Dana Guth (48), Landesvorsitzende der AfD in Niedersachsen, spricht im Interview mit dem Politikjournal Rundblick über rechtsradikale Tendenzen in der Gesellschaft, über Provokationen und die Standortbestimmung ihrer Partei.

Rundblick: Frau Guth, man hat den Eindruck, dass die AfD in den neuen Bundesländern weitaus radikaler auftritt als beispielsweise in Niedersachsen …

Guth: Ich lebe nun schon seit 1990 in den westlichen Bundesländern und habe nur wenige persönliche Kontakte in die neuen Länder – aber die Mentalität verstehe ich. Die Menschen in der früheren DDR sind deutlich offener, sie wählen klarere Worte und empfinden die „Political Correctness“ als Zwangsjacke. Der Protest wird zwar energischer vorgetragen als im Westen – aber die Menschen hier in Niedersachsen spüren genau so, dass ihnen Sprechverbote auferlegt werden.

Rundblick: Ein Vorwurf gegen die AfD lautet, in Chemnitz habe sie gemeinsam mit Rechtsradikalen demonstriert. Muss man das nicht verhindern?

Guth: Von einzelnen sind dort klar Grenzen überschritten worden – etwa dann, wenn der Hitlergruß gezeigt wurde. Aber wie hätten AfD-Mitglieder verhindern können, dass andere Gruppen oder einzelne Personen sich der Demonstration angeschlossen haben? Das Recht auf Demonstration gilt für alle. Wenn dann Dinge passieren, die wir als AfD nicht mittragen können und man versucht, diese Dinge mit uns in Verbindung zu setzen, muss gehandelt werden. Das ist klar.

„Handeln im Vorfeld durch Unvereinbarkeitslisten“

Rundblick: Aber müssen Sie nicht aus den Vorfällen in Chemnitz den Schluss ziehen, sich stärker als bisher von Neonazis und anderen rechtsextremen Gruppen zu distanzieren?

Guth: Das haben wir immer getan und tun es auch weiterhin. Ein Beispiel: Als uns bekannt wurde, dass Funktionsträger der Osnabrücker AfD an einem rechtsradikalen Konzert teilgenommen haben, hat der Landesvorstand den Rücktritt des Kreisvorstandes gefordert. Das ist auch geschehen. Einer der drei Beteiligten ist aus der AfD ausgetreten, gegen die beiden anderen läuft ein Parteiausschlussverfahren. Auch durch unsere Unvereinbarkeitsliste und die Vorgespräche, die wir mit potentiellen neuen Mitgliedern führen, zeigen wir deutlich, dass wir schon im Vorfeld handeln.

Rundblick: Dem Landesverband „Junge Alternative“ wird die Unterwanderung durch Rechtsextremisten vorgeworfen. Auch der Verfassungsschutz sieht dieses Problem …

Guth: Richtig ist, dass es dort ein paar fragwürdige Personen gibt – dabei handelt es sich um maximal zehn bis 15 Leute in einem Landesverband mit insgesamt 180 Mitgliedern. Die JA selbst sucht nach einem Weg, sich von diesen möglichst rasch zu trennen. Es handelt sich um Mitstreiter des früheren JA-Landesvorsitzenden Lars Steinke, der versucht hatte, seine Machtposition auszubauen. Gegen ihn läuft übrigens auch ein Parteiausschlussverfahren. Das war aber erst möglich, seit wir belastbare Hinweise auf parteischädigendes Verhalten hatten – und die bestanden in seinem Facebook-Post, mit dem er über Stauffenberg herzog.

„Steinke hat sich nicht so verhalten, wie wir das erwartet hatten“

Rundblick: Aber war Lars Steinke nicht sogar Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion?

Guth: Er war vier Monate lang – von Februar bis Mai 2018 – Mitarbeiter der Landtagsfraktion, allerdings ohne Zugang zu internen Vorgängen zu haben oder direkt für unsere Abgeordneten gearbeitet zu haben. Wir haben dann aber das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, weil er sich nicht so verhalten hat, wie wir das als Fraktion erwartet hatten. Sein Facebook-Post zu Stauffenberg hat den Landesvorstand dann bewogen schnell einzugreifen. Steinke hat aktuell keine politischen Ämter inne. Es läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn.

Rundblick: Auf Bundesebene gibt es viele Spitzenpolitiker der AfD, die aus der regelmäßigen Provokation eine Übung gemacht zu haben scheinen, Björn Höcke oder Alexander Gauland zum Beispiel. Wie beurteilen Sie das?

Guth: Wir sind hier in Niedersachsen. Hier arbeitet die Fraktion und der Landesverband. Ich würde es auch nicht wollen, wenn jemand aus einem anderen Bundesland unsere Arbeit beurteilt, daher mache ich das auch bei anderen nicht.

„Glaube nicht, dass zuviel von Seiten der AfD provoziert wird“

Rundblick: Die Antwort ist uns zu einfach. Ist es nicht aber so, dass Herr Höcke, der das Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“ genannt hat, und Herr Gauland, der die NS-Zeit als „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnete, zu viel und zu oft provozieren?

Guth: Ob zu viel von Seiten der AfD provoziert wird, glaube ich nicht. Schauen Sie sich doch die Äußerungen an, die Bundespolitiker anderer Parteien machen. Es ist doch teilweise unerträglich, was über die AfD gesagt wird, was über Thilo Sarrazin gesagt wurde oder wie Teile der Bevölkerung von Vertretern der anderen Parteien als „Pack“ verunglimpft werden.

Rundblick: Immer wieder wird in der politischen Debatte auf die NS-Zeit Bezug genommen. Was halten Sie davon?

Guth: Das tun ja vor allem unsere politischen Gegner. Ein Beispiel: Ich bin gegen das betäubungslose Schlachten. Ich finde es furchtbar, wenn Tieren ohne Betäubung die Kehle durchgeschnitten wird. Es ist mehr als verwerflich, wenn der politische Gegner versucht, in mein Nein zum betäubungslosen Schlachten einen NS-Bezug hineinzudeuten. Dagegen verwahre ich mich.