist zwar noch nicht vom Landgericht zugelassen, dies ist noch eine Hürde.

Aber die Staatsanwaltschaft Braunschweig als Anklagebehörde zeigt immerhin in dieser Frage den Mut, vorzupreschen und den Konflikt mit mächtigen Wirtschaftsführern zu wagen. Das dürfte auch in der Landesregierung nicht nur mit Zuspruch und Bewunderung quittiert werden, sind doch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) als sein Stellvertreter Mitglieder im VW-Aufsichtsrat – und damit auch Vertreter des Unternehmens.

Signal für die Unabhängigkeit der Justiz?

Ist das Agieren von Ziehe und seinen Kollegen nun ein Signal für die Unabhängigkeit der Justiz, für die unerschrockene Art der Ermittler, die auch vor den „großen Tieren“ nicht zurückschrecken? Oder spürt die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Druck, Flagge gegen die VW-Spitzen zu zeigen, damit sie sich so von dem stillen Verdacht befreien können, in Niedersachsen würde der Staat die Machenschaften des – teilweise staatseigenen – Konzerns decken?

Wie auch immer: Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft gilt in den vielen juristischen Streitfragen rund um VW, auch wenn es etwa um die Nachteile für die Kunden geht, die manipulierte Autos erworben hatten, als durchaus hart und konsequent. Und das, obwohl der VW-Konzern auf der anderen Seite eine Fülle an Anwälten und Beratern aufbieten kann – während Ziehe und seine Leute nur ein Dutzend Sachbearbeiter haben.

Es gehe ja nicht um Quantität, sondern um die Qualität der Argumentation, hat der Sprecher der Staatsanwaltschaft mal gesagt. Ziehe ist ein unerschrockener Jurist. Seit 1993 ist er als Staatsanwalt tätig, 2006 wurde er zum Oberstaatsanwalt befördert und leitet seitdem eine eigene Abteilung für allgemeine Strafsachen. Für die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft ist er seit 2002 tätig – also auch schon zu der Zeit als es in der „VW-Affäre“ um die Bestechung von Betriebsräten ging.

Das auffällige und interessante Wirken des Oberstaatsanwalts wird in dieser Woche von der Politikredaktion Rundblick mit dem Titel „Niedersachse der Woche“ belohnt. Glückwunsch dazu!