…kreist um ein Thema, das in Niedersachsen anders bewertet wird als in anderen Bundesländern. Es geht um die Frage, ob bestimmte Abgeordnete auch dann, wenn sie zusammen noch keine Fraktionsstärke haben, eine „Gruppe“ bilden und mehr Rechte als jene nutzen können sollen, die als einzelne fraktionslose Abgeordnete agieren. Diesen Wunsch haben sechs der bisher neun AfD-Landtagsabgeordneten im Landtag nun geäußert – sie wollen zusammenarbeiten und das auch nach außen deutlich machen. Nur: Die Geschäftsordnung des Landtags gibt diesen Weg bisher nicht her. Soll eine solche Möglichkeit nun trotzdem geschaffen werden?

Für den Wunsch der AfD-Abgeordneten spricht, …

…dass in einem Kreis von 137 Abgeordneten eine Gruppe von sechs Abgeordneten, die sich für eigene Ziele zusammenschließen, tatsächlich eigenes Gewicht haben könnte. Sie könnten beispielsweise das Rederecht, das auf jeden einzelnen Abgeordneten bezogen nur recht minimal innerhalb eines Landtags-Tagungsabschnittes ist, bündeln und damit Schwerpunkte setzen können. Der größte Wunsch dürfte wohl das Antragsrecht für Gesetzentwürfe sein, das laut Geschäftsordnung nur Fraktionen zusteht. Das heißt: Wenn die sechs Abgeordneten jetzt eine gemeinsame Initiative ausarbeiten und im Landtag zur Beratung vortragen wollten, dürften sie das nicht – denn dieses Recht steht nur Fraktionen zu. Die Frage einer Mindeststärke der Fraktionen (nämlich fünf Prozent der Abgeordneten, das wären derzeit also mindestens sieben Abgeordnete) ist erst 2017 in der Geschäftsordnung des Landtags neu geregelt worden.


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Noch in der vorangegangenen Wahlperiode hieß es schlicht, Abgeordnete im Landtag könnten sich zu Fraktionen zusammenschließen – eine Mindestgröße gab es also bis 2017 nicht. Auch das spräche dafür, in diesem Fall Großzügigkeit walten zu lassen und der Gruppe bestimmte Initiativerechte einzuräumen, die bislang nicht bestehen. Dazu müsste jedoch die Geschäftsordnung des Landtags geändert werden – und nach bisherigem Recht haben die AfD-Abgeordneten nicht einmal das Recht, dazu einen Vorschlag einzureichen. Die AfD-Abgeordneten werfen die Frage auf, ob eine Gruppe von sechs Mandatsträgern, die gemeinsame Ziele und programmatische Vorhaben verfolgen, tatsächlich gleichgestellt werden kann mit sechs einzelnen fraktionslosen Abgeordneten, die untereinander keine Verbindung haben und nicht kooperieren wollen. Diese Verhältnismäßigkeit müsse beleuchtet werden.

Gegen den Wunsch der AfD-Abgeordneten spricht…

…die Gesetzeslage. Der Landtag hat 2017 die Mindestgröße für Fraktionen eingeführt. Dass dabei eine Zahl von fünf Prozent der Abgeordneten gewählt wurde, entspricht durchaus einem logischen Gedanken. Bei Wahlen gilt die Fünfprozenthürde, sodass nur jene Parteien Abgeordnete über die Listen in den Landtag entsenden dürfen, die mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten. Die Mindestgröße für Fraktionen hat auch eine wichtige vorbeugende Funktion. Würde man auf sie verzichten, so könnte es für politische Gruppierungen ein lukrativer Schritt sein, eine Fraktion in mehrere Kleinst-Fraktionen von jeweils zwei oder drei Abgeordneten aufzuspalten – denn da jeder Fraktion ein staatlich finanzierter Apparat mit Mitarbeitern und Kostenzuschüssen zusteht (bei der neunköpfigen AfD-Landtagsfraktion waren es zum Schluss rund 100.000 Euro jährlich aus der Landtagskasse), würde sich eine Aufteilung von Abgeordneten in mehrere Fraktionen finanziell positiv auf jeder der neugegründeten Kleinstfraktionen auswirken. Das wollte die Mehrheit der Abgeordneten nach der Landtagswahl 2017 verhindern – vermutlich durchaus mit Blick auf die AfD und die Erfahrung, dass neue Fraktionen im Landtag labil sind und schnell zerbrechen können. Die Mindestgröße ist also durchaus vernünftig begründet, selbst der AfD-Abgeordnete Klaus Wichmann hat diesen Schritt als solchen nicht in Frage gestellt.

Wie geht der Streit weiter?

Der Fall ist eine interessante Frage für Verfassungsjuristen und Parlamentsrechtler. Die AfD-Abgeordneten haben den Wunsch geäußert, der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags, der aus erfahrenen Landtagsjuristen besteht, möge dazu doch mal ein Gutachten schreiben. Ob es dazu kommt und wann das möglich ist, bleibt vorerst offen. Die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP jedenfalls zeigen wenig Neigung, den Wünschen der AfD-Politiker zu entsprechen. Das Problem ist nämlich auch: Erlaubt man den sechs AfD-Abgeordneten eine gemeinsame Gruppe, dann wäre wieder eine neue Abwägung zu treffen – müsste man dann nicht auch den anderen drei ehemaligen Mitgliedern der AfD-Fraktion um Dana Guth, die für sich auch miteinander zusammenarbeiten wollen, ähnliche Rechte einräumen?