Von Hermann Horstkotte

Die Technische Universität Braunschweig gab kurz vor Weihnachten 2011 bekannt: Wenn die Uni Bonn der Politikberaterin  Margarita Mathiopoulos  den Doktortitel entzieht, dann kann sie bei uns nicht länger ehrenamtlich „Honorarprofessorin“ bleiben. Seit Anfang August diesen Jahres ist der Doktorhut  rechtskräftig weg. Aber seither grübeln die Verantwortlichen der TU, ob der damalige „Vorratsbeschluss“ wirklich das Richtige war.

Zum Vergleich: Die Uni Potsdam, wo Mathiopoulos ebenfalls Honorarprofessorin wurde, hat damals die Ehre ebenfalls vom gültigen Doktorgrad abhängig gemacht – sich aber nun ausdrücklich anders entschieden. Mathiopoulos habe angekündigt, sich beim Bundesverfassungsgericht über den verlorenen Doktortitel zu beschweren, was inzwischen geschehen ist, und deswegen nötigenfalls noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen. Das kann Jahre dauern, und solange will die Uni in Brandenburg ihre Entscheidung auf die lange Bank schieben. Die Braunschweiger Kollegen wollen sich und ihr immerhin noch Zeit bis nächstes Jahr geben, meint eine Uni-Sprecherin auf Nachfrage. Demgegenüber stellen Mathiopoulos´ Anwälte klar fest: „ Nach unserer Kenntnis wartet  auch die Technische Universität Braunschweig eine Entscheidung aus Karlsruhe ab.“

Dissertation schon nach der Veröffentlichung unter Plagiatsverdacht

Die zögerliche Herangehensweise von heute lässt die klaren Ansagen vor Jahren als irgendwie überstürzt erscheinen. Jedenfalls in Braunschweig war das auch tatsächlich so. Denn überhaupt erst ein gutes Vierteljahr später war sich die Uni Bonn abschließend im Klaren über die Qualität der angefochtenen Arbeit. Die schnellen Reaktionen lassen sich nur im Zusammenhang mit den seinerzeitigen Plagiatsvorwürfen gegen die Bayreuther Doktorarbeit des Ministers Karl-Theodor von Guttenberg verstehen. Angesichts des großen öffentlichen Aufsehens und Drucks wollten alle anderen Universitäten demonstrativ reinen Tisch demonstrieren, auch in Bonn, Braunschweig und in Potsdam.

Indes war Mathiopoulos´ Dissertation über „Geschichte und Fortschritt im Denken Amerikas“ in der Fachliteratur schon  gleich nach ihrer Veröffentlichung in den achtziger Jahren unter Plagiatsverdacht geraten. Aber die Uni Bonn hatte die Bedenken damals amtlich vom Tisch gefegt. Zur Überprüfung gab es noch  keine Plagiatssoftware, und umständehalber auch kein so konsequentes Nachforschen wie später 2011 und 2012. Mathiopoulos war eine Bonner Prominente. Ihre Eltern waren vor der Diktatur in Griechenland in die Bundeshauptstadt geflohen und mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt befreundet, die Tochter mit dem CDU-Nachwuchspolitiker Friedbert Pflüger verheiratet. Doktorvater war bei beiden Karl Dietrich Bracher, einer der Gründerväter der Politikwissenschaften in der „Bonner Republik“.

Nach der Promotion machte Mathiopoulos zunächst Karriere als Gastdozentin an amerikanischen Hochschulen, bis sie 1992 Leiterin des Bereiches Kommunikation und Marketing der Norddeutschen Landesbank in Hannover wurde. Drei Jahre später verlieh ihr die TU Braunschweig eine Honorarprofessur, eine Auszeichnung, um die man sich nicht bewerben kann. Lehrverpflichtungen waren damit nicht verbunden, höchstens Hoffnungen auf informelle Kontakte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Leggewie hält sein Gutachten heute für einen Fehler

Bei der Berufung an die TU waren die alten Plagiatsvorwürfe keineswegs verstummt. Der auswärtige Gutachter Gert Krell von der Universität Frankfurt machte darauf aufmerksam – und wurde deshalb prompt aus dem Verfahren herausgenommen. Opposition aus der Philosophischen Fakultät, etwa vom Geschichtsprofessor Helmut Castritius, fand kein Gehör. Demgegenüber sprach etwa der renommierte Gießener Politologe Claus Leggewie in seinem Gutachten davon, die Dissertation sei „vor allem von außerwissenschaftlicher Seite  zu Unrecht und ohne Grundlage angegriffen worden“. Die TU habe mit Mathiopoulos einen „großen Fisch“ an der Angel, über den die Hochschule zu einem internationalen „Kreuzungspunkt“ von Wissenschaft und Politik werden könne.

Ähnlich befürwortete auch der Braunschweiger Politikprofessor Klaus Lompe Mathiopoulos´ Berufung uneingeschränkt. Negative Stimmen zur Doktorarbeit seien verleumderisch. Von den überlebenden Förderern zeigt sich allein Leggewie reumütig. Er sagt heute: „Ohne Umschweife: Mein Gutachten war ein Fehler.“ Er habe sich zu sehr auf Braunschweiger Einflüsterer verlassen.

Tatsächlich muss niemand Doktor sein, um Honorarprofessor zu werden. Im Falle Mathiopoulos verteidigten die Gutachter nicht nur die Dissertation, sondern rühmten eine Vielzahl weiterer Publikationen sowie die internationalen Verbindungen. Indes kann die Hochschule den Professorentitel zurücknehmen, wenn sonst – etwa wegen der Unwürdigkeit eines Plagiators – ihr Ruf Schaden nehmen könnte. Gegen eine Aberkennung steht andererseits der Rechtsweg offen, durch alle Instanzen wie beim Promotionsstreit. Und selbst wenn Mathiopoulos auch dabei den Kürzeren zöge, würde die TU Braunschweig  womöglich doch vor Gericht als Blamierte dastehen. Sollen die früheren Lobeshymnen auf einmal nicht mehr wahr sein? Alles möglichst lange in der Schwebe zu halten, war der gute Rat gewiefter Juristen in Potsdam. Die liegen jetzt anscheinend wieder richtig.