Von Martin Brüning

Die Grünen waren schon immer überzeugt. Vor zwei Jahren beschlossen sie auf ihrem Landesparteitag in Oldenburg, dass ab 2030 keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor verkauft werden sollten. Viele Deutsche sind gegenüber der Elektromobilität angeblich aufgeschlossen. Einer Umfrage zufolge können sich zwei Drittel vorstellen, ein E-Auto zu kaufen. Allerdings: Wie bei so vielen umweltpolitischen Fragestellungen klaffen Bekenntnis und Realität weit auseinander.

Und so war die Überschrift „E-Autos kommen langsam ins Rollen“ in zahlreichen Zeitungen Anfang Januar vor allem eines: ein Euphemismus. Denn der Statistik zufolge stieg die Zahl der Neuzulassungen bis November 2018 zwar um 0,3 Prozente im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings wurden in Niedersachsen insgesamt nicht einmal 2800 Elektroautos verkauft. In der Zahl sind auch die Autos enthalten, die Verbände und Unternehmen für den grünen Anstrich nach außen kaufen, was die Zahl der Privatkäufer weiter schrumpfen lässt. Der E-Auto-Anteil an den Gesamtzulassungen lag in Niedersachsen im vergangenen Jahr bei 0,9 Prozent.

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Doch inzwischen mehren sich nicht nur die ersten Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des einstigen E-Auto-Überfliegers Tesla. Auch die gesamte Technologie wird immer stärker in Frage gestellt. Ist das E-Auto wirklich die Zukunft? In sozialen Medien kursieren Bilder eines Autobahnstaus im Winter mit der Bildüberschrift: „Wenn das alles E-Autos wären: Wer würde die alle abschleppen und nach drei Stunden heizen…und vor allem…wie?“.

Es ist, als ob die Rufer nach Fahrverboten und Förderer der E-Mobilität den Bogen überspannt hätten. All die Nachteile der E-Mobilität, die in den vergangenen Jahren in den Debatten gerne unter den Tisch fielen, vielleicht auch in der Hoffnung, das werde sich dann schon irgendwie regeln, liegen plötzlich wieder offen auf dem Tisch. Es sind zahlreiche Punkte, bei denen inzwischen genauer hingesehen und die Technologie offen hinterfragt wird.

Besserer Klimaschutz durch E-Autos: „Elektrofahrzeuge fahren lokal emissionsfrei“, heißt es bei der Nationalen Plattform Elektromobilität, gefördert durch die Bundesregierung. Die Aussage stimmt allerdings im Ansatz höchstens, wenn man auch zu 100 Prozent „Ökostrom“ zapft – selbst in Deutschland ist das eher selten. Wer in einem ehrlichen Vergleich alle Faktoren einberechnet, inklusive der horrenden CO2-Emissionen, die beim Bau eines E-Autos entstehen, dem kommen unweigerlich Zweifel an der angeblichen Klima-Vorreiterschaft der Elektromobilität. „Es kann keine pauschale Aussage getroffen werden, welche Antriebsart generell die beste CO2-Bilanz aufweist“, hat der ADAC herausgefunden. Klar ist auf jeden Fall: Schon die Produktion eines E-Auto-Akkus setzt so viel CO2 frei, dass man mit einem Diesel oder Benziner für dieselbe Menge getrost 200.000 Kilometer fahren könnte, beim E-Auto laden mit Kohlestrom sogar ein Vielfaches.

E-Mobilität ist durch die nötigen Rohstoffe alles andere als „öko“

Ökologische Schäden im Ausland: Für mehr Batterien braucht es immer mehr Metalle und seltene Erden. Die Folgen sind zum Beispiel in der Atacama-Wüste in Chile zu sehen, wo Lithium abgebaut wird. Das Verfahren führt zu einem sinkenden Grundwasserspiegel sowie ausgetrockneten Flussläufe, wodurch Bauern ihre Ackerflächen nicht mehr bewirtschaften können. „Man produziert Lithium und opfert uns“, sagt ein chilenischer Bauer in einem ZDF-Beitrag. Die Bilder aus Chile zeigen: E-Mobilität ist durch die nötigen Rohstoffe alles andere als „öko“.


