Die Nachricht kam über Nacht – und, wie es scheint, zu kurzfristig für die Klärung der Frage, wie die SPD/CDU-Koalition im niedersächsischen Landtag darauf antworten soll. In Berlin verständigten sich die Koalitionsspitzen von Sozialdemokraten, Christdemokraten und Christsozialen darauf, den derzeit bundesweit aufgebrachten Landwirten mit einer Beihilfe von einer Milliarde Euro unter die Arme zu greifen – Geld, das über vier Jahre verteilt dazu dienen soll, die Investitionen zu unterstützen und die wegen der Düngevorschriften befürchteten Einnahmeausfälle auszugleichen. Ist das nun ein positives Signal für die Bauern im Land, eine sinnvolle Entschädigung für die bevorstehenden scharfen Bewirtschaftungsauflagen?


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Der erste, der darauf reagierte, war um 9.26 Uhr der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Toepffer. Seine Aussage klang unzweideutig, dies sei ein „falsches Signal an die Bevölkerung“: „Es geht nicht darum, den Landwirten mit weiteren Milliardensubventionierungen ihr Auskommen zu sichern. Es muss darum gehen, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass ihnen das aus eigener Kraft möglich ist.“ Eine gute halbe Stunde später dann, um 10.05 Uhr, schimpfte der FDP-Wirtschaftspolitiker Jörg Bode in einer wirtschaftspolitischen Debatte im Landtag: „Die Bundesregierung versucht, sich das Schweigen der Bauern zu erkaufen.“

Wir brauchen keine Subvention, wir brauchen Rechtssicherheit. Dafür kämpft diese Koalition, und die FDP ist keine große Hilfe für uns.

Daraufhin sah sich um 10.10 Uhr Wirtschaftsminister und CDU-Landeschef Bernd Althusmann zu einer scharfen Reaktion herausgefordert: „Die FDP bemüht sich seit geraumer Zeit, die Bauern zu verunsichern und aufzuwiegeln. Die Bundesregierung versucht jetzt wenigstens, mit dieser Milliarde die Auswirkungen der Auflagen für die Landwirte abzufedern. Das ist völlig angemessen.“ Steht also Parteichef Althusmann im Gegensatz zu Fraktionschef Toepffer, fragte Bode daraufhin. Toepffer antwortete: „Der Streit geht doch um die Verschärfung des Düngerechts, und da fordern wir einen anderen als den bisher eingeschlagenen Weg. Wir brauchen keine Subvention, wir brauchen Rechtssicherheit. Dafür kämpft diese Koalition, und die FDP ist keine große Hilfe für uns.“ Tosender Beifall ertönte, auch aus der SPD erhielt Toepffer große Zustimmung. Auch Althusmann nickte.

Das Dilemma ist klar: Verschließen will sich die Koalition den geplanten Bundeszuschüssen nicht. Aber Zufriedenheit wäre auch völlig fehl am Platze, denn es geht ja um die Inhalte, um die Ausgestaltung der Düngeverordnung, die am 3. April den Bundesrat passieren soll. Zu der Milliardenhilfe sagte Agrarministerin Barbara Otte-Kinast in einer eine Stunde später gestarteten Landtags-Agrardebatte ganz trocken: „Wir haben das heute Morgen auch aus den Nachrichten erfahren, mehr wissen wir auch nicht.“ Auf jeden Fall könne die Milliardenhilfe „nicht der richtige Weg sein“, man werde „weiter den Kampf um die Verordnung führen“. Und ein Milliarden-Programm, das in vier Jahren ende, führe auch nicht weiter. „Die Bauern brauchen dauerhaftes Geld.“

Bauern laufen Sturm gegen neue Dünge-Vorschriften

Nun ist Aufgeregtheit, die schon seit Wochen rund um die aktuelle Agrardebatte kreist und die am gestrigen Donnerstag im Landtag ein weiteres Mal gesteigert erschien, durchaus erklärbar: Bis Anfang Februar wollen Bundesagrar- und Bundesumweltministerium eigentlich mit der EU-Kommission eine Verständigung auf die neuen Düngeregeln erreicht haben. Zwischen Berlin, Brüssel und auch Hannover glühen die Telefondrähte. Bisher ist vorgesehen, dass in allen Grundwasser-Teilkörpern, in denen ein einziger von der sehr vielen Brunnen eine zu hohe Nitratbelastung anzeigt, strenge Bewirtschaftungsauflagen gelten sollen – pauschal eine Düngung, die um 20 Prozent unter dem Bedarf der Pflanzen liegt.

