…arbeitet in Celle, ist Geschäftsführer einer Landeseinrichtung und kümmert sich um die Frage, wie den Menschen die Ereignisse der Vergangenheit so nahegebracht werden können, dass sie davon berührt sind. Gerade in diesen Tagen rund um den 75. Jahrestag der Befreiung von Konzentrationslagern in Auschwitz und Bergen-Belsen ist er besonders gefordert – und er setzt Zeichen. Der Niedersachse des Monats…

… heißt Jens-Christian Wagner, ist promovierter Historiker und leitet seit gut fünf Jahren die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (SNG), die sich vor allem auch um die Aufarbeitung der Geschichte von NS-Wirkungsstätten in Niedersachsen kümmert.

Gleichzeitig ist Wagner ein sachlich-argumentierender, nichtsdestotrotz aber vehementer Vertreter einer Haltung, die sich rigoros gegen die Verniedlichung oder Relativierung von NS-Gewalttaten wendet. Er war beteiligt an der Vorbereitung einer Entscheidung der Landtagsmehrheit, keinen AfD-Vertreter für den Stiftungsrat der SNG zuzulassen – vor allem mit Rücksicht auf die Ankündigung von Vertretern der Opfer des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, sich in einem solchen Fall aus der Arbeit zurückziehen zu wollen.


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Jüngst hat Wagner noch einmal ausführlich erklärt, dass sich – angesichts von immer weniger Zeitzeugen und einer Mehrheit der Bevölkerung, die keine eigene Erinnerung mehr an die NS-Zeit hat – der Blick auf die Hitler-Diktatur verändert. Zunehmend komme es bei Besuchergruppen in der Gedenkstätte Bergen-Belesen vor, dass einzelne provokative Fragen stellen mit dem Ziel, den Besucherdienst zu verunsichern oder „auf das Glatteis zu führen“. So würden teilweise die Opferzahlen der NS-Vernichtungspolitik angezweifelt, dann wieder werde erwähnt, dass ja auch in Gefangenenlagern der Alliierten nach 1945 tausende Menschen gestorben seien.

Wagner empfiehlt in solchen Fällen, ruhig und sachlich zu argumentieren und auf das Besondere der NS-Politik hinzuweisen. Der Holocaust habe das Ziel verfolgt, eine ganze Bevölkerungsgruppe, die Juden und andere Minderheiten, von der Bildfläche verschwinden zu lassen, indem sie ermordet werden. Nach den Worten von Wagner hat sich an diesem Vorgehen „ein großer Teil der Bevölkerung beteiligt“ – nicht als Täter, denn das war ein kleiner Teil. Viele aber hätten davon gewusst und geschwiegen, viele hätten auch dabei geholfen, die Tötungsmaschinerie der Nazis am Laufen zu halten.

Gedenkstätten sollen Motive der Täter ergründen helfen

Gleichzeitig wirbt auch Wagner für einen neuen Zugang zur Erinnerung – weniger das Bekenntnis zur Trauer für die Opfer solle im Vordergrund stehen, sondern mehr die Fakten, die zur Erkenntnis führen. So solle die neue Gedenkstättenarbeit stärker die Motivation der Täter zu ergründen versuchen oder auch die Funktionsweise der NS-Propaganda. Ein Beispiel, dieses anschaulich zu zeigen, könnte der Bückeberg sein, wo das NS-Regime bis 1937 jährlich „Reichserntedankfeiern“ abhielt und eine Art riesiges Massenspektakel zu Ehren von Hitler veranstaltete. Bisher gibt es auf dem Bückeberg noch keine einzige Erinnerung an die damalige Zeit. Wagner sagt, es müsse das Ziel sein, die Besucher von Gedenkstätten zu Nachdenken und zu Überdenken des eigenen Verhaltens zu bringen. Viel Mechanismen, die die Nazis angewandt hätten, etwa die Ausgrenzung von Minderheiten, würden heute noch funktionieren.


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Wagner ist 53 Jahre alt, wurde in Göttingen geboren, wuchs in Herzberg auf und studierte Geschichte in Göttingen und in Santiago de Chile. Seine Doktorarbeit schrieb er zum KZ Mittelbau-Dora. Er lebt mit seiner Familie in Celle. Weil er in vorbildlicher Art seine Aufgabe erfüllt, verleiht die Rundblick-Redaktion ihm den Titel „Niedersachse des Monats Januar“. Glückwunsch dazu!