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Soziale Folgen im Ausland: In den Akkus werden im Durchschnitt bis zu 15 Kilogramm Kobalt verbaut. Das Metall kommt aus dem Kongo und wird teilweise von Bergleuten, häufig auch von Kindern, abgebaut, die die fragilen Schächte selbst gegraben haben und ohne Sicherung darin arbeiten. Die EU will zwar den Anteil an E-Autos in den kommenden Jahren vorschreiben. Mit Vorgaben für den Umgang mit sogenannten Konfliktrohstoffen tut sie sich dagegen schwer. Der Autobauer BMW will jetzt in einer Pilotmine im Kongo erproben, wie sich die Arbeits- und Lebensbedingungen im Kleinstbergbau im Kongo verbessern lassen. Kein leichtes Unterfangen in dem zentralafrikanischen Land.

Wieviel ist ein Auto mit Lithium-Ionen-Batterie noch wert, wenn die Feststoffbatterie auf den Markt kommt und sich durchsetzt? Dann droht E-Auto-Käufern nach dem Diesel-Desaster die zweite Enteignung durch Wertverlust.

Soziale Folgen im Inland: Die Elektromobilität werde im Kleinwagensegment ganz unweigerlich zu erheblichen Preiserhöhungen führen, warnte vor wenigen Tagen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Das heutige Preisniveau sei nicht zu halten. Für die große Mehrheit der deutschen Autofahrer kommt ein neues Auto allerdings ohnehin nicht in Frage. Nur noch ein Drittel der Privatkäufer kauft sich inzwischen einen Neuwagen, die große Mehrheit schaut sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt um. Das Durchschnittalter der Fahrzeuge ist in den vergangenen 15 Jahren um fast zweieinhalb auf über neun Jahre gestiegen. E-Autos sind nach wie vor nur etwas für diejenigen, die es sich leisten können – dagegen kann nicht einmal an der Bund fördern. Ein Zwangs-Aus für Benziner und Diesel wäre allenfalls für Besserverdiener leichter zu verkraften.

https://soundcloud.com/user-385595761/diesel-debatte-wer-konnte-die-mutter-aller-fahrverbote-werden

Vorbild Norwegen? Von wegen: Bei 30 Prozent liegt der E-Auto-Anteil an den Neuzulassungen in Norwegen. Gemessen am Gesamtbestand ist aber auch in Norwegen gerade einmal jedes 17. Fahrzeug ein E-Auto. Hinzu kommt, dass auch dort bei den Kosten inzwischen ein wenig genauer hingeschaut wird. Allein der Steuernachlass beim Kauf von neuen E-Autos hat den Staat bisher rund 2,5 Milliarden Euro gekostet. Hinzu kommen weitere steuerliche Nachlässe, teilweise wurden sogar Stromkosten subventioniert. Kritiker bemängeln, dass das Geld am Ende für Busse und Bahnen fehlt und die E-Auto-Förderung vor allem den Individualverkehr beflügelt.

Die Situation in Norwegen, Chile oder Kongo dürfte für die deutschen Autofahrer nicht der Hauptgrund sein, bisher auf den Kauf eines E-Autos zu verzichten, wohl aber der hohe Anschaffungspreis, die teilweise viel zu geringe Reichweite sowie die unklare Wertstabilität. Denn wieviel ist ein Auto mit Lithium-Ionen-Batterie noch wert, wenn die Feststoffbatterie auf den Markt kommt und sich durchsetzt? Dann droht E-Auto-Käufern nach dem Diesel-Desaster die zweite Enteignung durch Wertverlust.

Am Mittwoch und am Donnerstag diskutiert der Landtag in Aktuellen Stunden über die Zukunft der Mobilität in Niedersachsen. Trotz aller Nachteile wird die Elektromobilität in den nächsten Jahren voranschreiten – aber nicht mit Zwang, und wohl auch nicht so leichtfüßig, wie manche Fans und Lobbyisten sich das in den vergangenen Jahren vorgestellt haben.