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Dagegen laufen die Bauern seit Wochen Sturm, aus zwei Gründen: Zum einen würde ein einziger Brunnen in einem Areal, das sich über bis zu 100 landwirtschaftliche Höfe erstrecken kann, strenge Auflagen für die gesamte dortige Landwirtschaft zur Folge haben. Zum anderen würde die 20-Prozent-Kürzung sämtliche Flächen betreffen, auch das Grünland, in dem bisher sowieso keine intensive Düngung stattfindet. Deshalb sei „der niedersächsische Weg“ eine Alternative, betonte Otte-Kinast im Landtag: In den Bereichen, in denen die Messung ein „rotes Gebiet“ in einem Grundwasser-Teilkörper anzeigt, solle anhand des Gülle-Katasters genau gemessen werden, welcher Bauer zu viel gedüngt hat und sich künftig einschränken muss. Aus dem Kataster lasse sich nämlich genau ablesen, welcher Landwirt wieviel Gülle abgibt – und wieviel Gülle er zur Düngung verwertet. Die Landwirtschaftskammer als Behörde überprüft diese Angaben, das geschieht streng.

Wir werden für die Bauern rausholen, was rauszuholen ist. Und wenn das Ergebnis nicht unseren Vorschlägen entspricht, werden wir die Düngeverordnung abschmettern müssen.

Brenzlig wird die Lage nun deshalb, weil dieses Modell trotz der massiven niedersächsischen Fürsprache bisher im Bund keinen Anklang gefunden hat. „Wir sind mit unseren Vorschlägen bisher leider bei der Bundesregierung noch nicht durchgedrungen“, sagte Otte-Kinast im Landtag. Auf die Frage von Miriam Staudte (Grüne), Stefan Birkner (FDP) und Hermann Grupe (FDP), ob denn die Landesregierung bei dieser Lage der Düngeverordnung am 3. April im Bundesrat zustimmen werde, meinte Otte-Kinast: „Ich stehe an der Seite der landwirtschaftlichen Betriebe und erwarte von der Bundesregierung, dass sie unsere Vorschläge in die Düngeverordnung einbettet. Wir werden für die Bauern rausholen, was rauszuholen ist. Und wenn das Ergebnis nicht unseren Vorschlägen entspricht, werden wir die Düngeverordnung abschmettern müssen“, betonte sie – und trug mit ihrer martialischen Wortwahl zur Lebhaftigkeit der Debatte bei. Kräftiger Applaus von CDU und SPD belohnte diese Aussage.

Grundwasser-Messstellen werden bis Ende 2021 neu ausgewertet

In der Landtagsdebatte ging es auch um einige andere Fragen. So wird das Netz an Brunnen, in denen die Grundwasserqualität gemessen wird, bis Ende 2021 neu ausgewertet. Die bisher gemeldeten Werte stammten nämlich von 2013, sagte Umweltminister Olaf Lies. 11.000 Messstellen gibt es landesweit, jede zehnte wird für die Wasserqualität verwendet – und bisher stützte sich das Land nur auf 167 Stellen, in denen zunächst eine hohe Belastung festgestellt werden. Das Messnetz wird nach Lies‘ Worten überarbeitet, um detailgenauere und repräsentative Angaben machen zu können. Der FDP-Agrarpolitiker Grupe sagte, in NRW sei die Qualität der Messungen aller dortigen Brunnen überprüft worden – und, siehe da, sämtliche Punkte hätten falsche Daten geliefert. „Das weckt generell Zweifel an diesen Messungen“, sagte Grupe.

Bedrohliches Bild: Landwirte kamen zum spontanen Protest mit ihren Traktoren vor den Landtag gefahren. – Foto: kw

Wenige Minuten, nachdem er seine Rede beendet hatte, waren wieder viele Traktoren aufgezogen. Die Initiative „Land schafft Verbindung“ hatte mehrere Fahrzeuge organisiert, die hupend um das Parlamentsgebäude fuhren. Auch diese Szene hatte etwas Bedrohliches.