Ist der Schritt von Dana Guth, die AfD-Fraktion zu verlassen und damit die Existenz der AfD-Fraktion im Landtag zu beenden, parteischädigendes Verhalten?

Die Aufregung war groß am vergangenen Dienstag. Nach einer mehrstündigen Krisensitzung im Landtag hat die neunköpfige AfD-Landtagsfraktion, die dort seit knapp drei Jahren wirkt, eine schicksalhafte Situation erlebt. Drei Fraktionsmitglieder, unter ihnen die bisherige Vorsitzende Dana Guth, der Innenpolitiker Jens Ahrends und der Wirtschaftspolitiker Stefan Wirtz, erklärten ihren Austritt aus der Fraktion.

Das hat nach der Geschäftsordnung des Landtags eine harte Folge, denn dort ist verankert, dass die Mindestgröße einer Fraktion bei mindestens 5 Prozent der Abgeordnetengesamtheit liegen muss. Das sind in der aktuellen Situation mit 137 Abgeordneten also mindestens sieben Abgeordnete. Da nach dem Austritt von drei Abgeordneten nur noch sechs Abgeordnete in der bisherigen Fraktion verbleiben, verliert die Fraktion ihr Existenzrecht. Sie muss sich auflösen, einen Liquidator bestimmen und ihre Geschäfte abwickeln.

Die Mitarbeiter, mindestens 15 an der Zahl, müssen entlassen werden. Die staatlichen Zuschüsse, es können bis zu 100.000 Euro monatlich sein, fallen mit Beginn des Oktober ersatzlos weg. Die Chance zu Anträgen für Gesetze entfällt, vermutlich dürfen die fraktionslosen Abgeordneten künftig auch nur noch in den hinteren Reihen des Parlaments sitzen. Und ob die Abgeordneten ohne AfD-Fraktionsstatus ihre bisherigen Arbeitsgebiete in den Fachausschüssen weiter wahrnehmen dürfen, steht im Belieben des Ältestenrates, in dem die AfD demnächst dann auch nicht mehr vertreten sein wird.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Zum Ende dieser Woche ist nun zunächst noch unklar, wann die Auflösung der Fraktion geschieht und ob nicht doch noch auf den letzten Metern eine Verständigung (etwa mit Wirtz oder mit Ahrends) denkbar ist. Der Landesvorstand der AfD hat für Mittwoch zu einem „Versöhnungstreffen“ gebeten. Die Reaktionen sind noch unbekannt. Außerdem weigern sich die sechs verbliebenen Abgeordneten bisher, den Austritt ihrer drei bisherigen Kollegen als formell korrekt anzusehen. Solange aber der Fraktionssatzung beim Austritt nicht Genüge getan worden ist, sieht auch die Landtagsverwaltung noch keine Legitimation, die Auflösung der Fraktion in Gang zu setzen und die Folgen daraus zu ziehen. Es dauert also alles noch ein bisschen länger in der Umsetzung.

Man kann es „politischen Selbstmord“ nennen

Man kann das, was Guth, Ahrends und Wirtz mit ihrem Fraktionsaustritt getan haben, einen „politischen Selbstmord“ nennen. Denn sie beenden damit die Arbeit des parlamentarischen Arms ihrer Partei in Niedersachsen. Zwar erklärte Guth, sie lade andere fraktionslose Abgeordnete ein, mit ihr gemeinsam eine neue siebenköpfige Fraktion zu bilden. Darin ist implizit die Überlegung enthalten, dass zwei von ihr, Ahrends und Wirtz besonders abgelehnte Abgeordnete, nämlich Stephan Bothe (Lüneburg) und Peer Lilienthal (Barsinghausen), nicht zu den Eingeladenen zählen sollen.

Aber das Angebot von Guth und ihren Mitstreitern klingt wenig glaubwürdig, zumal mit dem Austritt der drei Abtrünnigen das Vertrauensverhältnis zum Rest der Landtagsfraktion enorm erschüttert ist. Es ist derzeit überhaupt nicht erkennbar, wie sich die gespaltenen Lager der früheren Fraktion wieder aufeinander zubewegen und zur Neubildung einer Fraktion bereit sein sollen. Noch dazu steht ja die Drohung des Bundesvorstandes im Raum, gegen Guth, Ahrends und Wirtz noch ein Parteiordnungsverfahren einzuleiten. Die Anspannungen wirken umso stärker, als der politische Konflikt in der Krisensitzung am Dienstag mit einer emotionalen Aufwallung und Zuspitzung endete.

Nun will also der AfD-Bundesvorstand bald darüber befinden, ob ein „Parteiordnungsverfahren“ gegen Guth und ihre Mitstreiter eingeleitet werden soll. Ihr wird die „vorsätzliche Auflösung der Landtagsfraktion“ vorgeworfen. Aber trägt das einen Parteiausschluss? Die Konsequenzen für die Partei und die Fraktionsmitarbeiter sind auf jeden Fall gravierend, in der Folge des Schrittes von Guth, Ahrends und Wirtz wird der Handlungsrahmen der AfD in der Landespolitik erheblich geschmälert.

Auf der anderen Seite aber steht die Behauptung der drei Abtrünnigen, dass die Kooperation in der Landtagsfraktion mit den beiden Anhängern des neuen Landesvorsitzenden Jens Kestner, Stephan Bothe und Peer Lilienthal, nicht mehr möglich sein soll. Die Vorwürfe lauten, die beiden Abgeordneten hätten an der Fraktionsvorsitzenden vorbei auf den Mitarbeiterstab der Fraktion eingewirkt und damit eigene Ziele verfolgt. Es geht wohl auch um die Frage, ob einzelne Fraktionsmitarbeiter berechtigt waren, vor dem Landesparteitag am 12. September deutlich Partei für ein Lager innerhalb der AfD zu ergreifen – und sogar für den Landesvorstand zu kandidieren. Lilienthal und Bothe, die Hauptzielscheibe der Kritik der Guth-Gruppe sind, bestreiten vehement die Unterstellungen, sie hätten unzulässig auf den Mitarbeiterstab der AfD-Landtagsfraktion eingewirkt.

Es geht schnell von ganz oben nach ganz unten

Für das Politikjournal Rundblick ist der Streit über die Frage, ob die noch vor drei Wochen mächtigste Frau in der AfD Niedersachsen, die Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzende Guth, jetzt wegen parteischädigenden Verhaltens gemaßregelt oder sogar aus der Partei geworfen werden soll, den Titel „Debatte der Woche“ wert. Das zeigt, wie schnell man in der Politik von ganz oben nach ganz unten plumpsen kann. Als Landesvorsitzende wurde sie mit knapper Mehrheit abgewählt, dann warf sie im Landtag die Brocken hin und erklärte ihren Fraktionsaustritt, richtete so einen erheblichen Flurschaden an und steht jetzt vor der Frage, ob sie auch noch die Mitgliedschaft verliert.

Das zeigt die ganze Härte des politischen Geschäfts. Manche sagen: Guth hätte einfach nur Geduld haben müssen. In der AfD-Mitgliedschaft in Niedersachsen hatte sie bisher etwa die Hälfte hinter sich, die andere Hälfte neigte eher dem Lager ihres Nachfolgers als Landesvorsitzenden, Jens Kestner, zu. Aber mit dem Austritt aus der Fraktion dürfte Guth riskieren, in der Partei sehr viel Sympathie einzubüßen.